Moers. In einer Lesung zitierten Schauspieler des Schlosstheaters aus Protokollen des Geheimtreffens in Potsdam. Der Inhalt machte so manchen sprachlos.
Verallgemeinerungen von Biografien von Menschen mit Migrationsgeschichte und Pläne, die Abschiebungen von Millionen Personen wie Asylbewerbern, Ausländern mit Bleiberecht und „nichtassimilierten“ deutschen Staatsbürgern vorgesehen haben: Das Recherchenetzwerk „Correctiv“ veröffentlichte Aufnahmen aus einem Treffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern in einem Hotel bei Potsdam.
Bundesweit demonstrierten daraufhin Millionen für Demokratie, auch in Moers. Das Ensemble des Schlosstheaters Moers (STM) arbeitete originale Gesprächsprotokolle des Geheimtreffens am Samstagabend in einer szenischen Lesung auf. Neben dem STM beteiligte sich die Fachstelle für Demokratie der Stadt Moers, das Grafschafter Museum, das Laboratorium des evangelischen Kirchenkreises Dinslaken, Duisburg, Moers und Wesel und der Awo Kreisverband Wesel an der Umsetzung. Bereitgestellt wurde das Textmaterial vom Recherchenetzwerk „Correctiv“ und Regisseur Kay Voges.
Wenn die Unterwelt einen „Masterplan“ entwirft
Rund 130 Besucher jeden Alters besuchten die Lesung. Als die vier Schauspielenden Matthias Heße, Ludwig Michael, Leonardo Lukanow und Joanne Gläsel an dem großen Tisch Platz nahmen, wurden die Blicke nachdenklich. Mit ihrer schwarzen Kleidung schafften die Akteure eine Atmosphäre einer Unterwelt, in der ein „Masterplan für Deutschland“ entworfen werden sollte.
Vertreibung von Millionen
AfD-Politiker, Mitglieder der CDU-nahen Werte-Union, Neonazis von der „Identitären Bewegung“ und Unternehmer trafen sich im November vergangenen Jahres in Potsdam zu einem konspirativen Geheim-Treffen, um über die Vertreibung mehrerer Millionen Menschen aus Deutschland zu diskutieren. Auch Staatsbürger mit Migrationshintergrund sollen laut dieser Pläne abgeschoben oder durch einen „hohen Anpassungsdruck zur Übersiedlung“ gebracht werden. So berichtete das Recherchezentrum „Correctiv“.
Auf der Leinwand flackerten Bilder vom Tag des Geheimtreffens. Etwa vom weißen SUV, aus dem Deutschrock der Band „Freiwild“ dröhnte und Videos, die Rechtsextremist Martin Sellner mit AfD-Politikern zeigten. Am Tisch außerdem: Ex-CDU-Mitglieder, Heilpraktiker, verurteilte Gewalttäter und „Backwerk“-Mitbegründer. „Meine lieben Patrioten, willkommen im Düsseldorfer Forum“, sagte Heße in der Rolle des berenteten Zahnarztes und Sohn eines NSDAP-Mitgliedes, Gernot Mörig. „Was ich jetzt sage, habe ich nie so gesagt. Es ist nicht die Frage über Israel oder Ukrainekrieg, sondern die, ob wir als Volk im Abendland überleben oder nicht“, zitierte Heße aus dem Geheimtreffen. Das Publikum war sprachlos.
Was so alles in den Köpfen vorgeht
Der Staat als Instrument, eine Rasse zu erhalten, „auch Ethnie im Marketing-Nazi-Sprech genannt“, fügte Heße an, Zeilen aus Höckes (AfD) Buch, in der er von „wohltemperierter Grausamkeit“ schreibt, Sellners Entwurf eines „Musterstaates in Nordafrika“, den Abgeschobene und Flüchtlingshelfende bewohnen sollen, und Berechnungen des AfD-Politikers Maximilian Krah, nach denen 25 Millionen Menschen abgeschoben werden müssten: Diese Einblicke in die gedachten extremen Vorgehensweisen brachte das Ensemble mit pointierter und faktenbasierter Schauspielkunst herüber.
Der AfD nicht das Themenfeld überlassen
Autor und Historiker Per Leo („Mit Rechten reden“) machte im anschließenden Publikumsdialog deutlich: „Politischer Wettbewerb darf nicht veröden, es sollte migrationsskeptische Stimmen geben“, betonte Leo. Seine Meinung: „AfD-Verbote sind keine Lösung. Man muss deutlich machen: Gerade finanzschwache AfD-Wähler wählen gegen sich selbst. Parteien sollten der AfD nicht ein Themenfeld überlassen, stattdessen Zukunftsvisionen präsentieren und demokratische Institutionen wie Gewerkschaften ausbauen.“
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