Oberhausen. Joachim Witt hat in Oberhausen nicht nur Klassiker wie den „Goldenen Reiter“ gespielt. Im Konzert macht der Sänger auch ungewöhnliche Ansagen.
Das Konzert ist am Freitagabend schon einige Momente im Gange – und aus dem Publikum gibt es eine klare Ansage. „Joachim, du bist der Beste“ schallt es aus dem Innenraum der kleinen Oberhausener Resonanzwerk-Halle, während Nebelmaschinen die Hallenfront in eine schummerige Lichtstimmung tauchen.
Der einst als Prototyp der Neuen Deutschen Welle (NDW) gestartete Gastgeber des Abends hat seine Musikkarriere längst auf mehrere Genres ausgeweitet. Es prallen Elemente aus Gothic, Rock, Neuer Deutscher Härte und Industrial aufeinander. Der heute 75-Jährige trat 2019 beim Metal-Monsterfestival „Wacken“ auf. Im vergangenen Jahr traf er sich wiederum mit Marianne Rosenberg und dem Duett-Song „In unserer Zeit“ bei Florian Silbereisens „Die große Schlagerstrandparty“ im Gelsenkirchener Amphitheater - begleitet von TV-Kameras der ARD. Kontraste pur.
So gibt es auch am Freitagabend nahe der Stadtgrenze von Oberhausen und Essen keine monothematische Set-Liste. Dem Publikum merkt man die unterschiedlichen Strömungen an. Fans aus der NDW-Zeit stehen neben Anhängern der Schwarzen Szene und sogar versprengte Anhänger der Schlagermusik sind gekommen. 430 Fans meldet der Veranstalter. Das Resonanzwerk ist damit nicht ganz ausverkauft, aber im Innenraum gut gefüllt.
Joachim Witt in Oberhausen: Kurzfristiger Umzug bei der letzten Club-Tour
Noch kurz vor dem Konzert gab es Irritationen: Eigentlich sollte der erfahrene Musiker in der neben dem Centro Oberhausen gelegenen „Turbinenhalle 2“ spielen. Doch die Halle schien mit 1800 möglichen Fans am Ende überdimensioniert - die Produktion zog ins deutlich kleinere Resonanzwerk (hinter dem Hostel Veritas) um. Die Ticketpreise mit rund 56 Euro - kein Schnäppchen.
Dabei passten kleinere Lokalitäten durchaus zum aufgedruckten Zusatz auf den reichlich im Revier geklebten Joachim-Witt-Konzertplakaten. Es soll Joachim Witts letzte Club-Tournee werden. „Alter, das Altern ist so geil“, sagt der Sänger zwischendurch an einem Abend, an dem die Songs sitzen, aber die eingestreuten gesäuselten Ansagen, anders als sonst, manchmal unverständlich bleiben.
„Die Texte stehen für sich, da muss ich nichts erläutern“, sagt er, deutet zwischendurch auf seine lange weiße Haarmähne. Der Mann, der sich auf den sozialen Netzwerken mit Videoclips nah bei den Fans zeigt und auch bei Helfern hinter den Bühnen einen guten Ruf genießt, scheinen einzelne Jubelrufe beinah unangenehm zu sein. Der Hamburger spielt reichlich aus dem der Tour namensgebenden Album „Der Fels in der Brandung“, darunter das treibende „Propaganda“, das popbehaftete „Weg ins Licht“ und das rauchige „Geh deinen Weg“.
Zwischendurch nimmt das Konzert eine skurrile Abfahrt: Eine Mitarbeiterin drückt dem bärtigen Sänger plötzlich einen kleinen Zettel in die Hand. Joachim Witt unterbricht den Auftritt für eine kurze Ansage, die Sänger höchstpersönlich nicht gerade häufig während eines Konzerts bringen. Joachim Witt: „Folgende Fahrzeughalter mit den Kennzeichen…“ Offenbar hatten drei Konzertbesucher ihre Fahrzeuge vor einer Feuerwehrzufahrt abgestellt und müssen nun kurzfristig umparken. „Wir warten auch…“, sagt der Sänger. Eine Ansage mit Augenzwinkern. Es geht nahezu nahtlos weiter. Der nächste Song heißt „Revolution“.
Joachim Witt in Oberhausen: Fans warten auf „Die Flut“, „Goldener Reiter“ und „Herbergsvater“
Zwischendurch steigen immer wieder Fotohandys hoch. Den Sänger begleitet eine dreiköpfige Band, die mit Keyboards, Schlagzeug und elektrischer Gitarre den Multi-Genre-Songs Fülle gibt.
Den Applaus quittiert der Sänger mit einer schlüssigen Rechnung, die vor dem Konzert an ihn herangetragen wurde: „Wenn du in Oberhausen ankommst, dann kommst du überall an.“ Dies soll aber keine Stichelei sein, die Spielorte seien austauschbar. „Wie London, das Kaff oder New York, das Oberkaff.“
Fans, die sich durch die Ansagen gearbeitet haben, erhalten gegen Ende den viel erwarteten Populär-Reigen: Joachim Witt nimmt Platz und kündigt einen Song aus den 1990er-Jahren an, der nichts an Aktualität eingebüßt hat. „Und wenn doch, dann wäre es mir egal.“
Witt singt umjubelt „Die Flut“, das Ohrwurm-Duett einst mit Peter Heppner, das es 1998 bis auf den zweiten Rang der Hitparaden schaffte. Ab jetzt geht alles Schlag auf Schlag. Die Handykamera-Quote erhöht sich hurtig, als der „Goldene Reiter“ (1980), eine der NDW-Hymnen schlechthin, durch das Resonanzwerk galoppiert und von den Fans fehlerfrei mitgesungen wird. Der Spottsong „Herbergsvater“ (1982) schließt danach den Laden ab. Verbeugung. Applaus. Ende.