Oberhausen. Im Kulttempel in Oberhausen hat eine zweite Area eröffnet. Die Fläche für Konzerte und Partys schmückt nostalgische Dekoration aus dem Old Daddy.

Diese Fässer mussten schon einiges (er-)tragen: Bierflaschen. Gläser. Krüge. Und sicher auch einige Fäuste sind bei angeregter Plauderei auf die massive Holzoberfläche niedergegangen. Auf 110 Quadratmetern hat im Kulttempel an der Mülheimer Straße eine neue Tanzarea ihren Betrieb aufgenommen.

Charmante Details sind nicht nur Stammgästen aufgefallen. So wie die alten Fass-Tische aus den Kult-Diskotheken Old Daddy (Haltern, Duisburg, Oberhausen-Sterkrade). Zuletzt verrichteten sie in Duisburg ihre Dienste. Betreiber Peter Jurjahn hat den Disco-Ableger in der Nachbarstadt Anfang des Jahres verkauft - und Teile der Inneneinrichtung in Oberhausen wieder aufgebaut. In der „Old Daddy Lounge“.

Platz hat der 58-Jährige hier reichlich. Wer durch den ehemalige Lokschuppen in Sichtweite zur großen Turbinenhalle schlendert, sieht wie kleinteilig das Gebäude genutzt wird. Auf die fein gestaltete erste Tanzfläche mit ihren kunstvollen Kirchenfenstern und dem breiten Balkon passen bis zu 650 Menschen. Extrabreit, Krupps, Joachim Witt - alle haben hier schon gespielt. Mit dem Tresohr Studios nutzt außerdem ein Mieter einige Räume. Zusätzliche Bürofläche befindet sich im Obergeschoss.

Kulttempel Oberhausen: Diskothek rüstet sich für Zukunft - und investiert

Jurjahn hat in den vergangenen Monaten und Jahren kräftig in seinen Kulttempel investiert. Eine neue Lüftungsanlage verschlingt allein eine Viertel Million Euro. Fünf Kilometer Kabel wurden im ehemaligen Industriegebäude verlegt. Die Toiletten sind renoviert. Im Backstage-Bereich befinden sich moderne Aufenthaltsräume, ein neuer Speisesaal sowie Duschanlagen für Künstlerinnen und Künstler - getrennt nach Männern und Frauen.

Transporter mit bulliger Bandausstattung sollen künftig über einen neuen Zugang an der Gebäuderückseite direkt hinter die Bühne fahren können. Entladen. Beladen. Mit wenigen Handgriffen und über eine neue Rampe. Jurjahn deutet auf das Baugerüst auf der Rückseite. Der Kulturschaffende hat noch viel vor.

Früher nutzte die Musikschule einige Räume, sogar ein Frisörsalon leistete Kopfarbeit. Und genau dort, wo früher Schnitt für Schnitt das Haupthaar verschönert wurde und zuletzt Lagerräume wenig Leben boten, startet nun die zweite Tanzfläche durch.

Die Pläne dazu hatte Jurjahn schon längere Zeit im Kopf. 200 Personen passen in den charmant gestalteten Bereich. Damit alles entspannt bleibt, macht der Diskotheken-Besitzer aber bei 150 Fans Schluss.

„Alles ist hier Handarbeit“, sagt Jurjahn. Beim großen Wandgraffiti mit finsteren Landschaften und Totenköpfen hat der Oberhausener Künstler Oliver Klapp ganze Arbeit geleistet. Die Kulisse soll in das Gesamtbild des Kulttempels passen. Breite Engelsflügel prangen an der Wand. Ein Piano steht charmant in der Ecke. Sogar eine ausrangierte Kirchenbank ist in der neuen „Old Daddy Lounge“ verbaut worden.

Kulttempel Oberhausen: Im Foyer hängen humorvolle Zechen-Utensilien

Bedächtig geht es trotzdem nicht zu. Und das nicht nur, weil die leistungsstarken Bassboxen hier schon Möbelstücke zum Vibrieren gebracht haben. „Der Raum bietet alle Möglichkeiten unserer größeren Tanzfläche. Das gilt für Konzerte und Partys gleichermaßen.“

Jurjahn sieht seine neue Area als gute Ergänzung, um eine weitere Musikrichtung einzustreuen oder nach einem Konzert eine Aftershowparty zu starten. Beispiel: Wenn in der Area 1 die Depeche Mode Electric Night steigt, musiziert in der Area 2 eben die 80er Pop & Wave-Party. Gäste sollen nur einmal Eintritt zahlen. Zwei verschiedene Vermietungen an einem Abend, wie zum Beispiel in der „Turbinenhalle 1“ und „Turbinenhalle 2“ nebenan praktiziert, strebt Jurjahn aber nicht an.

Die neue Area müssen Nostalgie-Fans nicht lange suchen. Der Zugang befindet sich hinter der neu gestalteten Kasse. Jurjahn hat als ehemaliger Bergmann auf Prosper Haniel das Foyer mit nostalgischen Bildern und Zechen-Utensilien ausgestattet. Über der Tür zur „Old Daddy Lounge“ prangt eine Metalltafel mit humorvollen Ruhrpott-Gesetzen. Paragraf 10 lautet: „Wenn einer aus Bottrop is, hälsse dich stickum!“

Kulttempel Oberhausen: Allein schon 100 Konzerte für 2024 sicher

Dass Jurjahn nach beschwerlichen Corona-Jahren die Mundwinkel nach oben ziehen kann, liegt vor allem daran, dass ihm eine rührige Stammkundschaft die Treue gehalten hat. In eigenen Facebook-Gruppen wird angeregt diskutiert. Neben Themenpartys sind es Szene-Konzerte, die bis aus dem Kölner Raum neben Fans auch Veranstalter und Musiker anlocken. Hinzu kommen Abi-Feiern, Firmentreffen und Szene-Trödelmärkte.

Dass sich neben dem Lipperfeld etwas bewegt, merkt man bereits an den Buchungen, die Jurjahn für das kommende Jahr im Terminheft stehen hat. „Wir haben rund 100 Konzerte fest, hinzu kommen noch die Partys.“ Von wegen Wochenendbetrieb: In starken Monaten öffnet die Diskothek bis zu 18 Tage im Monat.

>>> Lokschuppen: Starclub, Saint und schließlich Kulttempel

Der ehemalige Lokschuppen an der Mülheimer Straße, gelegen neben der Turbinenhalle, einer Spielhalle und McDonald’s-Filiale, wurde Anfang der 1990er-Jahre in eine Tanzlokalität umgebaut. Zunächst in den „Starclub“.

Im Februar 2000 verwandelte sich das Gebäude dann in das „Saint“. Die Macher strebten damals eine Mischung aus Old Daddy und Raskalnikov an. 2011 übernahm schließlich Peter Jurjahn das Haus aus einer Zwangsversteigerung und eröffnete den Kulttempel.