Oberhausen. Die Oberhausenerin Klaudia Böer hat mehr als zwanzig Jahre lang Kinder in ihrer Tagespflege betreut und geht in Ruhestand. Was heute anders ist.
- Oberhausenerin Klaudia Böer hat mehr als zwanzig Jahre lang Kinder betreut
- Mit ihrer Großtagespflege war sie anfangs eine Pionierin
- Was sie vermissen wird und was nicht, darüber hat sie mit uns gesprochen
Als Klaudia Böer das Pflegenest Sterntaler gründete, steckte die Kindertagespflege noch in den Anfängen. Kindergärten waren die Regel, kleine Kinder unter drei Jahren blieben meist bei ihren Müttern, während die Väter arbeiteten. Das ist nicht hundert Jahre her, sondern zwanzig. Sie sei damals eine Pionierin gewesen, weil sie eine Betreuung außer Haus anbot, erinnert sich die Oberhausenerin. Ende Februar geht Klaudia Böer mit 65 Jahren in Rente und blickt auf eine Zeit großer Veränderung zurück.
Oberhausen hat aufgrund der geburtenstarken Jahrgänge einen akuten Mangel an Kindergarten-Plätzen. Der Ausbau schreitet nicht so rasch voran wie erhofft. Den Kindertagespflegepersonen kommt da eine hohe Bedeutung zu, sie schließen oft Lücken. Außerdem ist die familiäre Atmosphäre vielen Eltern von ganz kleinen Kindern lieber als der wuselige Großbetrieb eines Kindergartens.
Oberhausenerin erlebte eine schwierige Anfangszeit
Kindertagespflegepersonen würden momentan einen Aufschwung erfahren, sagt Klaudia Böer. „Die Bedingungen waren früher viel schlechter als heute.“ Als sie anfing und eine passende Wohnung für ihren Betrieb suchte, erfuhr sie oft Ablehnung und Kopfschütteln. „Wir wurden immer schief angeschaut.“ Neun Kinder einer Großtagespflege können viel Lärm machen.
Die gelernte Ergotherapeutin bot aber nicht nur eine bloße Betreuung an. Ihr sei es stets wichtig gewesen, dass die Qualität stimmt. „Keine Tür-und-Angel-Gespräche“, sondern intensive Auseinandersetzung mit dem Kind und Kooperationen mit Therapeutinnen und Therapeuten. Schon früh wurde das Pflegenest eine integrative Tagespflege. „Kinder haben keine Vorurteile, sie spielen ganz normal miteinander.“ Für sie und Mitgründerin Simone Lemanzyk hat es nie einen Unterschied gemacht, ob das Kind eine Behinderung hat oder nicht.
Kinder-Betreuung: Eltern haben sich verändert
Aber die Eltern, die unterschieden sich in den Jahren gewaltig. Klaudia Böer hat selbst vier Kinder, wollte diese aber nie fremdbetreuen lassen. Als sie eine Beschäftigung suchte, kam ihr der Gedanke, eine Betreuung aufzubauen. „Ich wollte anderen Müttern die Chance geben, berufstätig zu sein.“ Die Zeit zu Beginn der 2000er Jahre unterschied sich aber massiv von der heutigen Zeit. „Die Eltern waren damals entspannter. Sie haben sich gefreut und waren dankbar, dass es überhaupt ein Betreuungsangebot für kleine Kinder gibt.“ Heute sei der Druck um ein Vielfaches höher. „Die Zeit ist schnelllebiger geworden. Frauen wollen ihre Karriere nicht aufs Spiel setzen. Ich kann das gut verstehen. Aber das sorgt auch für Stress. Kinder müssen heute funktionieren. Wenn die Betreuung nicht funktioniert, gerät auch der Rest ins Wanken.“ Gerade kleine Kinder seien in Betreuungsformen einem hohen Stress ausgesetzt, andererseits sei das Leben heute teurer, sagt Böer. Sie findet es „toll, dass Väter heute präsenter sind“.
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Kindertagespflege: Eltern haben genaue Erwartungen
Was sie nicht vermissen werde, seien die Eingewöhnungen. In einer sehr kurzen Zeit müssten Eltern und Kinder kennengelernt werden, die Erwartungen seien besonders hoch. Früher sei es normal gewesen, dass Kinder einen Mittagsschlaf machen, heute nicht mehr. „Die Eltern erwarten, dass Kindertagespflegepersonen diese Aufgabe übernehmen, und sind enttäuscht, wenn es nicht klappt.“ Auch der Wunsch nach Partizipation, die Mitsprache der Kinder, stellt manche Herausforderungen dar. Sie erlebe oft, dass Eltern mit ihren zweijährigen Kindern diskutieren, ob die Kinder nun Schuhe anziehen sollen. Dabei seien Kleinkinder noch nicht in der Lage, Diskussion zu führen. „Generell müssen Eltern die Führung übernehmen. Es ist gut, dass Kinder heute mitentscheiden. Aber das geht nur in gewissen Maßen.“
Klaudia Böer hat viele Fortbildungen besucht, den Austausch mit Erzieherinnen und Erziehern in Kindergärten gesucht, die Idee einer betrieblichen Kindertagespflege angestoßen und Preise von Krankenkassen gewonnen. Jetzt ist es für sie an der Zeit, die Pflegetücher, Malbücher und Windeln weiterzugeben. Ihren Platz neben Simone Lemanzyk nimmt Nikole Cordt ein.