Karneval Oberhausen: Vier Momente gibt’s sonst nirgendwo
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Oberhausen. Schalke-Büttenredner, ruhige Zuhörer und mahnendes Dreigestirn: Was die Prunksitzung von Blau-Gelb St. Marien in Oberhausen besonders macht.
Sie machen sich rar - und das ist auch gut so: Die Prunksitzung der KG Blau-Gelb St. Marien brachte am Samstag rund 320 Jeckinnen und Jecken im Ebertbad Oberhausen in Klatsch-Stimmung. Es ist ihre erste Prunksitzung seit vier Jahren. Wie funktioniert der etwas andere Karneval? Wir haben vier besondere Momente gesammelt.
Die Marianer stammen aus dem Pfarrkarneval, das erkennt man an ihrer Bastelleidenschaft. Statt ausufernd Kohle für Externe zu investieren, wird hier einstudiert und vorgetragen. Sketche statt Zoten-Parade. Bemerkenswert: Selbst um 23 Uhr, wenn man bei üblichen Karnevalssitzungen sogar den Partysängern nur noch eingeschränkt lauscht, lässt sich beim „Aschenbrödel“-Lustspiel eine Stecknadel fallen hören. Und das bei einem reinen Redebeitrag.
Okay, früher brachte das eigene Männerballett „Light Girls“ die Fans in Wallung. Doch die Cancan-Könner befinden sich in der verdienten Rente. Die Tänzerinnen der Styrumer Löwen halfen aus und brachten außerirdische Kostüme (ein Trend in diesem Jahr) mit. So ganz importiert ist die Gruppe nicht. Bei den Styrumern tanzen junge Närrinnen der zweiten Marien-Generation mit.
Zweitens: Tollitäten lassen in ihr Seelenleben blicken
Stadtprinz Jörg I. (Becker) nutzte die aufmerksame Stimmung, um sich bei seinem Prinzenteam zu bedanken. Die Taschentücher zücken Narren zu seinem Ausmarschsong „Bye, bye, Goodbye, auf Wiedersehen“ bekanntermaßen überall, nur bei St. Marien singt er aber im stillen Sinatra-Moment mit feuchten Augen: „I did it my Way“. Zwar hat er noch 58 Termine vor der ordenbehangenen Brust. Doch er weiß: Der Endspurt bis Aschermittwoch läuft.
Beim Dreigestirn um Prinz Lothar I. (Haustein) ging es um Sorgen. Der Prinz richtet einen Appell an die Jecken: „Bitte lasst das Dreigestirn nicht sterben.“ Hintergrund: Für die KG Dampf drauf wird es immer schwieriger, neue Regenten zu finden. Haustein sprang diesmal mit seinen 70 Jahren ein. Dabei war die Narrengruppe der ehemaligen Babcock-Werke eine der ersten, die Prinz, Jungfrau und Bauer außerhalb von Köln auf die Reise schickte.
Auch nicht oft gesehen: Ein Propst aus Gelsenkirchen in der Bütt. Markus Pottbäcker besitzt Marianer Wurzeln, zeigte sich nun mit Schalke-Pin auf der Bühne. In schweren Krisenzeiten für die Kirche (und Schalke) fand er trotzdem Ansätze zum Humor. Die letztlich das Leben schrieben.
Und weil Geld übrig war, stand auf dem Friedhof noch ein Bierwagen.
Propst Markus Pottbäcker - über seine ungewöhnlichste Beisetzung
Seine Anekdote zur Beerdigung des Gelsenkirchner Kultfans Erich Wehner traf auf offene Ohren. Für dessen Beisetzung auf dem „Schalker Fanfeld“ in Beckhausen hatten die Fans Spenden gesammelt. „Und weil Geld übrig war, stand auf dem Friedhof noch ein Bierwagen.“ Wehner wurde verabschiedet, wie er gelebt hatte. Das stellte Pottbäcker am Grab vor eine Herausforderung. „In der einen Hand trug ich das Weihwasser, in der anderen Hand den Bierbecher. Doch es kam zu keiner Verwechslung.“ Die ungewöhnliche Büttenrede kam an.
Die schönsten Fotos: Karneval St. Marien im Ebertbad
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Viertens: Mut zur Unvollkommenheit gehört zum Sitzungscharme
Bäumchen wechsel dich: Auch bei der KG Blau-Gelb St. Marien wird ein Staffelstab weitergegeben. Die alten Macherinnen und Macher sind von Bord gegangen - wurden nun auf der Bühne verabschiedet. Neue Talente, es moderierten Freddy Schwab und Adi Gülükoglu, haben übernommen und erhielten Applaus.
Den Charme zog die Sitzung daraus, dass nicht alles klappte. Dramaturgen werden zum Finale (sogar mit Konfetti) mancherorts Dynamik und Klarheit vermisst haben. Aber Mut zur Unvollkommenheit gehört dazu. Der eingekaufte Schlagersänger Markus Florin (sprang ein) sang live. Seine Töne, nun, verloren allerdings bis zum Ohr der Hörer deutlich an Körperspannung. So richtig ins Sitzungskonzept passte er ohnehin nicht.
Schwamm drüber. Die meist kostümierten Jecken hatten Spaß ohne Ende. Vor allem auch, weil die Werktagskapelle nach dem Programm zum Tanz bat. Echter Karneval von Anfang bis Ende.
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