Oberhausen. So viel Industriekultur, so wenig Zeit: In Oberhausen hatten die Besucher zur Extraschicht zwischen Gasometer und Altenberg deutliche Favoriten.

Erst fließen Schweißperlen, dann laben sich tausende Teilnehmer der Extraschicht in Oberhausen genüsslich an kühlen Getränken. Eine laue Sommernacht macht es möglich. Die Macher der Nacht der Industriekultur hatten am Samstag nun wirklich viel Glück mit dem Wetter. Und: Die Besucher machten sich früher als sonst auf die Reise zwischen den Spielorten.

Maja Lange von der Zinkfabrik Altenberg: „Bereits eine halbe Stunde vor dem Start haben viele Besucherinnen und Besucher am Eingang gewartet. Sogar am Nachmittag kamen die ersten Interessenten, als wir noch gar nicht geöffnet hatten.“

Extraschicht 2023

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© FUNKE Foto Services | Fabian Strauch
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Dabei hatten die Pendler unverändert acht Stunden Zeit, um sich ihre Auswahl aus 44 Spielorten im gesamten Revier anzuschauen. In Oberhausen gab es diesmal weniger Stationen als gewöhnlich, diese hatten dafür im Programm aufgerüstet.

Zinkfabrik Altenberg: Leuchtende Herzen und glühende Schmiede

So bildet sich an der Zinkfabrik Altenberg eine auffällig üppige Warteschlange: Am Lightpainting-Crashkurs haben die Extraschicht-Pendler offensichtlich ihre helle Freude. „Ich hab' davon gelesen und möchte es selbst ausprobieren. Es ist pure Neugierde“, sagt eine wartende Besucherin.

In einem abgedunkelten Raum malen Hobbykünstler mit Lampen und Leuchten ihre Wunschmotive wie Herzen oder Häuser zunächst unsichtbar in die Luft. Eine Langzeitbelichtung der Fotokamera macht die Motive schließlich sichtbar. Maja Lange: „Die Eigenkreationen nehmen die Gäste als Foto mit nach Hause.“

Langzeitbelichtung hier, Langzeitbaustelle dort: Das LVR-Industriemuseum bleibt noch abgesperrt. Voraussichtlich 2025 wird im Altenberg eröffnet. Baustellenführungen wie im Vorjahr gibt es zur Extraschicht diesmal nicht. Dafür entschlüsseln Hof-Vorträge weitere Geheimnisse über Vergangenheit und Zukunft des Museums.

Wer schwitzen möchte, zieht sich für das Videoprojekt „Arbeiter von damals“ bullige Arbeitskluften über und lässt sich vom Künstler Kai Fobbe dabei filmen. Er stellt dazu frühere und aktuelle Arbeiter auf eine Drehscheibe und projiziert diese in den Raum.

Einar Fehrholz verwandelt die Schlosserei in die audiovisuelle Installation „Simulacrum“ - und damit in ein besonderes „Hörspiel“. Mit dem Handkontakt schließen die Extraschicht-Pendler die Stromkreise auf einer Plattform und beeinflussen damit Musik und Animationen auf einer Leinwand.

Schloss Oberhausen: Maurerschnüre wirken wie ein Spinnennetz

Pausen müssen sein! Die Geschichtswerkstatt öffnet eine typische Ruhrpott-Bude, serviert die gemischte Tüte Bonbons und Frikadellen. Die Macher des Schichtwechsels gewähren Einblicke in ihre Arbeit. Auch wenn eine alte Langnese-Fahne nostalgisch vor dem geöffneten Fenster weht. Schlabber-Eis gibt’s nicht. Schade!

Dahinschmelzen lässt es sich dagegen beim Schmiede-Workshop. Der ehemalige technische Museumsleiter Harald Heering erklärt die große, funktionstüchtige Antriebslokomotive, 1909 durch die Firma Lanz erbaut und in Eigenregie in Stand gesetzt. Eine „Lokomobile“ mit vielen Einsatzgebieten: „Sie wurde früher von Pferden von Bauernhof zu Bauernhof gezogen, um dort Dreschmaschinen anzutreiben.“

Auch an der zweiten Station der Extraschicht erscheinen die Pendler zeitig: Am Schloss Oberhausen geht ihnen direkt ein Licht auf. Dieses ist hunderte Meter über den Hof gespannt und wirkt wie ein feines Spinnennetz. Der Künstler Georg Overkamp hat Maurerschnur mit fluoreszierenden Farben verarbeitet, die mit UV-Licht in der Dämmerung angestrahlt wird.

Caroline Tillmann-Schumacher von der Ludwiggalerie: „Eine selbst gestaltete Schnur können die Besucherinnen und Besucher als Erinnerung mit nach Hause nehmen.“ Ein Stück Extraschicht als Türbogen-Schmuck oder Haarband. Je nach Bastel-Talent.

An langen Tischreihen beweisen Kinder eine Menge davon: Aus Knete, Alu und Fimo formen sie Figuren für eine Festtafel, passend zur Ausstellung „It’s a Passion!“, durch die es Führungen gibt. Caroline Tillmann-Schumacher: „Unsere Krönchenführungen für Kinder waren komplett ausgebucht.“ Am Lagerfeuer röstet das Stockbrot.

Gasometer: Zwischen Hammer-Klängen und literarischer Reise

An Station Nummer drei, dem Gasometer, blicken sie auf Kontraste: „Drinnen haben wir eine eher ruhigere Lesung. Draußen geht es um Cover-Rock. Das ist ein Stück weit ein Experiment“, sagt Gasometer-Chefin Jeanette Schmitz. Das Interesse ist tatsächlich groß.

Schauspieler Rainer Rudloff liest aus „Quality Land“ von Marc-Uwe Klings und dem Reisebuch „Die Letzten ihrer Art“ von Douglas Adams vor. Die 20 Meter große Weltkugel strahlt über den Köpfen. Wenn Rudloff betont, durchbricht der Hall die Stille. Die Gastgeber zählen zur Extraschicht rund 3500 Besucher.

Draußen schwingen Mottek den musikalischen Hammer (so heißt die Live-Band im Ruhrpott-Deutsch) und feiern sich beschwingt durch die Musik-Geschichte. Kein Wunder, dass auch Bryan Adams „Summer of 69“ nicht fehlt. Vor dem Gasometer macht sich ein Hauch Festival-Stimmung breit.

„Hier lässt es sich gut sitzen. Auf viele Spielort-Wechsel wollen wir bei der Wärme diesmal verzichten“, sagt eine Besucherin im Schatten. Die Extraschicht kann manchmal auch ziemlich gemütlich sein.

>>> Viele Besucher der Extraschicht nutzen Shuttlebusse

Die Extraschicht in Oberhausen konnten Besucher problemlos mit dem Fahrrad oder auch zu Fuß absolvieren. Gasometer, Ludwiggalerie und Zinkfabrik Altenberg liegen recht nah beieinander.

Neben den regulären Linienbussen fuhren erneut Pendelbusse, um die lokalen und regionalen Spielorte zu verbinden. So konnten Besucher vom Hauptbahnhof direkt das Schloss Oberhausen ansteuern oder von dort zur Mülheimer Müga wechseln.