Mülheim. Trauriger Rekord für Mülheim: Ein Bahnhof zählt nun offiziell zu den acht schlimmsten im gesamten VRR. So sieht es dort aus - ein Besuch vor Ort.

Die Kacheln rund um das S-Bahn-Symbol längst großflächig abgeschlagen, rotweiße Baken vor roher, rissiger Wand, Fahrpläne hinter teils blinden Schaufenstern, brauner Sud rinnt von der Wand auf den Boden, „brauner Sud“ steht dagegen verbal am Aufstieg zum Bahnsteig. Neu sind hier nur Überwachungskameras, das ausländerfeindliche Geschmiere aber haben sie nicht verhindert. Wer dem Abwirtschaften im Nahverkehr auf die Spur kommen will - am Mülheimer Bahnhof West wird es sichtbarer als es einem lieb sein könnte.

Inzwischen hält hier fast schon widerwillig nur die S-Bahn. Dabei galt noch bis Mitte 1950 „Mülheim-West“ als eigentlicher Hauptbahnhof der Stadt wegen seiner Nähe zu den Industriestandorten, etwa der Friedrich-Wilhelms-Hütte. Und immerhin stiegen hier am 25. Juni 1966 die Beatles aus, um unter Polizeischutz ‚heimlich‘ zur Essener Grugahalle zu kommen. Weil die Mülheimer Station von den Stadtzentren abgelegen war. 1500 Fans hatten dennoch von dem Schleichweg Wind bekommen.

Am Bahnhof Mülheim-West scheint alles heruntergekommen zu sein

Der einstige Glanz der Beatles hat hier nicht abgefärbt: „Help!“, oder meinetwegen „Hi-hi-hilfe“, möchte man eher in Erinnerung an die Pilzköpfe schreien. Denn am heutigen Mülheimer Halt zwischen Klick-Vinyl und Autoersatzteilen ist nahezu alles im roten Bereich: das Erscheinungsbild, die Aufenthaltsqualität, die Barrierefreiheit, sprich, die Möglichkeit nach oben zum oder vom Bahnsteig zu kommen. Und das seit langem. Der Unterschied zu jetzt: Nach vielen Jahren der Missstände haben auch die Tester des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR) dem Bahnhof erstmals den Gesamtzustand „rot“ attestiert.

Augen zu und durch? Der Gleistunnel im Bahnhof Mülheim-West müsste dringend saniert werden.
Augen zu und durch? Der Gleistunnel im Bahnhof Mülheim-West müsste dringend saniert werden. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Und das heißt in die Sprache der Gutachter übersetzt „nicht tolerierbar“. Mülheim-West reiht sich damit unter die schlimmsten acht Stationen von 296 im gesamten VRR-Gebiet.

Lediglich die „Fahrgastinformation“ erhielt für die Lesbarkeit der Fahrpläne die zweithöchste Kategorie „Grün“ - „zufriedenstellend“. Die höchste Gesamtnote, ein Blau, blieb nicht nur diesem, sondern allen Mülheimer Bahnhöfen verwehrt. Dabei mag eines angesichts der vielen augenfälligen Missstände überraschen: Besonders bemängelten die VRR-Tester „vier defekte Beleuchtungskörper auf den Bahnsteigen“.

Der Eingang zum Bahnhof Mülheim-West ist alles andere als einladend.
Der Eingang zum Bahnhof Mülheim-West ist alles andere als einladend. © FUNKE Foto Services | Oliver Mueller

Doch unklar ist, welche Konsequenzen die Bewertungen haben. Als Sanierungsmaßnahme steht bei der DB bislang nur eines auf dem Plan: zwei Aufzüge, die zumindest die Barrierefreiheit deutlich aus dem roten Bereich bringen werden. Doch Nahverkehrskunden müssen weiterhin reichlich Frustrationstoleranz aufbringen, wenn es bei dem Ekel-Zustand bleibt.

Bahnhof Mülheim-Styrum: Verschönerungen beschmiert

Nicht wesentlich besser schnitt in der Gesamtwertung der Stopp in Styrum mit „Gelb“ ab. Und zwar ebenso bei der Aufenthaltsqualität, obwohl die einst dunkle Unterführung erst 2020 neu und modern von Graffiti-Künstlern mit Wahrzeichen der Stadt wie dem Schloß Styrum und dem Mülheimer Wappen verschönert wurden.

Die Halle des Bahnhofs Styrum wurde im Dezember 2020 von den Künstlern Marten Dalimot und Fabian Eidt neu gestaltet. Heute ist vieles davon verschmiert worden.
Die Halle des Bahnhofs Styrum wurde im Dezember 2020 von den Künstlern Marten Dalimot und Fabian Eidt neu gestaltet. Heute ist vieles davon verschmiert worden. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Lange hat es allerdings nicht gedauert, bis Sprüher-Laien die Gestaltung überschmiert und Wandkacheln zerschlagen haben. Das Bild am Mittwochmittag ist wieder ähnlich wie vor Jahren. Leidgeprüfte Styrumerinnen und Styrumer gehen routiniert mit Handy am Ohr daran vorbei. Dagegen zwei Lichtblicke, die die VRR-Tester mit „hervorragend“ (blau) bewerteten: zwei Aufzüge sorgen dafür, dass Bahnsteige mit dem Rollstuhl oder Kinderwagen erreicht und verlassen werden können. Auch die Fahrgastinformationen auf Bahnsteigen und in der Unterführung bekamen die Höchstnote.

Mülheim Hauptbahnhof: Abstieg bei der Aufenthaltsqualität

Der neugestaltete Nordeingang am Mülheimer Hauptbahnhof hat die Aufenthaltsqualität in den Augen der VRR-Tester nicht verbessert.
Der neugestaltete Nordeingang am Mülheimer Hauptbahnhof hat die Aufenthaltsqualität in den Augen der VRR-Tester nicht verbessert. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Am besten unter Mülheimer Bahnhöfen schnitt der Hauptbahnhof mit „Grün“, das heißt „ordentlich“, in der Gesamtnote ab. Doch gegenüber 2023 (Bewertung: „ausgezeichnet“) ist das ein Abstieg. Das liegt an den Details. So erreichte die Aufenthaltsqualität in diesem Jahr gegenüber dem vergangenen gerade einmal ein „verbesserungswürdiges“ Gelb.

Dabei hatte die Bahn hier in der jüngeren Vergangenheit einiges verschönert, und auch die Stadt hat zumindest den Nordeingang umgestaltet. Doch die soliden Betonklötze mit etwas Bepflanzung haben den Verweil-Faktor offenbar nicht auf „Grün“ halten können. Unverändert in der Höchstnote blieben der Zustand der Barrierefreiheit und die Fahrgastinformationen.

„Leicht negative Tendenzen bei der Aufenthaltsqualität“ bescheinigen die VRR-Tester übrigens mit Blick auf die Stationen im gesamten Verkehrsverbund: Nicht einmal die Hälfte (42 Prozent) aller 296 Stationen erreichen für das Verweilen eine zufriedenstellende oder hervorragende Qualität. Die meisten (51 Prozent) sind verbesserungsbedürftig, wenige sogar „nicht tolerierbar“. Der Bahnhof Mülheim-West zählt nun auch offiziell mit in dieser untersten Kategorie.

So ist das Ergebnis im gesamten VRR-Gebiet

Wenn auch die Mülheimer Ergebnisse tendenziell eher einen Abschwung aufzeigen: Die Bahnhöfe im VRR-Gebiet lassen zumindest bei den Gesamtbewertungen spürbare Verbesserungen erkennen. So gibt es im Vergleich vor noch zwei Jahren nunmehr fast doppelt so viele Stationen, die mit „ausgezeichnet“ (44 gegenüber 24) bewertet wurden. Die Zahl im schlechtesten Bereich hat sich dagegen auf nur noch acht halbiert.

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