Mülheim. Das Mülheimer Theater widmet sich zum dritten Mal dem „Rausch“. Los geht es mit einer großen Produktion von Roberto Ciulli. Was sonst geplant ist.
Einen Schatz der Theaterliteratur hat Roberto Ciulli wiederentdeckt. „Der Wilde Harlekin“, ein Bühnenwerk des Franzosen Louis-Francois Delisle de la Drevetière, war nach der Uraufführung 1721 ein echter Kassenschlager an der Pariser Comédie Italienne. Es ist ein Commedia-dell-‘arte-Stück und eine frühe Zivilisationskritik, die die Verhaltensregeln in der französischen Gesellschaft des frühen 18. Jahrhundert tadelt. Die Zuschauer können sich auf ein üppiges und sinnliches Bühnenbild sowie wunderschöne, aufwendige Rokoko-Kostüme freuen, die gerade noch in der Schneiderei des Theaters an der Ruhr angefertigt werden.
Premiere ist am Freitag, 1. März, um 19.30 Uhr, im Theater an der Ruhr, fast das gesamte Ensemble vom Raffelberg ist dann am Start. „Es ist eine große Produktion, bei der sehr viel zu sehen sein wird“, kündigt Dramaturgin und Theatersprecherin Constanze Fröhlich an. Passagen aus „Der wilde Harlekin“ werden mit zwei weiteren Texten verschränkt. So knüpft die neue Produktion an das Stück „Ich, Antonin Artaud - Le Momo“ (Regie: Roberto Ciulli) an, das schon bei „Rausch 2“ zu sehen war. Darin ging es um den Dichter und Theaterkünstler Artaud (1896-1948) , der den engen Konventionen seiner Zeit vehement entgegentrat und dabei völlig außer sich geriet und als „verrückt“ betrachtet wurde.
Wilder Harlekin entlarvt die europäische höfische Gesellschaft
Diesen Artaud erlebt man im neuen Stück nun als Regisseur von und Darsteller in „Der wilde Harlekin“. Motive aus der ersten Artaud-Produktion wiederholen sich in diesem zweiten Teil der Geschichte (der auch ohne Kenntnis des ersten funktioniert). „Der wilde Harlekin ist ein Fremder, der von Übersee in die höfische Gesellschaft in Europa gekommen ist und sie mit seinem unverstellten Blick betrachtet und entlarvt“, erklärt Constanze Fröhlich. Der Harlekin, ein Indigener, gilt dem höfischen Volk als ungebändigter Wilder. Anknüpfungspunkte inhaltlicher Art finden sich hier zu Artaud, der zu den Tarahumaras in Mexiko reiste, um bei ihnen eine andere Lebensphilosophie zu finden. „Er war das weiße Enfant terrible, das sich dort bei dem indigenen Volk als Ich neu konfigurieren wollte“, so Sven Schlötcke, Geschäftsführer und Künstlerischer Leiter im Theater an der Ruhr.
Verschränkt werden die beiden Theatertexte aber auch mit einem Reisebericht des Barons de Lahotan (Übersetzer: Leopold Verschuer). Schon 1704 waren in Frankreich die „Dialoge des Baron de Lahontan mit einem Wilden in Amerika“ erschienen – ein Buch, das seinerzeit viel Aufsehen erregte. Der Baron war nach Nordamerika gereist und hatte dort – in dem Glauben, er sei als Europäer überlegen – einen indianischen Häuptling getroffen. „Der drehte den Spieß sozusagen um. Als hochgebildeter Stammesführer führt er dem Baron vor Augen, dass er in Europa in einer korrumpierten Welt mit absurden Ansichten und erstarrter Etikette lebt“, erläutert Sven Schlötcke. Der Bericht sei eine derbe Zivilisationskritik.
Doppelvorstellung am Sonntag, 3. März, am Raffelberg
Wer beide Artaud-Stücke hintereinander sehen möchte, hat am Sonntag, 3. März, dazu Gelegenheit. Ab 16 Uhr werden in einer Doppelvorstellung beide Ciulli-Produktionen gezeigt (Beginn des zweiten Stückes ist um 18.30 Uhr). „Wir können das nur ein Mal anbieten, denn das ist eine wahre Tour de Force für die Schauspieler und alle anderen Beteiligten“, erklärt Constanze Fröhlich. Bernhard Klose spielt wieder den Artaud, jetzt aber auch den wilden Harlekin – er wird sich an diesem Abend zigmal umziehen müssen, oftmals auch blitzschnell.
Weitere Aufführungen sind am Donnerstag, 21. März, 19.30 Uhr, am Freitag, 22. März, um 18.30 Uhr, am Samstag, 23. März um 18 Uhr sowie am Freitag, 19. April, um 19.30 Uhr und Samstag, 20. April, um 18 Uhr. Tickets unter www.theater-an-der-ruhr.de und tickets.theateranderruhr.de sowie in der vier.zentrale, Leineweberstraße 15, und im Theater, Akazienallee 61, Tel. 5990188.
Weitere Highlights bei der „Rausch 3“-Session in Mülheim
Zwei weitere große Theaterproduktionen sind bei „Rausch 3“ zu sehen: „Was weg ist, ist weg? - Eine kollektive Übung des Loslassens“ vom Theaterkollektiv Subbotnik hat am Samstag, 2. März um 19.30 Uhr Premiere, „Amphitryon“ von Heinrich von Kleist (Regie: Philipp Preuss) am Freitag, 15. März, um 19.30 Uhr. (Wir kommen auf diese Stücke noch zurück). Wiederaufgenommen wird „Escaping Heldenplatz“ nach Thomas Bernhard vom Kollektiv KGI (teilweise mit VR-Technik).
Begleitet werden die neuen Theaterarbeiten von einem vielseitigen und thematisch abgestimmten Programm aus Gesprächen, Konzerten und Workshops sowie von Kunstinstallationen. Es sei „einzigartig und abgefahren“ wirbt Sven Schlötcke verschmitzt für das breit gefächerte Kulturangebot, das sich an unterschiedlichste Publika wendet. Das Festival ist diesmal in zwei Teile gesplittet, zwischen Teil 1 (1. bis 24. März) und Teil 2 (11. bis 20. April) liegen die Osterferien.
Kakao-Zeremonie und Hypnose-Sitzungen im Mülheimer Theater
„Auch diesmal setzen wir wieder aufs Mitmachen und bieten verschiedene interessante Workshops an“, berichtet Constanze Fröhlich. So kann man am 16. März den „Tanz der Derwische“ erlernen, in der „Endorphin Session“ am 9. März in das Raven einsteigen. In einem „Sound Bath“ am 2. März zeigt Zelal Kisin, wie Gongklänge die Entspannung fördern, zu Hypnosesitzungen lädt sie am 24. März sowie 13. und 14. April ein. Ganz im Trend, vor allem bei jungen Leuten, sind „Kakao-Zeremonien“. Die Kraft des Rohkakaos kann man am 14. April bei Ella Vie kennenlernen. Der Film „All the Beauty and the Bloodshed“ erzählt von der ausgeprägten Schmerzmittel-Abhängigkeit in den USA (10. März), die Tanztheatergruppe Dencuentro aus Köln hat sich vom Ritual des Tinku in Macha, Bolivien inspirieren lassen. Rausch-3-Partys sind im Theaterfoyer geplant am 1., 2., 9., 15. und 23. März sowie 12. April.
„International Music“ (8. März) und „Hilde“ (16. März) reisen für Konzerte an. Ebenso begrüßt man interessante Experten bei Lesungen und Gesprächen. Der Psychiater und Psychotherapeut Gerhard Gründer spricht über den Umgang mit Medikamenten und Lebensbedingungen (10. März), Wissenschaftspublizist Stefan Klein über „Traum und Bewusstsein“ (17. März). Peter Leitzens Thema lautet „Was ist Ich-Identität?“ (13. April), bei Künstler Gernot Wieland geht es um Rausch und Kontrollverlust (24. März).
„Negroni-Stunde“ mit dem Mülheimer Theatergründer
Ein Kunstparcours im Theatergebäude zeigt sechs Installationen bekannter Künstler. Schließlich gibt es auch noch Theaterführungen (2., 16., 17. und 24. März) sowie „Die Negroni-Stunde“ mit Roberto Ciulli. Er lädt am 3. März sowie 19. April zum Gespräch über Antonin Artaud, den Wilden Harlekin und andere interessante Themen ein. Dazu gibt es Negroni, den klassischen italienischen Cocktail. Es könnte berauschend werden.
Informationen zum Programm gibt es unter theater-an-der-ruhr.de.
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