Mülheim. Viel ist über die große Tauben-Population in Mülheim gesprochen worden. Die Initiative Ruhrpott-Tauben handelt längst. Wir haben sie begleitet.
Melanie Jansen steht mit einer Leiter hinter dem Mülheimer Hauptbahnhof, trägt eine blaue Weste und hält einen Besenstiel in der Hand, an dessen oberem Ende ein Schneebesen befestigt ist. Vorbeigehende Menschen schauen verwundert zu ihr herauf. Und manches Auge leuchtet erkennend auf, wenn es „Vogelschutz“ auf dem hinteren Teil der Weste liest. Den Schneebesenstiel muss die Vogelschützerin dennoch erklären.
„Wir tauschen alle 14 Tage an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet Taubeneier gegen Gipseier aus“, antwortet Jansen. Auf diese Weise werde die Zahl der Tiere in einem gewissen Rahmen gehalten. Die Tauben suchen sich für die Ei-Ablage für Menschen eher unzugängliche Stellen – bevorzugt unter Brücken. Der verlängerte Schneebesen dient dazu, Eier einzusammeln, an die auf anderem Wege nicht heranzukommen ist.
Schar der Taubenschützer in Mülheim wächst, doch auch die Tauben werden mehr
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„Wir kümmern uns seit rund zweieinhalb Jahren um die Tauben“, erklärt Melanie Jansen. Mittlerweile ist die Zahl der Menschen, die sich der Vögel im Stadtgebiet annehmen, auf rund 20 gewachsen.
Doch die Schar der Tierschützer steht einer großen und auch stetig wachsenden Population von Stadttauben gegenüber. Erst im November vergangenen Jahres hatte die Politik, nach kontroverser Debatte mit der unteren Naturschutzbehörde, die Verwaltung damit beauftragt, ein „Handlungskonzept zur besseren Kontrolle der Stadttaubenpopulation“ zu entwickeln.
Wann kommt das Handlungskonzept für Mülheim?
Dabei sollten bestehende Konzepte wie der Eiertausch (Augsburger Modell) und das Füttern mit spezieller Nahrung gegen Eibildung, wie in Duisburg praktiziert, betrachtet werden. Aber ebenso die Möglichkeiten, die Tiere in Schlägen zu halten oder auch an bestimmten Orten zu vergrämen.
Welche Maßnahmen das Konzept am Ende verfolgt und wie das finanziert werden kann, ist allerdings eine schwierige Frage: Man sei für verwilderte Haustauben gar nicht zuständig, so hatte Gabriele Wegner, Leiterin der unteren Naturschutzbehörde, zunächst eine Beteiligung der Stadt zurückgewiesen. Im Konzept ist dagegen vorgesehen, Gastronomen, Händler sowie Tierschutzvereine einzubinden.
Ehrenamtliche geben zu bedenken: „Wir können die Arbeit nicht allein leisten“
Im Umweltausschuss, wo das Konzept von der Politik mit Enthaltung der AfD einstimmig in Auftrag gegeben wurde, meldete die ehrenamtliche Tierschützerin Nicola Brinkmann bereits an, dass auch Ehrenamtliche diese wichtige Tierschutz-Aufgabe nicht allein werden stemmen können. Möglicherweise, so Brinkmann, könnten Langzeitarbeitslose als Taubenwarte die Aufgabe unterstützen, wie es zum Beispiel in Essen geschehe.
Britta Stalleicken, grüne Bezirksbürgermeisterin unter anderem der Innenstadt, hielte es auch für „nicht richtig, die strukturellen Probleme mit der Taubenpopulation auf Ehrenamtliche abzustellen. Wir alle haben eine Verantwortung gegenüber den Tieren und der Bevölkerung. Deswegen brauchen wir eine verbindliche Größe für die Finanzierung und das Personal.“ Es sei deshalb gut, dass die Politik einstimmig ein Konzept beauftragt und das Thema nicht genutzt habe, um damit politische Stimmung zu machen.
Nach Stalleickens Vorstellung müssten zunächst ein, besser zwei Standorte für Tauben gefunden werden, wo man die Population kontrollieren und medizinisch versorgen könne.
Mülheimer Initiative Ruhrpott-Tauben will Verein werden
Doch zurück zur Aktion am Wochenende, wo man gerade über die Zukunft des ehrenamtlichen Projekts nachdenkt: „Unser Verein befindet sich gerade in Gründung. Er wird ‚Ruhrpott-Tauben‘ heißen“, kündigt Melanie Jansen an, während sie mit der Leiter in nicht unbeträchtliche Höhen aufsteigt, um sich auf die Suche nach Tauben-Gelegen zu machen. Jutta Pfeiffer, die heute zum zweiten Mal bei einer der Tausch-Aktionen dabei ist, sichert die Leiter.
In der Innenstadt gibt es neben den Brückenpfeilern am Hinterausgang des Hauptbahnhofs auch noch die direkt daneben liegende Unterführung. Darüber hinaus kommen Brücken an Mannesmann-Allee und Mühlenstraße hinzu. Die Zahl der auszutauschenden Eier ist nicht zu unterschätzen. „Im letzten Jahr haben wir hier in Mülheim insgesamt 1050 Eier ausgetauscht“, erinnert sich Jansen.
In einem Jahr schon 1050 Eier ausgetauscht
Ein falsches Ei schlägt mit 50 Cent zu Buche - das sind umgerechnet für 2023 allein 575 Euro. „Wir können sie aber wiederverwenden“, meint die Tierschützerin. Das sei auch bitter nötig, denn aufgrund der Tatsache, dass sie von Brieftauben abstammen, legten Stadttauben ganzjährig Eier und bebrüteten sie, sodass ständig neue Vögel nachkommen.
Eines dagegen sorgt nicht für mehr Vögel - obwohl das immer wieder behauptet wird: „Tauben vermehren sich nicht stärker, wenn man sie füttert“, erklären Jansen und Pfeiffer. Vielmehr sei es so, dass lediglich freie Plätze sofort wiederbesetzt würden, wenn etwa Tauben sterben.
Aufgrund dieses Verhaltens der Tauben sei gerade die Einrichtung von Taubenhäusern am sinnvollsten, sind die beiden Frauen überzeugt. So könnten die Tiere an wenigen Stellen konzentriert beobachtet, bei Bedarf medizinisch versorgt und hinsichtlich ihrer Vermehrung in Schach gehalten werden.
Mitmachen? Der Kontakt zu den Ruhrpott-Tauben
Die Initiative „Ruhrpott-Tauben“ steht, nachdem ihre Mitglieder bereits zweieinhalb Jahre gemeinsam aktiv sind, kurz vor der Gründung eines eingetragenen Vereins. Interessierte, die selbst im Vogelschutz aktiv werden möchten, sind jederzeit herzlich willkommen. Sowohl die Facebookseite als auch der Instagram Account bieten eine Möglichkeit zur Kontakt-Aufnahme.
Weitere Informationen auf facebook.com unter dem Stichwort: Ruhrpott-Tauben instagram.com/ruhrpotttauben
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