Mülheim. Hat Mülheim ein Taubenproblem? Die Verwaltung lehnt Taubenschlag-Konzept ab und verweist aufs Ehrenamt. Doch Tierschützer sehen sich am Limit.
Es kommt wohl selten genug vor, dass Britta Stalleicken der Unglauben im Gesicht geschrieben steht. Doch die Antwort der Verwaltung ließ die Augenbrauen der grünen Bezirksbürgermeisterin steil nach oben wandern: „Wir sind nicht zuständig“, lehnte Gabriele Wegner, Leiterin der unteren Naturschutzbehörde, es ab, auch nur ein Konzept gegen die wachsende Population der Stadttauben in Mülheim zu entwickeln.
Denn die Aufgaben der Unteren Naturschutzbehörde seien nur auf „wildlebende allgemein, besonders und streng geschützte Tierarten“ bezogen. Bei den Stadttauben aber handele es sich nur um „verwilderte Haustauben“, selbst wenn sie „entwichen sind und dauerhaft in der freien Natur leben“, wie Wegner im Umweltausschuss unter Berufung auf zahlreiche Paragrafen begründete. Aus ähnlichen Gründen seien deshalb auch weder das Veterinäramt noch das Ordnungsamt zuständig.
Tierwohl: Mülheim bräuchte wohl bis zu 150 Taubenschläge
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Nun helfen penible Paragrafen bekanntermaßen wenig gegen persistierende Problemlagen. Nach Angaben der Stadt aber gebe es nachhaltige Schäden an Gebäuden und öffentlichen Plätzen durch Tauben gar nicht. So bliebe nur der Tierschutzgrund, solche Häuser zu errichten, welche dann durch Tierschutzvereine betreut würden.
In einer Großstadt wie Mülheim seien wohl 100 bis 150 Taubenschläge dafür erforderlich, rechnete Wegner vor. Pro Taubenschlag wären bis zu 15.000 Euro aufzuwenden, hinzu fielen monatliche Kosten von jeweils 1200 Euro an. So käme die Stadt nach ihren Angaben schnell auf zweistellige Millionenbeträge, wenn denn das Tierwohl konsequent verfolgt würde. Weder Geld noch Personal stehe dafür zur Verfügung, konstatierte Wegner.
Viele Hürden – keine Lösungen?
Und nicht zuletzt liege die Schwierigkeit, solche Taubenhäuser zu errichten, wohl auch am fehlenden Platz in der Innenstadt, wo die Population am größten scheint, argumentierte die Verwaltung weiter. Denn dafür müssten Hauseigentümer ihre Dächer freigeben und den Betreiber des Taubenhauses von entstehenden Schäden durch Taubenkot freistellen.
So brachte Wegner eine ganze Kohorte von Gründen in Anschlag, die Problemlage jedenfalls von städtischer Seite nicht anzugehen. Wohlgemerkt: Der Antrag von Grünen und CDU sah zunächst ein einziges Taubenhaus vor. Daniel Mühlenfeld, umweltpolitischer Sprecher der SPD, musste irritiert da noch einmal einhaken: „Selbst wenn wir Sie jetzt mit einem Taubenschlag-Konzept beauftragen würden, würden wir am Ende dieses Ergebnis erhalten?“ Wegner bejahte.
Ehrenamtliche sollen das Problem lösen
Seit Jahren geht die Wahrnehmung von Stadt und Tierschützern darüber auseinander, wie groß das Problem ist. Bleibt also der Schaden, den offenbar solche Taubenzüchter verursachen, die leistungsschwache Tiere aussetzen oder verirrte Tauben nach Wettkämpfen nicht einfangen, an Betroffenen hängen? In einem Rechtsgutachten „Stadttaubenschutz“ wird etwa deutlich, dass 50 Prozent der Tauben, die bei Wettkämpfen losgeschickt werden, nicht mehr zurückfinden.
Sie landen buchstäblich in der Wildnis oder der Stadt, wo sie häufig nicht nur schutzlos verelenden, sondern brüten. Bis zu sieben Mal im Jahr können sie Eier legen – so sind sie von Züchtern getrimmt worden. Ihre Nachkommen bevölkern dann die Plätze. Wer aber ist jetzt für sie zuständig?
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Wegner verwies im Ausschuss auf Ehrenamtliche, die in anderen Städten selbstständig solche Taubenhäuser errichten und betreiben, um das Leiden der Stadttauben zu lindern. „Wir sind schon überlastet. Es ist unmöglich, Taubenschläge nur von Ehrenamtlichen führen zu lassen“, entgegnete Nicola Brinkmann, die ehrenamtlich beim Verein „Stadttauben Essen“ hilft. Der Verein habe längst ein Konzept, wichtig sei jetzt eine Unterstützung der Ehrenamtlichen.
„Überlastet“ Taubenschützer sehen Mitverantwortung bei der Stadt
In anderen Städten gebe es sie längst, sagt Brinkmann gegenüber der Redaktion: Wenn die Stadt sogenannte 16i-Stellen als Taubenwarte einsetzen würde, die auch für etwa Langzeitarbeitslose als Teilhabe am Arbeitsmarkt gefördert würden. Der Oberbürgermeister müsse laut Brinkmann darüber befinden, an welcher Behörde der Taubenwart angesiedelt werden soll. So sei das etwa in Essen gelöst worden.
Bezirksbürgermeisterin Britta Stalleicken hielt ihre Reaktion auf die Abfuhr der Stadt knapp: „Wir nehmen die Erläuterungen der Verwaltung mit.“ Das letzte Wort scheint aber noch nicht gesprochen.