Mülheim. Über eine Million an Unterstützung floss in den letzten drei Jahren nach Mülheim. Warum die Bauern auf das Geld so dringend angewiesen sind.
Selten standen in der jüngeren Vergangenheit die Landwirtinnen und Landwirte dermaßen in der medialen Öffentlichkeit, wie zu Beginn des Jahres. Kritiker werfen den Bauern vor, dass ihre Branche auch jahrelang mit hohen Subventionen bedacht worden ist. Wie viel Geld zuletzt wirklich nach Mülheim geflossen ist und warum es für Betriebe zum Teil überlebenswichtig ist.
Die Agrarsubventionen bilden den größten Posten im Haushalt der Europäischen Union, wie aus einem Bericht der Kommission hervorgeht. Jeder Dritte Euro fließt in die Landwirtschaft. Allein in Deutschland sind das laut Bundestag sechs Milliarden pro Jahr. Nur: Kommt das Geld aber wirklich dort an, wo es soll?
„Das verfälscht schon etwas“: Mülheimer Bauer rät zu zweitem Blick auf die Statistik
Der Mülheimer Landwirt Hermann Terjung meint nein: „Wenn man sich einmal die obere Liste anschaut, dauert das doch relativ lange, bis da ein Landwirt auftaucht. Da kommen zuerst Deichverbände, Erzeugergenossenschaften oder Firmen wie Oetker. Das läuft alles unter Agrarsubventionen, das verfälscht schon etwas.“ Der Mendener rechnet vor: „Wenn ich die kompletten Subventionen nehme und durch die Zahl der Bauern teile, kommt da viel mehr raus, als wirklich der einzelne Bauer bekommt.“
Wie viel das tatsächlich ist, kann jeder bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung auf den Cent genau nachlesen. In den Jahren 2021 und 2022 sind insgesamt über eine Millionen Euro von der EU an 47 Betriebe in Mülheim geflossen.
Landwirte mit großer Fläche profitieren am meisten von Subventionen
Wer eine große Fläche hat, profitiert grundsätzlich am meisten. Ganz vorne liegt die Familie Kamann, der auch die Kühe auf den Styrumer Ruhrwiesen gehören. Aufgeteilt auf die „Kamann GbR“ und die „Kamann Landwirtschaft GbR“ kassierte sie in den beiden Jahren jeweils knapp über 80.000 Euro. Dahinter folgen Hermann Terjung mit fast 56.000 Euro und die Familie Schulten-Baumer mit etwas mehr als 49.000 Euro.
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Klingt nach viel Geld. Aber: „Die Subventionen sind das, was als Gewinn ausgewiesen wird, der Betrieb macht eine schwarze Null“, verdeutlicht Terjung. Die Zuschüsse sichern das Einkommen seiner Familie. „Da steht natürlich nur mein Name, aber da steckt ja eine Familie dahinter“, betont der zweifache Vater.
Neue Agrarpolitik: Warum Mülheimer Bauer nur noch die Hälfte kassiert
Umso kritischer wird es, seit mit dem vergangenen Jahr eine neue Periode der „Gemeinsamen Agrarpolitik“ bis 2027 in Kraft getreten ist. Eine, die für viele erhebliche Einbußen bedeutet. „Mein letzter Zuwendungsbescheid waren ungefähr 24.000 Euro“, verrät Hermann Terjung. Damit unterm Strich nicht einmal die Hälfte der beiden Vorjahre.
„Reich werde ich damit nicht, wenn es für die gleiche Arbeit weniger Geld gibt“, sagt der Mülheimer pragmatisch. Und hat wieder die Familie im Blick: „Ein Computer hier, die Schule, dazu ein Auto unterhalten – das merkt man dann schon. Wir fahren sicher nicht 14 Tage in die Türkei all-inclusive.“ Aktuell kann Terjung noch einen Mitarbeiter beschäftigen. „Ich musste aber auch schonmal jemanden aus wirtschaftlichen Gründen kündigen“, berichtet er.
Mülheimer Landwirt: „Ich möchte in erster Linie produzieren“
Mit der neuen Runde wird auch deutlich mehr auf Umwelt- und Klimaschutz geachtet. Dinge, die Mülheims Bauern freilich nicht fremd sind. „Aber ich möchte in erster Linie produzieren“, betont Hermann Terjung.
Eigentlich sollten die neuen Bestimmungen schon 2021 in Kraft treten. „Aber in Brüssel mussten sie es um zwei Jahre schieben, weil sie mit ihrem Bürokratiemonster nicht hinterherkamen“, sagt Terjung. Nach wie vor sei es ein Kraftakt, die Subventionen zu beantragen. In einem Online-Programm müssen die bewirtschafteten Flächen genau eingezeichnet, alle angebauten Früchte angegeben und auf mehrere Mindestbestimmungen geachtet werden.
Welche Vorgaben zur Erlangung von Subventionen notwendig sind
Zum Beispiel dürfen nicht zwei gleiche Arten hintereinander gesät werden. Wenn zum Beispiel aufgrund von Witterungsbedingungen ein Produkt ausfallen muss, darf auf Mais nicht wieder Mais folgen. „Dann muss ich auf monetär weniger Wertvolles umsteigen“, verdeutlicht der Landwirt. Änderungsanträge dürfen erst ab Mai eingereicht werden. „Da wird ein Riesenbrimborium drum gemacht. Was das an Manpower kostet“, hadert Terjung. „Einen Tag sitze ich da bestimmt dran“. Arbeit, die sich Mülheims Landwirte wegen des Ertrages aber machen müssen.
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