Mülheim. Viel zu wenige Ladesäulen im Stadtgebiet, zum Teil kaputt oder zugeparkt. Wieso ein Mülheimer Paar das Experiment E-Auto für gescheitert erklärt.
Im Januar 2022 haben sich Hans-Jürgen und Eva Wietfeld zum ersten Mal ein E-Auto angeschafft. Keine zwei Jahre später steht genau der Wagen schon wieder auf der Verkaufsliste. Grund dafür ist die aus Sicht des Mülheimer Ehepaares desolate Ladeinfrastruktur.
Zwar hat Mülheim die Zahl der öffentlichen Ladestellen mehr als vervierfachen können, dennoch liegt die Stadt laut der Bundesnetzagentur damit immer noch auf dem letzten Platz. „Das wundert mich überhaupt nicht“, sagt Hans-Jürgen Wietfeld nach zwei Jahren ständiger Suche nach einer Lademöglichkeit.
Mülheimer standen als Mieter vor Herausforderungen
Rückblick: Als für die Krankenschwester vor zwei Jahren ein neues Auto hermusste, erkundigte sich das Paar auch aus ökologischen Gründen bei Renault nach einem Elektrofahrzeug. „Angesichts der Prämie haben wir uns dann dafür entschieden“, sagt Wietfeld, der außerdem von anderen Möglichkeiten zum Laden für ihn als Mieter ausgegangen war.
„Eigentümer von Wohnungen oder Häusern sind in einer viel besseren Situation, aber wir als Mieter sind auf die öffentliche Infrastruktur angewiesen“, sagt der Saarner. Ein Jahr lang habe er mit seinem Vermieter für den Einbau einer Steckdose oder einer Wallbox gekämpft. Von einem Kostenvoranschlag von 1600 Euro für die Steckdose oder 6000 Euro für die Wallbox war da die Rede. „Da müsste ich das Auto ja zig Jahre fahren, bis ich das wieder raus habe“, ärgert sich Wietfeld. Denn er weiß: „Viele Eigenheimbesitzer haben sich wegen der Förderung eine Wallbox einrichten lassen, ohne dass sie sich bis heute ein E-Auto angeschafft haben.“
Ärger wegen zugeparkter Ladestellen durch Verbrenner
Statt daheim auftanken zu können, nutzen die Wietfelds oft die Lademöglichkeiten der Medl im Saarner Dorf. „Davon sind drei aktuell kaputt“, resigniert der Mülheimer mittlerweile. Auch auf dem Edeka-Parkplatz im Stadtteil funktionierten selten alle Ladesäulen gleichzeitig. Eva Wietfeld nutze vor allem während ihrer Nachtdienste gerne die Lademöglichkeiten im Umfeld des St. Marien-Hospitals. Wenn sie denn frei sind. „Denn oft werden die durch Benziner zugeparkt. Vor allem nachts denken sich die Leute wahrscheinlich: Um die Zeit wird schon keiner laden wollen“, hadert Hans-Jürgen Wietfeld.
Nicht zuletzt mit dem im Dezember beschlossenen Klimaschutzkonzept hat die Stadt auch das Thema E-Mobilität noch stärker auf ihrer Agenda gesetzt. Mittlerweile kann an über 50 Stellen im Stadtgebiet elektronisch getankt werden - zehn davon alleine in der Stadtmitte. Da vielerorts mindestens zwei Lademöglichkeiten zur Verfügung stehen, existieren bereits weit über 100 Ladestellen i, Stadtgebiet. Und damit mehr als doppelt so viele, wie in der offiziellen Übersicht der Bundesnetzagentur angegeben werden. Auch die Liste auf der Internetseite der Stadt ist unvollständig.
Weitere Ladestellen in Mülheim sind bereits beantragt
Sie gibt aber her, dass an der Otto-Pankok-Straße, an der Walkmühlenstraße und am Aschenbruch bereits weitere Stellen beantragt sind. Im Mobilitätsauschuss Anfang Dezember wurden zudem der Sportpark Styrum an der Augustastraße, das Vereinsheim der DJK Ruhrwacht an der Mintarder Straße sowie der Rewe an der Aktienstraße als weitere mögliche Standorte genannt.
Für Ehepaar Wietfeld ändert sich aber erst einmal nichts. Im Gegenteil: Die Suche nach einer geeigneten Lademöglichkeit führt mitunter zu skurrilen Situationen: „Meine Frau fährt kilometerlang durch die Gegend und ich mit meinem Benziner hinterher, weil die Stromanzeige gen null geht und sie Angst hat, irgendwo liegenzubleiben.“
Mülheimer zieht bitteres Fazit nach E-Auto-Kauf
Den Stress möchte sich das Ehepaar künftig ersparen. Daher ist der Twingo mittlerweile schon inseriert. „Jetzt ist es natürlich typisch: Beim Verkauf werden einem alle Nachteile eines E-Autos aufgetischt“, muss Wietfeld fast darüber lachen. Seine bittere Quintessenz: „Politik, Automobilindustrie, kommunale Verantwortliche und Stromanbieter gehen einfach nicht ehrlich mit dem Thema um“. Er kann auch wegen falscher Versprechungen nur ein Fazit ziehen: „Die Anschaffung hat sich nicht gelohnt.“
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