Mülheim. Weniger fossile Verbrenner und dafür mehr E-Autos sollen auf Mülheimer Straßen fahren. Doch öffentliche Ladestationen findet man hier kaum.
„Die Stadt betreibt ja auch keine Tankstellen“ - noch vor gut zwei Jahren wurde diese Einstellung im Mülheimer Umweltdezernat von oberster Stelle durchaus vertreten, wenn es darum ging, die Zahl der öffentlichen Ladestationen auszubauen. Seit aber der damalige Dezernent Peter Vermeulen ausgeschieden ist, versuchen Dezernent Felix Blasch und die Stabsstelle Klimaschutz den Ausbau anzukurbeln. Wie aber will die Stadt die jahrelangen Versäumnisse aufholen?
Wie stark Mülheim bei der Infrastruktur für E-Mobilität gegenüber anderen Städten ins Hintertreffen geraten ist, machen Vergleiche deutlich. So hat Mülheim laut Bundesnetzagentur innerhalb von vier Jahren die Zahl der öffentlichen Ladepunkte von elf auf nunmehr 50 ausbauen können.
Mülheim ist inzwischen Schlusslicht beim Ranking der Ladeinfrastruktur
Doch im selben Zeitraum von vier Jahren hat der nur geringfügig größere Nachbar Oberhausen der Bundesnetzagentur zufolge bereits 153 öffentliche Ladepunkte (2019: 56) geschaffen. Bottrop machte einen Sprung von 34 auf 118, Duisburg von 56 auf 208. So bekommt Mülheim etwa im Ranking der ausgebauten Ladeinfrastruktur endgültig die rote Laterne in die Hand gedrückt: Platz 397 - von 397, hinter Leverkusen. Vor zwei Jahren lag man noch auf Rang 347. Denn andere Städte haben zugelegt. Während sich in der Ruhrstadt 81,4 E-Autos eine öffentliche Ladesäule teilen müssen, sind es in Essen nur 22,7 Fahrzeuge (621 Ladepunkte), obwohl in der Nachbarstadt mehr als dreimal so viele E-Autos (14.095) unterwegs sind.
Die Stadt kommt indes auf andere Werte, weil längst nicht jeder bei der Bundesnetzagentur gemeldete öffentlich zugängliche Ladepunkt auch öffentlich erscheine, erläutert Ulrike Marx, Leiterin der Stabsstelle Klimaschutz. So verfüge Mülheim über 133 Ladepunkte. So teilten sich nur noch 30,6 Autos einen Ladepunkt - anhand der Gesamtzahl aller im Stadtgebiet zugelassenen Fahrzeuge müsste Mülheim auf Platz 299 landen.
Fehlte bislang der Antrieb, die E-Mobilitätswende anzugehen, hat sich dies mit dem im Dezember zu beschließenden Klimaschutzkonzept nunmehr deutlich gewendet. Denn der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist nunmehr ein wichtiger Baustein, um mehr E-Autos auf die Straße zu bringen - weil damit zumindest lokal weniger Treibhausgase (CO₂) in die Mülheimer Umwelt geblasen werden. Und das passt in Mülheims Strategie, bis 2035 klimaneutral zu werden. Damit allerdings müsste die Stadt am Ende 2000 öffentliche Ladepunkte installiert haben - und somit rund 150 pro Jahr bauen (lassen).
Stadt Mülheim will erst einmal ein Konzept für Ladestrukturen erstellen
Wo diese Ladestationen stehen sollen, ist dagegen noch nicht planbar, denn aktuell habe die Verwaltung keine Übersicht, welche Parkflächen denn für öffentliche Ladestationen besonders sinnvoll wären, musste sie im Mobilitätsausschuss einräumen. Aus dem Stegreif konnte sie nur Plätze benennen an der Augustastraße 130 (Sportpark Styrum), Mintarder Straße (DJK Ruhrwacht) sowie an der Aktienstraße beim Rewe. Man bräuchte erst einmal ein „kommunales Konzept für öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur“, heißt es. Das will sich die Stadt über Landesmittel zu 80 Prozent fördern lassen.
Erst im zweiten Schritt könnte die Stadt beim Ausbau von öffentlichen Ladepunkten auf weitere Fördermittel des Landes zurückgreifen. Auch die Idee, Straßenlaternen als Ladepunkte umzurüsten, ist offenbar vom Tisch, obwohl die Stadt rund 14.000 Laternen im öffentlichen Straßennetz unterhält. Doch die machen zum einen nur einen Bruchteil aller Laternen in der Stadt aus. Zum anderen seien die allermeisten Straßenleuchten an ein Niederspannungsnetz angeschlossen und verfügten oft nur über Strom, wenn es dunkel werde. Deshalb müssten sie „intelligent“ umgerüstet werden.
Nach schnellem Ausbau klingt das alles erst einmal nicht, sondern eher nach Schlusslicht für wenigstens ein weiteres Jahr.
VDA: Ladeinfrastruktur ist wichtigste Voraussetzung für Erfolg der E-Autos
Dabei drängt die Zeit: Rund 97.495 öffentlich zugängliche Ladepunkte gibt es laut Bundesnetzagentur in Deutschland, darunter 18.577 Schnellladepunkte. Damit teilen sich bundesweit 21 E-Autos einen öffentlichen Ladepunkt. Doch die Zahl der E-Autos soll sich auf 15 Millionen bis 2030 erhöhen. Um die Elektromobilität erfolgreich zu machen, sei daher der Ausbau der Ladeinfrastruktur die wichtigste Voraussetzung, heißt es in einem Positionspapier des Verbands der Automobilindustrie (VDA), deren Ranking Mülheim das Schlusslicht zuweist. Und so müssten wohl bis dahin eine Million Ladepunkte gebaut werden, rechnet der VDA vor - die zehnfache Menge des bisher verfügbaren.
Doch das sieht nicht jeder Experte so. Um mehr Anreize für die Elektromobilität zu schaffen, sei der Ausbau der öffentlichen Infrastruktur womöglich gar nicht so zentral wie oft behauptet, gibt Volker Weißhuhn, Leiter der innovativen Energiesysteme bei der Medl, zu bedenken.
Streitpunkt öffentliche Ladesäulen: Wie groß ist die Nachfrage in Mülheim?
Denn seit rund drei Jahren befragt der Energiedienstleister die Mülheimer, an welchen Standorten öffentliche Ladestationen gewünscht sind. Die Vorschläge kann man online unter www.medl.de/e-mobilitaet/medl-etanke eintragen. Medl prüft und plant daraufhin eine Umsetzung. Die Nachfrage allerdings sei eher gering, meint Weißhuhn: Lediglich 34 Anfragen habe es 2021 gegeben, 32 im Jahr 2022 und in diesem Jahr seien es bisher ebenfalls nur 32. Derzeit setze die Medl zwölf öffentliche Ladepunkte aus diesen Anfragen um.
Fährt Mülheim mit öffentlichen Ladepunkten also die richtige Strategie? Das Interesse an Ladeinfrastruktur sieht mancher an anderer Stelle liegen: „Wir bauen zunehmend Ladepunkte an halb-öffentlichen oder privaten Standorten aus“, sagt Weißhuhn, der auch Geschäftsführer des Mülheimer Gemeinschaftsunternehmens „eMHergie“ ist. Hier kooperieren die Wohnungsbauunternehmen MWB, SWB und Medl seit zwei Jahren, um nachhaltige Energieversorgung zu entwickeln.
So kämen vermehrt Wohnungsbauunternehmen und Firmen auf den Energiedienstleister zu, „das macht auch Sinn, weil Arbeitnehmer dann ihr Auto während ihrer Zeit in der Firma auftanken können“, glaubt Weißhuhn, während sich das Laden an normalen Ladepunkten beim halbstündigen Einkauf im Supermarkt kaum lohne. Denn in der Zeit habe man meist nur 40 bis 50 Kilometer aufgetankt - „deshalb gehen viele Nutzer an DC-Schnellladestationen, das ist ja die Lebensrealität“.
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