Mülheim. Dass eine Musikband 70. Geburtstag feiern kann, ist außergewöhnlich. Was Mick Jagger und Co. noch vor sich haben, feiert eine Mülheimer Band nun.

Eine Jazz-Legende wird 70: Warum Mülheim zu einem Hotspot der deutschen Jazz-Szene geworden ist und wie die Mülheimer Woodhouse-Band zum ältesten Jazz-Ensemble der Republik werden konnte: Vor dem Jubiläumskonzert, das am Samstag (21. Oktober) um 19 Uhr im Jazzclub an der Ecke Hingberg/Kalkstraße über die Bühne geht, traf die Lokalredaktion den Posaunisten und Bandmanager Horst Janßen zum Gespräch.

Auch mit 80 stehen Sie noch auf der Bühne. Hält Jazz jung?

Horst Janßen: Ich denke schon. Auch wenn ich gute Gene habe, hält mich der Jazz jung, weil Musik Glückshormone produziert.

Wie funktioniert das?

Manche sagen, es wäre wie ein Orgasmus. Es ist schwer zu beschreiben, aber es ist so. Wenn wir als Band auf der Bühne zusammen Swing, Blues, Latin oder Bossa spielen, schweben wir auf einer Wolke. Das hat nicht nur mit dem Applaus des Publikums zu tun. Der kommt noch dazu und sorgt dafür, dass man sich gut fühlt.

Mülheims Woodhouse-Band: Vier Bandmitglieder leben von ihrer Musik

Horst_Janßen
Horst_Janßen © Woodhouse Band

Sind die Bandmitglieder Profis?

Vier der sechs Bandmitglieder leben von ihrer Musik. Die anderen sind, wie ich, Rentner. Aufgrund meiner beruflichen Vergangenheit als Vertriebsmann habe ich das Management der Band übernommen.

Sie spielen seit 1962 als Posaunist in der Band. Wie kam es dazu?

Ich bin im Luisental aufgewachsen. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich am Wasserbahnhof drei Bands mit Dixieland-Jazz gehört. Eine der Bands war das Woodhouse-Ensemble. Das hat mich so begeistert, dass ich unbedingt in dieser Band mitspielen wollte. Zwei Jahre später habe ich mir eine gebrauchte Posaune gekauft und mir mithilfe meines musikalischen Gehörs, ohne Notenkenntnisse, das Posaunenspiel beigebracht. Mit 19 war ich dann so weit, dass ich bei den Woodhouse-Jazzern einsteigen konnte.

Als die Alten den Jazz noch als Räuber- und Negermusik diffamiert haben

Für Sie ist der Jazz der Sound Ihrer Generation.

Jede Generation will ihre eigene Musik haben. Bei uns war es der Jazz, den unsere Alten noch als Räuber- und Negermusik diffamiert haben. Heute wollen selbst junge studierte Jazzmusiker nicht mehr Glenn Miller, Benny Goodman, Duke Ellington, Count Basie, Tommy Dorsey oder Ella Fitzgerald spielen und singen. Deshalb haben sich unsere Konzertanfragen in den vergangenen fünf Jahren auch halbiert.

Wie ist Woodhouse entstanden und wie kam die Band zu ihrem Namen?

Die Initiative zur Bandgründung ging von Helmut Schlitt aus, der als Mitglied eines Styrumer Posaunenkorps bereits musikalische Erfahrungen gesammelt hatte. Helmut Schlitt, nach dem heute die Brücke zwischen Hingberg und Forum benannt ist, war, wie die anderen Bandgründer damals, Schüler des Otto-Pankok-Gymnasiums, die, wie er, gerne Jazz hörten und jetzt selbst Jazz machen wollten. Und weil der Vater des damaligen Schlagzeugers, Henk Piek, der Band ein Holzhaus im Uhlenhorst als Probenquartier besorgt hatte, nannte man sich Woodhouse Jazzband.

Mülheims Woodhouse-Band aktuell mit Sängerin Gaby Goldberg. Zur Besetzung gehören Hinderik Leeuwe, Waldemar Kowalski, Horst Janßen, Georg Derks, Michael Schöneich und Rolf Drese.
Mülheims Woodhouse-Band aktuell mit Sängerin Gaby Goldberg. Zur Besetzung gehören Hinderik Leeuwe, Waldemar Kowalski, Horst Janßen, Georg Derks, Michael Schöneich und Rolf Drese. © DieBrue
Mit einem Konzert in Mülheims Stadthalle feierte die Woodhouse-Band ihren 65. Geburtstag.
Mit einem Konzert in Mülheims Stadthalle feierte die Woodhouse-Band ihren 65. Geburtstag. © Albrecht Korff | Albrecht Korff

Mülheimer Jazzer reisten für Konzerte bis nach China

Wie ist die Erfolgsgeschichte der Woodhouse Jazzband zu erklären?

In der jungen Bundesrepublik gründeten sich viele Jazzbands. Damals gab es auch noch mehr Festivals, auf denen Jazzbands spielen und bekannt werden konnten. Manches ergab sich auch durch persönliche Beziehungen. So hat Helmut Schlitt, der ab 1959 bei Euratom in Italien arbeitete, in Mailand eine eigene Jazzband, die Miliano Jazz Gang, gegründet, und am Lago Maggiore ein Jazzfestival organisiert, bei dem natürlich auch die Woodhouse Jazzband gespielt. So kam im Laufe der Jahre immer wieder eins zum anderen und so haben wir nicht nur in Deutschland und Europa, sondern auch in China Konzerte gegeben.

Der aus Mülheim-Styrum stammende, seit 1960 in Mailand lebende Jazz-Trompeter Helmut Schlitt (Woodhouse, Milano Jazz Gang) verstarb am 4. September 2005.
Der aus Mülheim-Styrum stammende, seit 1960 in Mailand lebende Jazz-Trompeter Helmut Schlitt (Woodhouse, Milano Jazz Gang) verstarb am 4. September 2005. © Woodhouse
Horst Janßen auf seiner Reise zu einem internationalen Jazzfestival in China.
Horst Janßen auf seiner Reise zu einem internationalen Jazzfestival in China. © Janßen | Janßen

>> Geburtstagskonzert am 21. Oktober im Mülheimer Jazzclub

Zusammen mit dem Posaunisten Horst Janßen swingen in der Woodhouseband Pianist Georg Derks, Schlagzeuger Rolf Drese, Trompeter Hinderik Leeuwe, der Klarinettist und Saxophonist Waldemar Kowalski, Posonaunist Oliver Poppe und Bassist Michael Schöneich.

Beim „Jubiläumskonzert“ von Woodhouse im Mülheimer Jazzclub ist man am Samstag, 21. Oktober, für 14 Euro mit von der musikalischen Partie. Mitglieder des 1989 gegründeten und von Manfred Mons geführten Jazzclubs zahlen zehn Euro. Studierende und Auszubildende müssen nur sechs Euro Eintritt bezahlen. Mehr Informationen über die Woodhouse Jazzband findet man im Internet unter www.woodhousejazz.de. Den Mülheimer Jazzclub findet man online unter www.jazzclub-mh.de.

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