Mülheim. 33,5 Hektar Wirtschaftsfläche sind ein rares Gut in Mülheim. Das Feilschen um das Vallourec-Areal geht in die nächste Runde. Wer kaufen will.

Unlängst war durchgesickert, dass der Vallourec-Konzern, der seine Produktion von Rohren Ende des Jahres in Deutschland einstellen will, mit der Präsentation zweier Kaufinteressenten einen neuerlichen Anlauf unternimmt, Mülheims Stadtspitze und Politik davon abzubringen, auf ihr Vorkaufsrecht für die 33,5 Hektar große Industriefläche im Grenzland von Styrum zu Dümpten zu pochen. Jetzt sind die Namen der potenziellen Investoren bekannt.

Dass Vallourec sich seine Produktionsverlagerung nach Brasilien vergolden lässt, ohne beim Grundstücksverkauf die Interessen Mülheims zu berücksichtigen, wird Mülheims Stadtrat nicht tolerieren. Das hatte er in diesem Jahr deutlich gemacht, als er dem 40 Millionen Euro schweren Verkauf an den Logistik-Entwickler Logicor mit einem Vorkaufsrecht für einen symbolischen Euro einen Riegel vorschob. Vallourec setzte in der Folge nicht auf den Klageweg. Der Konzern sucht nun eine einvernehmliche Lösung mit der Stadt, die ihm Vermarktungserlöse bringt, der Stadt aber eine Entwicklung auf rarem Wirtschaftsareal garantiert, die hochwertige Arbeitsplätze bringt. Möglichst auch in neuen Industriebetrieben.

Zwei führende europäische Entwickler buhlen um Mülheims Vallourec-Fläche

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Ein neuer Anlauf ist gemacht. Dem Vernehmen nach haben sich zwei europäische Größen aus dem Bereich der Wirtschaftsimmobilien-Branche bereits im Beisein von OB Marc Buchholz und Vertretern der Fraktionen CDU, Grüne, SPD, AfD und FDP vorgestellt. Für kommende Woche ist noch einmal eine größere Runde geplant: Am 21. August sollen sich beide Kaufinteressenten vor der versammelten Schar aus Ratsmitgliedern und Mandatsträgern der zuständigen Bezirksvertretung präsentieren. Wie aus informierten Kreisen zu hören war, hat der erste Auftritt der Investoren durchaus imponiert. „Hoch interessant“ seien beide Investoren, so ein Teilnehmer.

Wer die sind? Der eine ist VGP mit Hauptsitz in Antwerpen, der andere ist CTP (Stammsitz Amsterdam). Dieser Redaktion liegen die Präsentationen beider Unternehmen vor, die kommende Woche in Mülheims Politik abklopfen wollen, was es braucht, damit die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht erneut geltend macht.

Kaufinteressent Logicor war das Vallourec-Areal 40 Millionen Euro wert

Sollten ausreichend Gemeinsamkeiten bei den Entwicklungszielen ausgemacht werden, müssten VGP und CTP in weitere Verhandlungen mit Vallourec treten, in denen insbesondere der Kaufpreis eine Rolle spielen dürfte. In einem Wertgutachten hatte das Mülheimer Geohaus für die Stadt festgestellt, dass das Grundstück eigentlich keinen Wert hat, denn schon die Abrisskosten würden diesen Wert wohl verschlingen. Darüber hinaus seien noch Kosten in unbestimmter Höhe für eine Altlastensanierung einzukalkulieren. . . Logicor wäre es dennoch einen Kaufpreis von 40 Millionen Euro wert gewesen.

Zu den potenziellen Investoren: VGP präsentierte sich als familiengeführter europäischer Investor für Produktions- und Gewerbeflächen mit guter Verkehrsanbindung, der mit langfristigen Partnern wie der Deka und der Allianz zusammenarbeite. 107 Standorte mit mehr als 500 Mietverträgen seien europaweit im Portfolio der VGP, 38 davon in Deutschland. Man sehe sich, weil man Areale entwickele und danach im Bestand halte, als „langfristiger Partner“ für die lokale Wirtschaft.

Top-Mieterin von VGP ist mit Krauss-Maffei Mehrheitseigner der Mülheimer Hütte

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Die Mieter von VGP-Immobilien verteilen sich nach Unternehmensangaben im Wesentlichen auf die Bereiche Produktion (31 Prozent), Logistik (26 Prozent), E-Commerce (19 Prozent) und Automotive (11 Prozent) – wobei Mülheims Politik und Wirtschaftsförderung interessieren dürfte, wie hoch der Anteil wertschöpfender Arbeitsplätze insgesamt ist. Denn unter anderem zählt VGP unter Non-Logistik auch Firmen auf, die bei ihr unter Umständen auch Flächen für reine Warenverteillager angemietet haben dürften.

Wohlgemerkt: Als ihren Top-Mieter (10,2 Prozent der Mietfläche) zählt VGP den Rüstungskonzern Krauss-Maffei, der bekanntlich die Mehrheit an Mülheims Friedrich-Wilhelms-Hütte übernommen hat. Daneben zählen Amazon (5,7 Prozent), Zalando (5,2 Prozent), Rhenus Logistics (3,8 Prozent) und Drylock Technologies (Hygieneprodukte, 2,4 Prozent), aber auch Siemens, BMW oder Mediamarkt-Saturn zu den Hauptmietern.

VGP entwickelt Wirtschaftsparks ähnlicher Größe auch in Gießen und Göttingen

Logistik auf dem Vallourec-Areal will Mülheims breite politische Mehrheit bekanntlich nicht. Wie die VGP-Angabe, dass auf 10.000 Quadratmeter Mietfläche durchschnittlich 68 Mitarbeiter ihrer Arbeit nachgehen, zu werten ist, muss die Politik noch bestimmen. Umgerechnet auf das Vallourec-Areal könnte dies – je nach Bebauungsdichte – immerhin eine vierstellige Zahl an Arbeitsplätzen bedeuten. Zudem verspricht VGP eine Entwicklung nach nachhaltigen Kriterien. So seien seit 2022 alle Neubauten nach den Kriterien der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) errichtet worden (Gold-Zertifikat). Ähnlich große Flächen wie in Mülheim entwickelt VGP derzeit in Gießen („Am Alten Flughafen“) und in Göttingen.

Zu CTP: Das niederländische Unternehmen hat im Vorjahr mit dem Zukauf der Deutschen Industrie Reit-AG aus dem Stand heraus eine kräftige Position im deutschen Markt der Bestandshalter, Entwickler und Betreiber von Logistik- und Industrie-Immobilien eingenommen. 15 Prozent des Immobilienbestandes von CTP haben seither eine deutsche Adresse. Im Portfolio von CTP sind in der Nähe von Mülheim etwa Logistikimmobilien in Meerbusch und Solingen, auch eine Produktions- und Logistik-Immobilie in Duisburg. Etwas größere Einheiten weist CTP für Bochum an der Kantstraße, für Hattingens Hufeisenstraße oder „Am Brögel“ in Wuppertal aus – allesamt aber keine Adressen, die es mit einer Größenordnung wie beim Vallourec-Areal aufnehmen könnten.

CTP will bis 2026 seine Mietflächen in Deutschland verdoppeln - mit Invest in Mülheim?

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Dennoch: CTP hat bis 2026 ein Entwicklungsprogramm für den deutschen Markt in Höhe von über einer Milliarde Euro angekündigt, die Mietfläche in Deutschland soll auf 3,4 Millionen Quadratmeter anwachsen - das wäre eine Verdopplung. Ohnehin reklamieren die Niederländer für sich, in Kontinentaleuropa größter Markt-Player bei Logistikparks und Industrie-Immobilien zu sein. CTP wirbt wie Investor VGP mit einem Komplettpaket aus Grundstückserwerb über eine Entwicklung bis hin zur langfristigen Bestandspflege ihrer Gewerbeparks – sowie mit Nachhaltigkeit, etwa durch eine DGNB-Zertifizierung.

„Wir von CTP bauen nicht einfach nur Gebäude – wir bauen lebendige, nachhaltige Geschäftsökosysteme der Zukunft für Menschen: unsere Kunden, ihre Mitarbeiter und die Gemeinden, in denen wir arbeiten und leben“, heißt es in der Präsentation für Mülheims Politik.

Potenzielle Investoren ernten Lob nach ihrem ersten Auftritt in Mülheim

Dem Vernehmen nach sollen beide Kaufinteressenten bei ihrem ersten Vorsprechen in Mülheim „einen guten Eindruck gemacht“ haben. Beide seien „potent, milliardenschwer“ – und hätten eben auch andere Kernkompetenzen vorzuweisen als ausschließlich Logistik.

Gar sollen beide Entwickler Vertretern von Stadtspitze und Fraktion so weitreichend die Hand gereicht haben, dass manch einer es für möglich hält, dass die Stadt bei einer späteren Vermarktung der Einheiten tatsächlich ein Wörtchen mitzureden hätte, wer auf altem Vallourec-Areal ansiedelt. Wie immer das dann auch juristisch dingfest zu machen wäre. . . Aus der Politik heißt es, das eine oder andere, etwa großflächige Logistik, ließe sich ja auch über den Bebauungsplan ausschließen.

Das Vallourec-Aus in Mülheim – eine kleine Chronik: