Mülheim. Angriffe und Drohungen auf Mülheimer Politiker vor Monaten haben nicht nur Betroffene erschüttert. Was Ermittler über Täter und Motive wissen.
Der erste Schock ist bei manchem verflogen, doch als im Juni und Juli diesen Jahres Unbekannte sich mit Farbschmierereien und anderem auf Fahrzeugen und an Hauseingängen von mehreren Politikern der CDU und Grünen austobten, war die Verunsicherung bei den Betroffenen groß: Was ist das Motiv für die überraschende Attacke? Wer steckt dahinter? Nach Antworten haben Staatsschutz und Staatsanwaltschaft gesucht.
Dass ein Rest Verunsicherung noch da ist, wird deutlich, wenn man mit den Betroffenen spricht: Ob sie darüber mit Namen sprechen wollen, wägen sie ab. Und die allermeisten entscheiden sich dagegen. Denn noch einmal will man das nicht erleben, will es auch den Angehörigen und Partnern nicht zumuten.
Mülheimer Politiker rätseln über das „Warum“
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Doch gibt es überhaupt Zusammenhänge zwischen beiden zeitlich und räumlich auseinander liegenden Vorfällen, zu denen keinerlei Bekenner oder Botschaften bekannt wurden? Zumindest Indizien für eine politisch motivierte Tat will ein Betroffener der Grünen erkennen. Die grüne Lackfarbe mit der sein Hauseingang beschädigt wurde, ist wohl kein Zufall, mutmaßt dieser. Sondern ein politisches Symbol. Bei den anderen Attacken allerdings verwendeten Täter rote Farbe. So bleibt das „Warum“ ebenso unklar wie die eigentliche politische Couleur der Tat.
Im Mobilitätsausschuss im September, wo der Unmut über den verkorksten Start des neuen Mülheimer Nahverkehrs hochkochte, wurden auch die Attacken noch einmal Thema. Hier vermuteten manche, dass der Ärger über Kürzungen im ÖPNV ein möglicher Grund sein könnte, für die man die schwarz-grüne Koalition verantwortlich mache.
Haben die Einschnitte im Mülheimer Nahverkehr damit zu tun?
Denn nach den Attacken und kurz vor dem Start des neuen Nahverkehrs erreichte die Politik Drohschreiben etwa im vermeintlichen Namen der „Letzte Generation Mülheim“, den mancher Politiker in einem Zusammenhang sieht. Die echte „Letzte Generation“ distanzierte sich aber öffentlich und in aller Deutlichkeit von diesem Schreiben. Wahr gemacht wurden die Drohungen übrigens bislang nicht.
Nicht nur Daniel Mühlenfeld (SPD) und Timo Spors (Grüne) verurteilten im Mobilitätsausschuss die Attacken auf Politiker aufs Schärfste, auch die übrigen Mitglieder erklärten sich durch zustimmendes Klopfen solidarisch mit den Betroffenen.
Grüne Farbe soll als Mahnmal des Angriffs dienen
Und doch zählten ebenfalls Politiker den Opfern der Aktionen, die in Entscheidungen zum Nahverkehr nicht direkt eingebunden waren - und ebenso waren längst nicht alle Mitglieder der CDU und Grünen im Mobilitätsausschuss oder der Ratsfraktion im Visier der Attacken. Spielten also doch andere Gründe eine Rolle? Auf einen Aufruf zum offenen Dialog in den sozialen Medien, doch zu sagen, was damit kritisiert werden soll, reagierte jedenfalls der oder die Täter nicht. „Ich kann nichts verändern, wenn ich nicht weiß, was“, bedauert ein Grüner.
Was daher bleibt, ist ein Rest Unsicherheit, der Rest Farbe, den der Betroffene als „Mahnmal“ an Tür und Briefkasten belässt. Und nicht zuletzt der Ärger über den sinnfreien Vandalismus: Betroffene mussten nicht wenig Geld in die Hand nehmen, um die Schmierereien zu beseitigen.
Mülheimer Fälle: Ermittler tappen im Dunkeln
Das Dilemma: Über all das hat weder die Polizei, noch der Staatsschutz, noch die Staatsanwaltschaft Erkenntnisse gewinnen können. Trotz intensiver Ermittlungen brachten diese auf Nachfrage keinerlei Ansätze über Motive, keine Zeugen, keine Tatverdächtigen zutage. Und ebenso wenig können die Ermittler die vermuteten Zusammenhänge zwischen den Taten und dem Schreiben bestätigen.
Zumindest gilt dies bislang für die Attacken auf Eigentum der CDU-Politiker. Doch im anderen Fall scheint es nicht weniger wahrscheinlich, dass die Suche im Sande verlaufen wird. „Das überrascht mich nicht, ich habe nichts anderes erwartet“, meint ein Geschädigter ohne Vorwurf an die Behörden. Schließlich habe es keine Zeugen oder gar Kameraaufzeichnungen der Tat gegeben.
Betroffener: Solidarität über die politischen Lager hinweg ist „wohltuend“
So bleibt den Geschädigten vielleicht als Trost eine gestiegene Solidarität nicht nur unter Freunden und Bekannten, sondern ebenso in der breiten Öffentlichkeit und in Teilen der Opposition: „In der Demokratie werden Konflikte über Worte und Debatten ausgetragen. Egal wie tief inhaltliche Differenzen dabei gehen mögen, eins steht unverrückbar fest: Gewalt, auch gegen Sachen, kann kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein“, sprach Margarete Wietelmann, Vorsitzende der SPD-Fraktion, von einer „offenbar koordinierten Aktion“, die von einer neuen Dimension von Gewaltbereitschaft zeuge.
Wenn das auch unbewiesen bleibt und somit spekulativ – die klaren Worte der Solidarität über die politischen Lager hinweg und bei aller ansonsten inhaltlicher Auseinandersetzung aber seien „wohltuend“, sagt ein Betroffener.
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