Mülheim. Bis zu 650 Flüchtlinge bewohnen seit Juni die ZUE in Mülheim-Raadt. Verschiedene Aktivitäten sollen verhindern, dass es zum Lagerkoller kommt.
Nicht nur angesichts fortdauernder Fehlalarme in der Landesflüchtlingsunterkunft (ZUE) beklagen Anwohnerinnen und Anwohner in Mülheim-Raadt seit Langem auch, dass für Bewohner der ZUE im kleinen Stadtteil im Osten der Stadt kaum Möglichkeiten bestünden, der Langeweile zu entgehen. Die Verantwortlichen aus dem Betrieb des Hauses widersprechen: Es sei einiges an Freizeitbeschäftigungen geschaffen worden.
„Wir als direkte Anwohner und wahrscheinlich auch teilweise die Hilfsbedürftigen der ZUE stellen die Art der Unterbringung ohne wirkliche Integrationsmaßnahmen in Frage“, klagte dieser Tage eine Nachbarin der ZUE angesichts neuer Fehlalarme (Nummer 15 und 16), die es in dieser Woche trotz zusätzlicher Sicherungsmaßnahmen an den Brandmeldern im ehemaligen Bürogebäude gegeben habe. Zuletzt habe es einen Brandalarm am späten Mittwochabend gegeben, hieß es.
ZUE Mülheim: „Wir hatten acht Tage Zeit, um die komplette Infrastruktur aufzubauen“
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In der ZUE ist Platz für bis zu 650 geflüchtete Menschen. Die Unterkunft wurde Mitte Juni, anders als geplant, nicht in kleineren Schritten mit Geflüchteten bezogen, sodass der neu geschaffene Betrieb und die Organisation langsam mitwachsen konnten. „Die Flüchtlingszahlen waren deutlich höher als die Prognosen“, rechtfertigte Regierungspräsident Thomas Schürmann jüngst im Gespräch mit dieser Redaktion das Handeln seiner Behörde: Angesichts der Unterbringungsnot brachte die Bezirksregierung Düsseldorf in Raadt denn auch schnell so viele Menschen unter, dass der neu eingerichtete Betrieb sich ad hoc unter Bedingungen nahe der Vollauslastung zu beweisen hatte.
Diana Vierschilling, die für die Malteser Werke die Betreuungsdienstleistung in der ZUE verantwortet, macht deutlich, dass ein rumpeliger Start kaum zu vermeiden war. Nur dreieinhalb Wochen vor Inbetriebnahme der ZUE habe ihr Unternehmen nach einer Ausschreibung den Zuschlag für einen Einsatz in Raadt bekommen. „Wir hatten am Ende acht Tage Zeit, um die komplette Infrastruktur aufzubauen.“ Auch ein Team mit 80 Mitarbeitern habe in dieser kurzen Zeit zusammengebracht werden müssen, inklusive Freigabeverfahren mit erweitertem Führungszeugnis für den Einsatz in solch einer Einrichtung. Einrichtungsleiter Andreas Stomps immerhin hatte als Regierungsmitarbeiter Erfahrung aus anderen Einsätzen. Doch auch er betont, wie herausfordernd der Start gewesen sei.
Freizeit in Mülheimer ZUE: „Pro Tag nehmen 200 Teilnehmer die Angebote wahr“
Mittlerweile, so berichtete Vierschilling jüngst, gebe es im Haus zahlreiche Angebote zur Freizeitbeschäftigung. Etwa 20 Angebote stünden während der Woche zur Auswahl, vom Café für Frauen, Männer oder Jugendliche über Yoga, Basketball oder auch Kino. Es gebe Bildungsangebote für Kinder im Schulalter, auch Erstorientierungskurse zur Integration für Erwachsene. „Pro Tag nehmen durchschnittlich 200 Teilnehmer die Angebote wahr“, so Vierschilling.
Besonders glücklich sind Bezirksregierung und Malteser auch über das, was der SV Raadt möglich macht. Der Verein lässt Bewohnerinnen und Bewohnern der ZUE seit Anfang September die örtliche Sportanlage nutzen in der Zeit bis zum Nachmittag, wenn sie für den Verein nicht beansprucht wird. Der Verein habe das Angebot selbst gemacht, sagt Markus Krebs als einer der Vereinsvorsitzenden. Immer mal wieder seien zuvor Bewohner aus der ZUE zum Platz gekommen und hätten gefragt, ob sie dort Fußball spielen könnten.
SV Raadt stellt Flüchtlingen in Mülheim seine Sportanlage zur Verfügung
„Logisch: Denen ist langweilig“, sagt Krebs. Die Stadt habe sich in der Sache weniger engagiert, da sei er schon enttäuscht. Letztlich sei es aber mit der Bezirksregierung gelungen, einen wesentlichen Knoten zu lösen und mit ihr vertraglich zu regeln, dass das Land für den Fall haftet, sollte während der Nutzung der Sportanlage durch ZUE-Bewohner ein größerer Schaden entstehen.
In den ersten Septemberwochen hätten ZUE-Bewohner die Sportanlage schon zweimal in der Woche genutzt. Aktuell ruhe das Angebot, weil der Platz bekanntlich einen neuen Kunstrasen bekommt. Krebs hofft, dass der Rasen nächste Woche liegt und der Sportbetrieb wieder anlaufen kann. Es gehe den ZUE-Bewohnern „besser, wenn sie sich bewegen können“, sagt er. „Eine schöne Zusammenarbeit“, lobt ZUE-Betriebsleiter Stomps. Der Fußballverein habe gar Bälle gespendet.
Mülheimer Sportverein hofft auch auf die eine oder andere Verstärkung für seine Teams
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Für den SV Raadt ist es nicht nur eine gut gemeinte Geste an die Geflüchteten. „Vielleicht finden wir so auch den einen oder anderen, der in einer unserer Mannschaften helfen kann“, sagt Krebs. Gut integriert in die erste Damenmannschaft (Bezirksliga) habe sich etwa eine Irakerin, angeblich vormals Nationalspielerin in ihrem Heimatland. Für jene, die sich im Verein integrieren, schließt Krebs ein weitergehendes Engagement nicht aus. Der Verein könne sich womöglich dafür einsetzen, dass sie aus der ZUE nicht einer anderen Stadt zugewiesen würden, sondern in Mülheim bleiben könnten. Wenn die geflüchteten Menschen das denn selbst auch wollten.
Enttäuscht ist hingegen der Landesverband der Naturfreunde, der immer wieder vergeblich sein sanierungsbedürftiges Naturfreundehaus am Böllrodt zur Nutzung für Freizeitaktivitäten angeboten hatte. Landesvorstand Rüdiger Sagel hatte die Bezirksregierung für deren Ablehnung jüngst scharf kritisiert: „Die Unterbringung der Menschen ist inakzeptabel, wenn wie in Raadt zu viele auf engstem Raum, fast ohne Außenfläche, kaserniert und zusammengepfercht werden“, kritisierte er „eine Billiglösung“ der Unterbringung, die zwangsläufig Nachbarschaftsprobleme mit sich bringe.
Naturfreunde ärgert es, dass ihr Ruhrtalhaus nicht ins Spiel kommt
„Das Spielen der Kinder auf unserem Grundstück, die Nutzung des Sportplatzes und Kommunikationsangebote auch in unseren Räumen wären möglich gewesen“, so Sagel. Eine Sprecherin der Bezirksregierung begründete deren anlehnende Haltung mit dem „großen Instandsetzungsbedarf und der hierfür benötigten zeitlichen Vorlaufzeit - auch mit Blick auf die geringe Gesamtlaufzeit der Einrichtung“. Sie soll möglichst im Sommer 2025 wieder schließen.
Der Verband der Naturfreunde will sein Ruhrtalhaus in Raadt nun verkaufen, zumal es in Mülheim keine Aktivitäten von örtlichen Naturfreunden mehr gibt. Es stehe „aber weiter für eine öffentliche Nutzung zur Verfügung“, so Wolfgang Hendges als stellvertretender Landesvorsitzender.
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