Mülheim. Anwohner und Politik kritisieren den ZUE-Betrieb in Mülheim-Raadt. Ein Krisengipfel suchte zuletzt nach Mitteln gegen die vielen Fehlalarme.
Für CDU-Ratsherr Henner Tilgner kam da auch keine Rücksichtnahme auf die grüne Koalitionspartnerin im Stadtrat infrage: Der Vorsitzende des Ortsverbandes Menden-Holthausen brachte im Kommunalparlament am Donnerstag seine Empörung zum Ausdruck, dass der grüne Regierungspräsident Thomas Schürmann angesichts der Probleme rund um die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) für Flüchtlinge in Raadt nicht höchstpersönlich aktiv werde. „Meiner Meinung nach muss das Chefsache sein“, so Tilgner.
Im Stadtrat hatten Tilgner und SPD-Fraktionschefin Margarete Wietelmann die aktuelle Fragestunde genutzt, um dem Ärger aus der Nachbarschaft der ZUE auch politisch Luft zu machen. „Man könnte meinen, die Bezirksregierung setzt zum ersten Mal eine ZUE um“, wetterte Tilgner Richtung Bezirksregierung als Betreiberin. „Die Lernkurve ist noch sehr hoch, die Prozesse laufen nicht korrekt“, beklagte Tilgner, dass die Düsseldorfer Behörde viel zu bürokratisch statt pragmatisch unterwegs sei, um den Klagen der Anwohner und Problemen im Betrieb der Einrichtung, die Mitte Juni eröffnete, zu begegnen.
Mülheimer CDU-Mann kritisiert Regierungspräsidenten: „Er erscheint leider nicht selbst“
Es stellten sich viele Fragen, so der CDU-Politiker, etwa, warum die Rauchmelder nicht sofort mit jenen Sicherungen versehen worden seien, die nun nachinstalliert werden sollten, um Fehlalarme möglichst auszuschließen. 14 Fehlalarme, immer wieder zu nachtschlafender Zeit, haben seit Juni nicht nur ZUE-Bewohner aus dem Schlaf gerissen, sondern auch Anwohner im Umfeld.
Anwohner und Politik hätten zahlreiche Anfragen zu Betriebsproblemen in der ZUE an den Regierungspräsidenten gerichtet, doch „er erscheint leider nicht selbst“, forderte Tilgner die grüne Mülheimer Sozialdezernentin Daniela Grobe am Donnerstag auf, auf ihren Parteikollegen Schürmann einzuwirken. Der Arnsberger Regierungspräsident Heinrich Böckelühr verfährt da nach Beobachtung Tilgners anders. Er zeige stets Präsenz dort, wo es Probleme gebe.
Nach 14 Fehlalarmen: Krisengespräch zur ZUE Raadt hinter verschlossenen Türen
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Auch Margarete Wietelmann (SPD) forderte entschiedenes Handeln ein, um dem Problem der Fehlalarme Herr zu werden. Sie will Informationen fließen sehen, welche erfolgversprechenden Maßnahmen die Bezirksregierung umsetzen will.
Das war am Freitag Thema eines Krisengespräches, zu dem die Bezirksregierung neben eigenen Vertretern den für das Brandschutzkonzept in Raadt zuständigen Sachverständigen, Mülheims Feuerwehr und Bauaufsicht sowie Sozialdezernentin Grobe an einen Tisch geladen hatte. Ein anschließendes Gespräch mit dieser Redaktion lehnte die Bezirksregierung ab, bot lediglich eine schriftliche Mitteilung zum Krisengespräch an.
Bezirksregierung: Maßnahmen-Paket geht in die Prüfung
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In dieser hieß es, dass die Beteiligten sich in einem mehrstündigen Treffen intensiv und konstruktiv ausgetauscht und „mehrere Maßnahmen von unterschiedlicher Komplexität identifiziert und Vorschläge skizziert“ hätten. Diese würden jetzt über den Brandsachverständigen der Bezirksregierung der Stadt übermittelt und dort zeitnah „auf Umsetzung und Wirkung geprüft“. Konkreter dazu äußern wolle man sich erst dann, „wenn ein Mittel geprüft und als umsetzbar bewertet wird“, so eine Sprecherin der Düsseldorfer Behörde. Erklärtes Ziel aller sei eine schnellstmögliche Entlastung für die Nachbarschaft.
Schon in der Ratssitzung hatte Dezernentin Grobe der Politik berichtet, dass es in der zurzeit mit 569 Menschen belegten ZUE seit Inbetriebnahme 35 Einsätze gegeben habe, darunter besagte 14 Fehlalarme für die Feuerwehr, 20 Einsätze des Rettungsdienstes wegen medizinischer Notfälle (nicht infolge von Messerstechereien, wie es AfD-Politiker Tobias Laue in den Raum stellte) und einen Einsatz wegen eines Wasserschadens infolge einer Rohrverstopfung.
14 Fehlalarme, 14 Strafanzeigen: Verfahren laufen laut Dezernentin noch
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Bezüglich der Fehlalarme sei der Sicherheitsdienst verstärkt worden; er sei mehr auf den Etagen unterwegs, so Grobe. Auf Nachfrage der AfD sagte sie, dass ihrer Kenntnis nach die Ermittlungsverfahren zu den 14 Fehlalarmen, die eine Strafanzeige zur Folge hatten, allesamt noch nicht abgeschlossen seien. In einzelnen Fällen sei man aber Tatverdächtigen „habhaft geworden“. Grobe war mit Bezug auf die vielfach geäußerte Kritik an alleinreisenden, männlichen Flüchtlingen wichtig zu betonen, „dass ein Teil der Fehlalarme ausgerechnet auf den Etagen ausgelöst wurden, wo Familien mit Kindern untergebracht sind“.
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Die von einzelnen Bürgern geäußerte Kritik an Grobes zuletzt geäußerter Forderung an die Bezirksregierung, für die Bewohner der ZUE eine psychosoziale Betreuung zu ermöglichen, nahm die Sozialdezernentin zum Anlass, dies noch zu konkretisieren. Jene Betreuung könne aus ihrer Sicht präventiv wirken, Bewohner davon abbringen, missbräuchlich Brandalarm zu schlagen. Die Auslöser für vereinzeltes Fehlverhalten von ZUE-Bewohnern seien stärker in den Blick zu nehmen. Dabei bemerkte Grobe, dass nicht einmal die eine Stelle für psychosoziale Betreuung in der ZUE besetzt sei. Wobei eine Stelle für bis zu 650 Geflüchtete aus ihrer Sicht ohnehin „voraussichtlich zu wenig ist“.
Vorwurf der „Scheinheiligkeit“: Dezernentin wehrt sich gegen Bürger-Kritik
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Grobe legte Ende der Woche auch Wert darauf, sich zu einem Brief eines Lesers dieser Tage zu äußern, der ihr „Scheinheiligkeit“ vorgeworfen hatte: Grobe sei trotz der kritischen Haltung von Bürgern gegen eine große ZUE im kleinen Stadtteil von Beginn an klare Befürworterin gewesen und beklage nun selbst „unhaltbare“ Zustände, die abzusehen gewesen seien. „Für mich ist es kein Widerspruch, für die Aufnahme von Asylsuchenden zu sein und die Landesregierung bei der Erfüllung ihrer, respektive unser aller nicht zuletzt aus dem Grundgesetz resultierenden Aufgabe zu unterstützen, Menschen Asyl zu gewähren und gleichzeitig Kritikwürdiges auch zu kritisieren“, so Grobe. Ihre Grundhaltung mache sie „nicht blind gegenüber dem, was nicht gut läuft. Das dann auch zu benennen und mich – in diesem Fall – für Abhilfe im Sinne der Nachbarschaft der ZUE gegenüber der Bezirksregierung einzusetzen, sehe ich gleichermaßen als meine Aufgabe an und hat für mich absolut nichts mit Scheinheiligkeit zu tun.“
Nächste Bürgersprechstunde in Mülheims ZUE – hinter verschlossenen Türen
Am Dienstag haben eine begrenzte Zahl an Bürgerinnen und Bürgern wieder die Möglichkeit, hinter verschlossenen Türen mit den ZUE-Betreibern in den Dialog zu kommen. Neben Mülheims Sozialdezernentin kündigte auch OB Marc Buchholz seine Teilnahme an der zweiten Sprechstunde an. „Das Gespräch ist für uns Chefsache“, setzte auch der OB eine Spitze gegen Regierungspräsident Schürmann. Es gehe darum, den Bürgern in Raadt „in schwierigen Zeiten Ansprechpartner zu sein und Vermittler zur Bezirksregierung“. Die aktuelle Situation sei „unhaltbar, wir erwarten Abhilfe“, wurde Sozialdezernentin Grobe im Rat noch einmal deutlich in Richtung Düsseldorf.
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