Mülheim. Das Oemberg-Moor ist viel zu trocken, Büsche drängen es zurück. Naturschützer warnen vor den Folgen. Wer rettet Mülheims einziges Moor?

„Knochentrocken“, Detlef Habig hätte sich die wasserdichten Schuhe glatt sparen können. Mitten in Mülheims Moor am Oemberg hat der Boden nur so wenig Wasser, dass man schon sehr kräftig aufstampfen müsste, damit auch nur die Sohle feucht würde. Eigentlich sind Moore wie ein nasser Schwamm. Doch im nunmehr fünften Dürre-Sommer in Folge ist es in keinem guten Zustand: trocken und verbuscht. Ist Mülheims einziges Moor noch zu retten? Und wer übernimmt Verantwortung?

Rund 80 mal 35 Meter ist das Heidemoor groß. Besser gesagt ,klein’: Habig und der Saarner Umweltverein wollen deshalb um seinen Erhalt kämpfen. Und würde es gerne sogar noch ausweiten. Denn sinkt der Wasserspiegel im Moor dauerhaft, gelangt Sauerstoff an den kohlenstoffhaltigen Torf. Der zerfällt dann und setzt in Verbindung mit Sauerstoff (O2) klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei, welches das Moor zuvor in riesigen Mengen gespeichert hat: Weltweit binden Moore doppelt so viel Kohlenstoff (C) wie alle Wälder zusammen – obwohl sie gerade einmal drei Prozent der Landfläche ausmachen.

Mülheimer Oemberg-Moor: Torfmoose trocknen langsam aus

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Habig zeigt das wenige noch sichtbare Torfmoos, dessen Wurzeln sich langsam zersetzen und so den Torf bilden. Einen Millimeter pro Jahr. Im Naturschutzgebiet am Oemberg aber hat es überall an seiner Oberfläche braune Stellen statt sattem Grün. Zeichen von Wassermangel, deutet Habig, „normalerweise können diese Moose das 30-fache ihrer Trockenmasse speichern“.

Auch Dr. Dietrich Rohde, Umweltmediziner und Mitglied in der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt (LNU), hätte die Gummistiefel im Schrank lassen können, „selbst mit Sandalen hätte ich keine feuchten Füße bekommen“. Rohde stiefelt problemlos quer durch die schon hohe Pfeifengraswiese, unter der eigentlich eine nasse Torfmoosschicht liegen sollte.

Schlapp und an vielen Stellen braun zeigt sich das Torfmoos im Heidemoor-Gebiet.
Schlapp und an vielen Stellen braun zeigt sich das Torfmoos im Heidemoor-Gebiet. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Büsche drängen ins Mülheimer Moor-Gebiet

Am Rande des kleinen Heidemoors ist zudem auf etwa einem Viertel der Fläche ein dichtes Gebüsch aus Faulbäumen eingedrungen und hat diesen Teil des Moorgebietes verdrängt. Und nicht zuletzt, ist auch die Senke vor einem eigens errichteten kleinen Wall trocken. Der Wall sollte eigentlich Wasser davor zurückhalten, aus dem Moorgebiet in die anderen Flächen zu fließen. „Man muss die Dichtigkeit des Walls prüfen“, sagt Habig.

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Für Rohde und Habig ist die aktuelle Situation des Moores das Ergebnis eines Prozesses, der nicht erst seit gestern stattgefunden hat. Rohde ist als Mitglied im Naturschutzbeirat zudem verärgert, denn noch im vergangenen Umweltausschuss hatte die Umweltamtsleiterin Ulrike Bresa über das Moor und weitere moorähnliche Gebiete in Mülheim berichtet. Von dem – aus Sicht von Rohde und Habig – besorgniserregenden Zustand war da allerdings keine Rede.

Kritik: „Nicht genug hingeschaut“

Im Gegenteil: „Ob die genannten Flächen wiedervernässt und ökologisch verbessert werden, ist im Einzelfall im Rahmen der Bewirtschaftung zu entscheiden“, teilte die Stadt lediglich auf die Frage mit, ob denn Moorflächen zur Wiedervernässung – also Bewässerung oder Staumaßnahmen – infrage kämen.

Ein Wall am Rande des Oemberg-Moores soll verhindern, dass Wasser zu schnell abläuft. Doch auch die Senke ist trocken.
Ein Wall am Rande des Oemberg-Moores soll verhindern, dass Wasser zu schnell abläuft. Doch auch die Senke ist trocken. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Das Moor war zu dem Zeitpunkt nicht in dem Zustand, der jetzt von Rohde und Habig beklagt wird, heißt es aktuell von Bresa. Sie habe sich bei ihren Aussagen auf Informationen der zuständigen Fachbehörde bezogen und keinen Grund, an diesen zu zweifeln.

Für Rohde aber gibt diese Information des Umweltamtes den eigentlichen Zustand des Mülheimer Moors nur völlig unzureichend wider. Das habe weitreichende, negative Folgen auch für die Naturschutzaufgabe der Fachgremien: „Wir kümmern uns in den Ausschüssen um jeden einzelnen Baum in der Stadt, und hier schauen wir nicht genug hin?“

Saarner Umweltverein fordert Bewässerung und Pflege des Mülheimer Moores

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Was wäre nun zu tun? Der Saarner Umweltverein hat bereits einen Bürgerantrag für den Umweltausschuss gestellt, um anzuregen, dem Oemberg-Moor kurzfristig Pflegehilfe zu leisten. Mittel- und langfristig aber will Habig auch geklärt wissen, von welchen Zuläufen das Moor gespeist wird und ob es Möglichkeiten gebe, das Moor mit weiteren Quellen zu versorgen.

Laut Angaben der Stadt könnte es für die Wiedervernässung von Mooren Fördergelder von etwa 80 Prozent geben. Die späteren Pflegekosten müsse aber die Stadt selbst tragen. Habig würde das Gebiet am liebsten sogar weiter ausdehnen, um mehr Lebensraum für Pflanzen und Tiere zu schaffen und mehr Kohlenstoff zu binden.

LNU-Mitglied Rohde will das Anliegen des Saarner Umweltvereins unterstützen und anregen, dass der Naturschutzbeirat sich vor Ort ein genaues Bild von der Lage macht: „Wir müssen selbst hingehen und uns das angucken, denn was von der Verwaltung in den Ausschüssen erzählt wurde, entspricht nicht der Realität.“

INFO: Das sagt die Stadt über Mülheims letztes Moor und weitere Feuchtgebiete

In Mülheim ist nur das Oemberg-Moor zwischen Nachbarsweg, Pappelweg und Oemberg vorhanden. Es liegt im Naturschutzgebiet „Wambachtal und Oemberg-Moor, es handelt sich um ein kleines, baumfreies, mesotrophes Heidemoor, das von einer bultigen torfmoosreichen Pfeifengraswiese bestimmt wird.

Auch in der Vergangenheit war Mülheim aufgrund der geologischen Voraussetzungen eher moorarm, ein weiterer Standort wird unterhalb des Areals Landhaus Streithof westlich der Großenbaumer Straße vermutet.

Darüber hinaus ist eine Vielzahl von kleineren Bruchwäldern erhalten geblieben, die aufgrund der Torfschichten und Wasserhaltung einige der Eigenschaften von Mooren haben, aber in der Regel nichtdauerhaft vernässt sind und auch andere Baumarten beherbergen. Namentlich der Stadtteil Broich war früher von Brüchen, also sumpfigen Feuchtgebieten überzogen.

Im Bereich Holzenbergs Bruch wurde 2020 im Rahmen des Förderprojekts „Atlantische Sandlandschaften“ der EU und der Länder Niedersachsen und NRW ein Bruchwaldgebiet durch Grabenverschluss vernässt, in der Folge konnte längere Überstauung im Winter beobachtet werden. Dauerhafte Überstauung ist aber aufgrund der hydrologischen Verhältnisse nicht möglich. Ob sich der dort noch vorhandene Torfkörper regeneriert, bleibt abzuwarten.

Am Broicher Waldweg wird aktuell die Wiedervernässung eines ehemaligen Bruchwaldbereichs vorbereitet. Dort standen lange Zeit Fichten, die durch Borkenkäferbefall abgestorben sind.