Mülheim. Sengende Sonne, braunes Grün: Seit Jahren erlebt Mülheim belastende Hitzeperioden. Was zu tun wäre, sagt ein Konzept. Warum die Umsetzung dauert.
Die vergangenen fünf Jahre hatte die Hitze auch Mülheim fest im Griff. Zu schaffen macht sie nicht nur Kleinkindern, älteren und kranken Menschen, längst ist jeder durch Temperaturen, Ozon oder UV-Strahlen belastet. Und nicht zuletzt ächzt Mülheims grüne Lunge unter Wassernot. Während Mancher die Extremwetterereignisse wie Dürre und Waldbrandgefahr noch Sommer nennt, hat die Stadt seit 2019 die Klimaanpassung als Kernthema für verdichtete Innenstädte erkannt. Ein Konzept liegt also längst vor. Was aber hat die Stadt umgesetzt, um Mülheimer zu schützen?
Einiges hat Mülheim auf den Weg gebracht: So ist Aufklärung und Hilfe zur Selbsthilfe ein Baustein in einem Paket von Maßnahmen, von denen einige – vor allem bauliche – wohl erst in den kommenden Jahren umgesetzt werden können.
Mülheim setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe
Fertig ist der „Hitzeknigge“ – eine Broschüre des Umweltbundesamts. Er wurde 2022 auf Mülheim angepasst und an Apotheken, Reformhäuser, Arztpraxen und Stadtteilbibliotheken in der Stadt verteilt. Das 22-seitige Heftchen ist auch online auf der Internetseite der Stadt abrufbar. Darin: praktische Tipps, wann und wie man sich Zuhause, unterwegs und am Arbeitsplatz vor hohen Temperaturen schützen sollte.
Etwa mithilfe der vier Trinkwasserbrunnen der RWW in der Stadt (Hölterschule, Realschule Stadtmitte, Moritzstraße 40 und Aktienstraße 214) sowie sogenannter Refill Stationen: Dort kann man kostenlos seine Trinkflasche mit Wasser befüllen lassen. Mülheimer Stationen sind beispielsweise in den Stadtbibliotheken, im Historischen Rathaus, in der Radstation am Hauptbahnhof, im Haus Ruhrnatur, im Aquarius Wassermuseum gelegen. Speziell für Obdachlose stellt auch die Ambulante Gefährdetenhilfe (Auerstraße 47) des Diakonischen Werkes eine Wasserfüllstation bereit. Außerdem überall, wo ein entsprechender blauer Aufkleber am Gebäude zu finden ist.
Zudem: Um gefährdete Gruppen wie Senioren, Kinder und Obdachlose in Einrichtungen und im öffentlichen Raum zu schützen, will die Stadt den Informationsfluss zwischen Ämtern und Einrichtungen verbessern und sogenannte Kommunikationskaskaden aufbauen, um bei androhenden Hitzeperioden schneller reagieren zu können.
Mülheim: Dachbegrünung und mehr Trinkbrunnen sollen für Kühlung sorgen
Baulich hat die Stadt einzelne Maßnahmen, etwa die Dachbegrünung zur Verbesserung des Mikroklimas und zur Speicherung von Regenwasser, mithilfe von Landesfördermitteln vorangetrieben. Darunter zählt ebenso die Dachbegrünung des Otto-Pankok-Gymnasiums. Oder gar eine künftige Begrünung von Haltestellen. Mit dem RWW wird zudem über weitere Trinkbrunnen in der Stadt verhandelt.
Weiterhin ein sichtbares Problem ist hingegen die Versorgung des städtischen Grüns: Es fehlt das Geld. „Die Bewässerung von Grünflächen ist nicht Bestandteil der durch den Haushalt gedeckten Unterhaltungspflege“, sagt Sylvia Waage, Leiterin des Amtes für Grünflächenmanagement.
Info: Nützliche Links gegen die Hitze
- Trinkwasserbrunnen in Mülheim: www.trinkwasser-unterwegs.de/rww-trinkwasserbrunnen
- Refillstationen in der Stadt: refill-deutschland.de
- Mülheimer Klimaanpassungskonzept: www.muelheim-ruhr.de/cms/klimaanpassungskonzept_muelheim_an_der_ruhr.html
- Tipps für einen klimaresistenten Garten: www.naturgarten.org/regionalgruppe-rhein-ruhr/
Man sei bereits dabei, in Parkanlagen auf klimaresiliente Baum- und Gehölzarten umzustellen. „In Reaktion auf die Zunahme von Trockenperioden wurden trockenheitsliebende Pflanzen im Straßenbegleitgrün angelegt“, so Waage. Zu finden seien diese etwa an den Kreisverkehren Heerstraße und Eppinghofen, an der Essener Straße, Kaiserstraße und Duisburger Straße sowie in der Grünanlage Liverpoolstraße.
Was fehlt: Geld im Mülheimer Haushalt für Bewässerung der Parkanlagen
Doch aktuell sei die Stadt noch auf Unterstützung aus der Bürgerschaft angewiesen, um besonders Jungbäume durch die Hitzeperioden zu bringen. Denn die werden bislang nur in den ersten fünf Standjahren mit Hilfe des Umweltamtes bewässert. Auch in der Müga finde lediglich eine Wässerung zum Erhalt der Staudenflächen, etwa im Staudenhang des Schloßpark Broich statt.
So gibt es viele Einzelmaßnahmen gegen Hitze, die laut Klimaanalyse des Regionalverbands Ruhr in Mülheim bis 2050 dramatisch ansteigen wird. Durchschnittlich 58 Sommertage mit mehr als 30 Grad stehen bevor – aktuell sind es nur etwa 40. Und auf Abkühlung wird man in der verdichteten Innenstadt und in Stadtteilzentren dank zunehmender Zahl an Tropennächten vergeblich hoffen – wenn nichts geschieht.
Was fehlt: ein umfassender Hitzeaktionsplan – und seine Umsetzung
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Ein umfassender Hitzeaktionsplan mit wirksamen regionalen Maßnahmen steht jedoch weiterhin aus und liegt derzeit in der Hand der „Zukunftsinitiative Klima Werk“, zu der 16 Emscher-Kommunen – darunter Mülheim – gehören. Die Idee dahinter: Statt dass sich jede Kommune mit eigenen Ressourcen an ein Konzept setzt, sollen Standards erarbeitet werden, die später allen zur Verfügung stehen.
Das soll zum einen Kosten sparen, zum anderen für mehr Qualität sorgen, die eine einzelne Kommune nicht leisten kann. Und Kooperationen stärken: „Klimaschutz macht ja nicht an der Stadtgrenze halt“, sagt Carolin Borgmann, Projektentwicklerin beim Klima Werk, das bei der Emschergenossenschaft angesiedelt ist. Auch wenn jede Kommune anders sei, könne man voneinander lernen, welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht.
Ein Maßnahmenkatalog sei in Arbeit und warte derzeit auf das Okay für eine Förderung aus EU- und Landesmitteln. Es soll etwa um Regenwassergewinnung, Verdunstung, Beschattung, Möglichkeiten, Wasser an die Oberfläche zu holen und mehr Grün in die Innenstädte zu bringen. Spätestens ab Winter – so rechnet Borgmann – wolle man in die konkrete Planung einsteigen. Angesetzt ist das geförderte Projekt auf drei Jahre.
Wie gemeinsames regionales Vorgehen schnelles kommunales Handeln bremst
Was allerdings ein schnelleres Vorgehen der einzelnen Kommune auch bremst: Denn beginnt eine Stadt mit einer Maßnahme, bevor der Plan erarbeitet ist – Borgmann nennt als Beispiel den Kommunikationskoffer, der den Hitzeschutz in vielen Sprachen vermitteln soll – ist sie aus einer möglichen Förderung raus. Und das gilt erst recht für kostspieligere Anpassungen wie Entsiegelungen oder oberirdische Bachläufe.
So hängt die Stadt von langwierigen Planungen und Fördermitteln ab, während die nächste Hitzewelle ganz sicher nicht lange auf sich warten lässt.