Mülheim. Eine Attacke auf die Mülheimer Müllabfuhr hat Entsetzen ausgelöst. Kein Einzelfall – auch andere Institutionen registrieren mehr Aggressionen.
- Im Mai war ein Mitarbeiter der MEG von einem Falschparker niedergeschlagen worden.
- Immer wieder komme es zu Debatten und Handgreiflichkeiten, wie MEG und Stadt bestätigen.
- Mit Seminaren und einem Meldesystem soll die Entwicklung gebremst werden.
Zwar liegt der tätliche Angriff auf einen Mitarbeiter der Mülheimer Entsorgungsgesellschaft mbH (MEG) im Mai nun schon gut einen Monat zurück, doch hohe Wellen geschlagen hat der Vorfall erst kürzlich: Vor knapp zwei Wochen hatte die MEG bekanntgemacht, dass einer ihrer Mitarbeiter bei einer außerordentlichen Abfuhrroute nach einem Feiertag von einem Anwohner nach einer Diskussion niedergeschlagen worden war. Auslöser war offenbar ein Auto, dass verbotenerweise die Wendemöglichkeit des Müllwagens versperrte. „Längst kein Einzelfall“, wie MEG-Sprecherin Jennifer Ebbers berichtet. „Wir beobachten seit geraumer Zeit einen negativen Trend.“
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Sicher, so wie in dem Fall aus dem Mai eskaliert die Lage nur selten – „zum Glück“, sagt Ebbers – „aber der Ton ist schon schärfer geworden und das schildern uns Kollegen aus sämtlichen Bereichen.“ Aus ihrer Sicht habe sich mit der Corona-Krise eine deutliche Zäsur entwickelt. „Seitdem beobachten wir das zunehmend.“ Gerade die Lader und Fahrer der Müllabfuhr berichteten immer wieder von Pöbeleien, aber auch beim Bürgerservice oder am Wertstoffhof komme es oft zu unsachlichen Debatten. „In vielen Fällen spielt Wut eine Rolle und der Konflikt lässt sich aus der Welt schaffen.“
Mülheimer Straßenreinigung: Sonnenblumenkerne vor die Füße spucken
Doch auch nonverbale Konflikte, um nicht zu sagen Respektlosigkeiten, gehören laut Jennifer Ebbers zum täglichen Brot der MEG-Mitarbeiter – in der Straßenreinigung etwa. „Es passiert häufig, dass Kinder und Jugendliche Sonnenblumenkerne essen und die Hülsen dann auf den Boden spucken. Teilweise direkt unserem Personal vor die Füße.“ Wie damit umgehen, ohne einen Streit auszulösen und gleichzeitig souverän zu bleiben? „Schwierig“, räumt Ebbers ein. „Aber wir bieten unseren Mitarbeitern Konfliktseminare an und die sind auch wirklich gefragt.“
Doch nicht alles scheint negativ oder anders gesagt: Es geht noch schlimmer. „Die Essener Kollegen müssen auf ihren Wertstoffhöfen teilweise mit Security arbeiten, aber so extrem ist es bei uns nicht.“ Und eines gibt die MEG-Sprecherin auch zu bedenken; „sicherlich sind unsere Mitarbeiter auch nicht in jeder Situation super freundlich, sie sind auch nur Menschen. Aber Respekt verdient jeder.“
Stadt Mülheim meldet hohen Anstieg der Beleidigungen
Offenbar sieht sich nicht nur die MEG-Belegschaft den zunehmend loseren Mundwerken einzelner Bürgerinnen und Bürger ausgesetzt – auch die Stadt erklärt auf Nachfrage, einen deutlichen Anstieg von Beleidigungen und Angriffen auf ihr Personal registriert zu haben. „Bei der Stadtverwaltung sind in 2023 insgesamt zwölf Fälle aktenkundig, davon neun Fälle im Ordnungsamt“, erklärt Stadtsprecherin Tanja Schwarze. In allen neun Fällen seien Strafanzeigen gegen die Bürgerinnen und Bürger gestellt worden, unter den Fällen des laufenden Jahres waren eine Körperverletzung und acht Beleidigungen.
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Vier weitere Fälle, darunter eine weitere Körperverletzung, seien noch in der schriftlichen Aufarbeitung. Beispiele, die noch harmlos seien, liefert die Stadtsprecherin gleich mit, etwa: „Du bist doch bescheuert und behindert im Kopf“ oder auch „Du beschissenes A...“. Beim Vergleich zum Vorjahr, damals waren es vier Verfahren, die laut Schwarze gesamtstädtisch zur Anzeige gebracht worden sind, wird ein enormer Anstieg deutlich. Das sei unter anderem auf ein neues Meldesystem zurückzuführen, das es so bislang noch nicht gab. „Die Stadt Mülheim an der Ruhr verfolgt eine Null-Toleranz-Strategie und hat daher ein gut zugängliches, einfaches Meldeverfahren eingeführt.“
Mülheimer Verwaltung will die Hemmschwelle für Personal senken
Immer noch komme es vor, dass manche Mitarbeitenden aus Schamgefühl zögerten, entsprechende Vorfälle zu melden. Aus Sorge, „als schwach oder empfindlich angesehen zu werden“. Mit dem Meldesystem soll diese Hemmschwelle sinken. „Jede einzelne Beleidigung ist eine zu viel und sie ist auch nicht durch eine empfundene Unzufriedenheit der Täter zu rechtfertigen“, sagt Tanja Schwarze.
Allein auf das Meldesystem wolle und könne man die gestiegenen Zahlen nicht zurückführen. Ursachen könnten durchaus auch in der gesellschaftlichen Entwicklung liegen: „Etwa ein steigendes Aggressionspotenzial und eine wachsende Respektlosigkeit gegenüber Einsatzkräften.“ Entsprechende Auswertungen hierzu liefen derzeit noch.
Florian Lappe, Pressesprecher der Feuerwehr erklärt auf Nachfrage, dass es „in geringer Zahl“ zu Beleidigungen und selten auch zu tätlichen Angriffen kommt – wie etwa in der Silvesternacht, als eine Person einen Sanitäter anspuckte. „Aber so etwas wird aufgenommen und dokumentiert“, so Lappe.