Mülheim. Das Museum hatte die Bürger gefragt, wie viel Bauhaus in Mülheim steckt. Das Ergebnis ist eine sehenswerte Ausstellung mit einer Überraschung.
Anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Bauhauses fragte das Kunstmuseum keck, wie viel dieser wegweisenden Schule für Architektur und Design steckt in Mülheim? Und siehe da, eine ganze Menge. Auf den Aufruf des Museums meldeten sich gut 30 Haushalte, die bereit sind, über 50 Exponate als Leihgaben zur Verfügung zu stellen.
Dabei erwies sich der Zufall als wunderbarer Ausstellungskurator, denn Dopplungen gab es kaum und wie durch Zauberhand fügen sich alle Stücke zu einer Werkschau, die in idealer Weise das breite Spektrum des Bauhauses repräsentiert. Mit dieser guten Resonanz hat Museumschefin Beate Reese nicht gerechnet. „Es kann ein Weg sein, die Bindung zwischen Museum und Publikum zu stärken.“
Originale statt günstige Neubauten
Auch die Qualität stimmt, da es sich bei den Exponaten um Re-Editionen handelt und nicht um günstige Nachbauten. So ist beispielsweise das gekreuzte Stuhlbein des Barcelona-Stuhls aus einem Stück und nicht aus zwei Komponenten zusammen geschraubt. Bauhaus, so stellt Reese fest, ist weiterhin populär und im Alltag gegenwärtig. Allerdings boomte es erst nach dem Ersten Weltkrieg.
Ursprünglich waren Entwürfe oft zu kühn für eine technische Umsetzung, die dann auch erschwinglich gewesen wäre. Später war das Bauhaus politischem Druck von Rechts ausgesetzt. Die Entwicklung zeichnet in der Ausstellung eine 45-minütige Dokumentation nach. Der Durchbruch kam dann mit der Kooperation mit großen Firmen wie WMF, Rosendahl und Braun.
Frauen bekommen Aufmerksamkeit
Zu sehen sind in der Ausstellung Möbel, Geschirr, Spielzeug und Schmuck. Von Walter Gropius, dem Bauhaus-Gründer, stammt das Tee-Service mit dem charakteristisch seitlich angebrachten Karabiner-Griff. Da seht Bekanntes wie der Wassily-Chair von Marcel Breuer, der nicht wie oft vermutet wird, damit Kandinsky eine Referenz erweist, und die Wagenfeld-Leuchte neben weniger Bekanntem. Auch die Frauen am Bauhaus, denen im Jubiläumsjahr endlich die ihnen gebührende Aufmerksamkeit geschenkt wird, sind in der Ausstellung gut vertreten.
Nicht nur Privatpersonen lieferten, auch städtische Stellen. Aus dem Stadtarchiv kamen Fotos von Lampen, die ursprünglich in der Stadthalle hingen, im Krieg aber zerstört und durch andere ersetzt wurden. Mit zwei Gebäuden, am Steinknappen und am Schultenberg, ist mit Emanuel Lindner ein Schüler von Mies van der Rohe im Stadtbild vertreten.
Musterhaussiedlung geplant
Eine besondere Überraschung kam allerdings aus dem Baudezernat von Klaus Beisiegel. So war Ende der 20er-Jahre vom Werkbund, der inhaltlich und personell Wegbereiter für das Bauhaus ist, eine Musterhaussiedlung mit 20 Gebäuden im Forstbachtal geplant. Neun anerkannte Architekten hatten Entwürfe im Stil des „Neuen Bauens“ erarbeitet, die an die zwei Jahre zuvor in Stuttgart realisierte Weißhofsiedlung anknüpften. Die Pläne schienen vielversprechend, aber die Weltwirtschaftskrise verhinderte eine Realisierung. Beisiegel hält am Mittwoch, 26. Juni, um 18 Uhr dazu im Museum Temporär einen Vortrag.
Ganz begeistert zeigt sich Reese von Toni Koys Bernsteinschmuck, einer Pionierin der Goldschmiedekunst, die 1921 in Königsberg eine Werkstatt eröffnete und dem Werkbund angehörte. Jedes Stück ist ein formschönes Unikat.
Schachspiel mit abstrakten Figuren
Eines der erfolgreichsten Bauhaus-Produkte ist das Schachspiel von Joseph Hartwig, der in den frühen 20er-Jahren Werkmeister war. „Die Produkte sollten praktisch, haltbar und schön sein“, erklärt Reese. Die abstrakten Spielfiguren verweisen in ihren geometrischen Formen auf ihre Bewegungsrichtung. Der Läufer erscheint als kreuzförmiger Zylinder und der Springer spiegelt das Hakenschlagen des Zuges wider. Da Schach die geistigen Fähigkeiten schärft, erschien Hartwig eine Abstraktion der Form geradezu zwingend.
Reproduktionen von Werken von Kandinsky, Lyonel Feininger und Josef Albers, die als Meister in Dessau wirkten, schlagen den Bogen zum Bestand der Sammlung. Besonders passend ist es, dass viele Leihgeber bereit waren, die Objekte von Walter Schernstein in ihren Wohnungen fotografieren zu lassen, wo sie ganz anders wirken als aufgereiht in der Ausstellung, wo die Präsentation dann doch einen Warenhauscharakter hat.
>>>Begleitprogramm mit Führungen und Vorträgen
Die Ausstellung ist ab sofort im Museum Temporär an der Schloßstraße 28-30 zu sehen. Der Eintritt ist frei. Erste Führung am Sonntag, 19. Mai, um 16.30 Uhr (3 Euro/ 1,50 Euro).
Michael Kuhlemann, Kurator der Sammlung Ziegler, spricht am Donnerstag, 4. Juli, um 18 Uhr über Lyonel Feininger und die anderen Maler am Bauhaus.