Mülheim. . Premiere in Mülheim: Das Stück „Gespenster“ von Henrik Ibsen thematisiert das Wagnis der Freiheit. Simone Thoma inszeniert am Theater an der Ruhr.

Nora, Hedda Gabler, Helene Alving – Henrik Ibsen hat viele starke Frauenfiguren geschaffen, die alle mit ihrer Rolle in der Ehe und Gesellschaft in unterschiedlicher Weise unzufrieden sind und aufbegehren. Alving in „Gespenster“ ist gesellschaftlich angesehen, aber tatsächlich ein Wüstling, der seine Frau nicht nur betrügt, sondern vor ihren Augen auch den gemeinsamen Sohn Osvald missbraucht. Helene (Petra von der Beek) bleibt nicht tatenlos, wendet sich an Pastor Manders, „doch gerät sie bei ihm an den Falschen“, wie Markus Schlappig bedauert. Dieser Schritt aber ist für ein Stück aus dem Jahr 1881 extrem modern und emanzipatorisch. „Sie entscheidet sich für die Freiheit und gegen die Sicherheit, die ihr die bürgerliche Existenz bietet“, betont er.

Theaterstück über starke Frauen am Frauentag

Sie hat die Chuzpe, alles aufs Spiel zu setzen. Doch dieser selbstgefällige Manders (Klaus Herzog), dem sie wohl auch emotional zuneigt, ist noch allzu sehr in Konventionen verhaftet, drängt sie dazu, ihre „überspannten Pläne“ fallen zu lassen und weiterhin die bürgerliche Fassade zu wahren.

Dass das Theater an der Ruhr, die Gespenster am internationalen Frauentag auf den Spielplan setzt, ist kein Zufall, sondern beabsichtigt. Mit der Regine (Dagmar Geppert) gibt es in den Gespenstern noch eine zweite progressive Frauenrolle, der als reale Utopie der Ausbruch aus den Zwängen gelingt. Auch wenn es seit 100 Jahren ein Frauenwahlrecht gibt, die Werbung Frauen längst als Zielgruppe entdeckt hat, ist für Schlappig die Gleichberechtigung der Frau noch längst nicht realisiert. Man muss nur in die Führungsetagen schauen, nicht nur in die der Banken und Regierungen, sondern auch die der Theater. Es gibt nur wenige Frauen, die Theater leiten und inszenieren.

Der 51-Jährige ist ein alter Bekannter. Als er in den 90er Jahren Theaterwissenschaften in Bochum studierte, absolvierte er am Raffelberg eine einjährige Regiehospitanz. „Das hat mir so gut gefallen, dass ich nicht an die Uni zurück wollte“, erinnert er sich. Doch es gab keine Stelle. Kurzentschlossen wollte er nach Südafrika auswandern und tauchte in Kapstadt in die Theaterszene ein. „Dort gibt es einiges von Interesse.“

Ciulli ist für Schlappig charismatische Persönlichkeit

Das Theater am Raffelberg ging ihm nicht aus dem Sinn. „So einen konzentrierten, intensiven und offenen Probenprozess habe ich vorher und auch seitdem nicht erlebt“, schwärmt Schlappig. In der schöpferischen Phase könne lange alles ohne Wertung probiert werden, bis dann ausgewählt werde. „Es ist eine spielende Suche, gepaart mit analytischen Erkenntnissen und einer gesellschaftlichen Verantwortung, was mich damals begeisterte“, erinnert er sich. Außerdem sei Roberto Ciulli eine extrem charismatische Persönlichkeit und gebe es am Haus durch die familienähnliche Struktur ein ganz hohes Maß an Verbindlichkeit. Man springe nicht reflexhaft auf inhaltliche, ästhetische oder politische Trends, sondern das Theater stehe mit einer progressiven Haltung in der humanistischen Tradition. Die Form ergebe sich aus dem Inhalt, lautet sein Credo. Man könne nicht, was so oft passiert, ein Regiekonzept über einen Text stülpen.

In der nächsten Spielzeit inszeniert Schlappig selbst

So kam Schlappig 1998 alsbald an den Raffelberg zurück, war zunächst verantwortlich für die Requisite und wurde dann für sieben Jahre Ciullis Assistent. Damals betreute er als Hospitanten unter anderem Fabian Lettow (Kainkollektiv), Alexander Kerlin (Dramaturg in Dortmund) und Esther Hattenbach (die im vergangenen Jahr am Raffelberg „Die Marquise von O.“ inszenierte). Aber er wollte selbst inszenieren, ging schließlich nach München, wo er für acht Jahre die künstlerische Leitung des Theaters „Halle 7“ übernahm, das sich auf die Produktion deutscher Gegenwartsdramatik spezialisiert hatte.

Nach 12 Jahren Schweigen entstand zufällig erneut ein Kontakt zu Roberto Ciulli, der zur Premiere von Schlappigs Stück „Groß ist die Verwirrung unter dem Himmel – die Lage ist ausgezeichnet“ kam. Jetzt assistiert er Simone Thoma. In der nächsten Spielzeit inszeniert er selbst. „In den Gespenstern geht eine Saat auf, die in Heilig Abend schon angelegt war“, freut er sich.

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„Gespenster“ ist die vierte Regiearbeit von Simone Thoma, die seit Mitte der 1990er Jahre am Theater an der Ruhr als Schauspielerin engagiert ist. „Traumnovelle“, „Glasmenagerie“ und „Heilig Abend“ sind die anderen.

Man merkt, dass sie vom Schauspiel kommt, denn mit einem Röntgenblick geht sie den Figuren auf den Grund. Premiere ist am Freitag, 8. März, 19.30 Uhr. Weitere Termine: 17., 24. und 29. März, 599 01 88.