Mülheim . Mit der Premiere von Woody Allens „Tod“ beginnt die Spielzeit am Raffelberg. Simone Thoma legt mit „Heilig Abend“ von Daniel Kehlmann nach.

  • Kehlmann beschreibt ein verbales Duell: Ein Polizist verhört eine Philosophieprofessorin unter Verdacht
  • In Woody Allens „Tod“ geht es auf komödiantische Weise um eine Bürgerwehr
  • Neu sind im Theatersaal auch die Stühle. Sie sind bequem und ermöglichen neue Spielsituationen

Thematisch gibt es zwischen den beiden Premieren, die im Abstand von nur einer Woche am Theater an der Ruhr präsentiert werden, eine thematische Klammer: Angst vor dem Terror, das Gewaltmonopol des Staates und die Einschränkung der persönlichen Freiheit.

Der Charakter der beiden Abende freilich ist ein komplett anderer. Eine Komödie, die sich aus dem jüdischen Humors speist und mit Leichtigkeit den Finger in die Wunde legt, ist am morgigen Freitag mit Woody Allens „Tod“ zu erwarten, ein spannendes Duell in einer klassischen Verhörsituation eine Woche später bei Daniel Kehlmanns „Heilig Abend“.

Eine stille, weitere Premiere, kann jeder Zuschauer für sich feiern. Dank einer neuen Bestuhlung – die Klappstühle gewähren auch großen Besuchern mehr Beinfreiheit – ist nach über 20 Jahren wieder ein bequemerer Theaterbesuch möglich. Dass die neue Bestuhlung andere Spielsituationen ermöglicht, wird bei „Heilig Abend“ erstmals erkennbar. Wie die Geschworenen einer Gerichtsverhandlung sitzen dann die Zuschauer U-förmig um die Spielfläche, kündigt Regisseurin Simone Thoma an.

Protagonisten tragen biblische Namen

Kehlmann, der vor allem als Romanautor („Die Vermessung der Welt“) bekannt ist, lässt in „Heilig Abend“ in 90 Minuten Echtzeit einen Polizisten und eine Philosophieprofessorin, die verdächtigt wird, einen Anschlag zu planen, aufeinanderprallen. Sie tragen biblische Namen: Thomas, der ungläubige Apostel (Steffen Reuber) und Judith, die mit dem Mord des Holofernes das jüdische Volk befreit hat (Dagmar Geppert). Psychologisch ist das gut geführt, sie streitet ab, er versucht es mit Druck, einem Flirt und mit Verstand, die Ex-Partner kommen zur Sprache. Mal übernimmt sie das Heft, dann gesteht sie, was er nicht glaubt und Fakten fordert, die sie nicht liefern kann. Einen Sieger hat dieses Duell gegen die Zeit nicht.

Es gibt Verweise auf Frantz Fanon („Die Verdammten der Erde“), der Gewalt vor dem Hintergrund des Kolonialismus rechtfertigt und Plato („Besser Unrecht leiden als Unrecht tun“). „Kehlmann hat die Gabe, Figuren tiefgründig und vielschichtig zu skizzieren, sie wirken voll und satt und sind ein Fressen für das Theater“, freut sich Simone Thoma. Aber sie schwanken zwischen Fakten und Fiktion. An einer Stelle fragt Thomas: „Gibt es uns wirklich?“ Können wir wirklich einen Menschen durchschauen, ergründen, wie ein anderer tickt oder sind wir doch Fälschungen unserer selbst? In den Facetten der Figuren könne sich jeder wiedererkennen. „Wir sind Bekannte dieser Figuren“, sagt sie.

Eine kafkaeske Situation im Allen-Stück

Die Zeit spielt auch bei Woody Allen eine Rolle. Nachts um halb Drei klingeln drei Männer bei Kleinmann (Albert Bork) und fordern ihn auf, sich einer Bürgerwehr anzuschließen. Eine kafkaeske Situation. Die Bürgerwehr ist nötig, weil es der Polizei nicht gelingt, einen Serienmörder zu fassen.

Es gibt einen Plan, doch der ist geheim, jeder soll nur einen Teil kennen, damit der Gesamtplan nicht in die Hände des Wahnsinnigen gerät. Kleinmann begegnet mehreren Personen, die ihm alle nicht sagen können, was er zu tun hat. Schließlich splittert sich die Bürgerwehr auf und bekämpft sich gegenseitig. In Düsseldorf war die Gründung einer Bürgerwehr noch vor einem Jahr Thema, in anderen Städten wurde sie Realität. Allen hat das vor 40 Jahren geschriebene Stück selbst verfilmt. „Schatten und Nebel“ erinnert an Fritz Langs „M“ (1931), auch da wird die Masse mobilisiert – eine Vorahnung des Faschismus. Dass Roberto Ciulli in einer Szene mit Hitlerbärtchen auftritt, verwundert da nicht.

>>> KARTEN UND TERMINE

„Tod“ von Woody Allen wird am Freitag, 16. September, 19.30 Uhr, im Theater an der Ruhr, Akazienallee, gezeigt. Am Samstag um 19.30 Uhr ist „Gott“ von Woody Allen in einer Neubesetzung zu erleben. Die Rolle von Reinhard Firchow, der seit 35 den Autor spielt, übernimmt Fabio Mendenz. Ab 18 Uhr lesen Prominente aus Allens Prosa.

Karten (23,50/9, Premiere 28/13 Euro): 599 01 88