Moers. Im Gewerbegebiet Moers-Genend soll ein alevitisches Kulturzentrum entstehen. Anwohner und Unternehmer zeigen sich aus mehreren Gründen empört.

Hitzige Diskussionen ist Konrad Göke gewohnt. Bei dem Bürgergespräch im Gewerbegebiet Genend kam der Vorsitzende des Sozialausschusses dennoch an seine Grenzen. Zu der Debatte hatte der SPD-Ratsherr am Dienstagnachmittag gemeinsam mit seiner Parteikollegin Ursula Elsenbruch geladen. Ziel war es, Antworten der Moerser Stadtverwaltung auf Fragen rund um den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete sowie die Pläne eines alevitischen Kulturzentrums vorzutragen. Doch dazu kamen Göke und Elsenbruch im Verlauf des zweistündigen Gesprächs nicht.

Zu groß ist der Frust unter den Anwohnerinnen und Gewerbetreibenden. Vor allem das geplante Kulturzentrum für den Alevitischen Kulturverein Moers erhitzt die Gemüter in Genend. Einer ersten Klage gegen den Neubau ist stattgegeben worden, da Totenwaschungen in einem Gewerbegebiet nicht zulässig sind. Dennoch sei das Bauvorhaben nach der Veränderung der Nutzung „voraussichtlich“ genehmigungsfähig, so die Stadtverwaltung.

Alevitisches Kulturzentrum in Moers soll Anlaufstelle werden

Derzeit werde eine Vorlage für den Bauantrag für ein Vereinshaus erstellt. Das Zentrum soll als Anlaufstelle für Kinder- und Jugendbetreuung und Hausaufgabenhilfe, Tanz- und Musikkurse, Frauentreffs, Jugendtreffs und Seniorentreffs sowie religiöse Veranstaltungen zu hohen alevitischen Feiertagen fungieren.

Weitere aktuelle Nachrichten aus Moers, Kamp-Lintfort und Neukirchen-Vluyn:

Unter den mehr als 50 Anliegerinnen und interessierten Bürger, die der Diskussion beigewohnt haben, gibt es mehrere Stimmen, die den Verzicht der Stadt auf Gewerbesteuereinnahmen mit Blick auf die Haushaltskrise kritisch sehen. Die meisten der Teilnehmenden befürchten zudem Einschränkungen für ihren Alltag. Neben Sorge um eine mögliche Lärmbelästigung durch Großveranstaltungen, ist es besonders die Verkehrssituation im Gewerbegebiet, welche die Anwesenden umtreibt.

„Wenn wir noch mehr zugeparkt werden als jetzt schon, dann kommt unser Betrieb irgendwann zum Erliegen“, lautet das drastische Urteil eines Unternehmers. Nicht nur er berichtet von immer wieder kehrendem Verkehrs- und Parkplatzchaos. Dieses trete vor allem zur Stoßzeit des Freitagsgebets in der bereits bestehenden Moschee in der Raiffeisenstraße auf.

Gewerbegebiet in Moers: Zugeparkte Kreuzungsbereiche und Einfahrten

Willi Roggenkamp hat diesen Vorgang über mehrere Monate mit Handyfotos dokumentiert. Seine Aufnahmen zeigen zugeparkte Kreuzungsbereiche und Einfahrten zu Firmengelände. „Und das Ordnungsamt verteilt keine Knöllchen, das ist schon der Hammer“, sagt der Leiter eines Hausmeisterservice-Betriebs. Er habe die städtische Behörde über die Situation informiert. Das Ergebnis: Bei Kontrollen zwischen Dezember und Februar zu den Stoßzeiten am Freitag wurden „keine bzw. max. bis zu maximal 5 Verwarnungen ausgestellt. Die Kontrollen werden zukünftig monatlich fortgeführt“, heißt es in einer Antwort der Stadt. Auch der Polizei seien keine Auffälligkeiten auf der Raiffeisenstraße bekannt.

Konrad Göke und Ursula Elsenbruch beim Bürgergespräch in Moers.
Konrad Göke und Ursula Elsenbruch beim Bürgergespräch in Moers. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Roggenkamp schildert, dass sich die frustrierten Anlieger vor allem durch mangelnde Kommunikation durch die Stadt übergangen fühlten: „Wir hätten uns gewünscht, wenn ein bezahltes Mitglied der Verwaltungsspitze zum Bürgergespräch gekommen wäre.“

Versammlung in Moers: Teilnehmer ruft zum Protest auf

So waren es die Ratsmitglieder Elsenbruch und Göke, die sich dem blanken Zorn der Anwesenden stellen mussten. Freilich keine einfache Aufgabe, immer wieder fielen Gesprächsteilnehmer sich gegenseitig ins Wort und riefen Unmutsbekundungen aus. Die Ratsmitglieder stellten in Aussicht, sie wollten mit dem Kulturverein über an die Bedürfnisse der Anwohnerinnen und Unternehmer angepasste Öffnungszeiten diskutieren. „Ich will keinen Kompromiss. Ich will nur wissen, wie wir das Zentrum stoppen können“, lautete eine der Reaktionen. Ein anderer Unternehmer rief sogar zu Protestaktionen vor dem Rathaus auf. Mehr als einmal winkte Göke nach einem erfolglosen Versuch, die Antworten der Stadt vorzutragen, sichtlich frustriert ab.

Ich will keinen Kompromiss. Ich will nur wissen, wie wir das Zentrum stoppen können.
Ein Teilnehmer beim Bürgergespräch

Dabei finden sich durchaus gehaltvolle Informationen in dem mehrseitigen Ausdruck. Beispielsweise zur Unterbringung von Geflüchteten in Moers, die im Laufe des Bürgergesprächs maximal eine untergeordnete Rolle spielte. In der jüngsten Sitzung des Bauausschusses ist bereits ein Sachstandsbericht zur Unterkunft an der Carl-Zeiss-/Otto-Lilienthal-Straße in Genend vorgelegt worden. Darin heißt es, der bereits laufende dreigeschossige Neubau von zwei Gebäuden in Modulbauweise wird Mitte dieses Jahres – und damit ein halbes Jahr später als ursprünglich geplant – abgeschlossen.

Flüchtlingsunterkunft in Moers: Kosten sind gestiegen

Zudem wird die Unterkunft durch gestiegene Baukosten teurer als zuvor kalkuliert. Aktueller rechnet die Verwaltung mit Kosten von rund 13 Millionen Euro, noch vor etwa einem Jahr waren 10,3 Millionen eingeplant worden. Sobald die Unterkunft in Betrieb genommen ist, plant die Stadt, „die direkt angrenzenden Straßenbereiche mit einem absoluten Halteverbot für Lkw zu versehen.“ Zudem solle für neue Stellflächen gesorgt werden.

Zusätzlich zum Neubau in Genend soll nach Angaben der Stadt auf Anfrage Gökes eine Unterkunft für maximal 100 Personen in der Stormstraße in Repelen „als Puffer“ entstehen. Dafür soll das Gebäude hinter der SCI-Schule, das bereits zwischen 2016 und 2017 von Geflüchteten bezogen wurde, bis zum dritten Quartal 2024 ertüchtigt werden.