Moers. Sollten städtische Gebäude an Parteien und damit auch an die AfD vermietet werden? Darüber diskutierte der Rat in Moers – teils sehr emotional.
Die Diskussion über die Nutzung städtischer Räume für politische Veranstaltungen hat am Donnerstagabend zu einem verbalen Schlagabtausch im Rat der Stadt geführt. Ursprünglich ging es darum zu entscheiden, ob städtische Räume überhaupt noch an politische Parteien vermietet werden sollten, und wie überdies verhindert werden kann, dass ebendiese Räume für Veranstaltungen mit sexistischen, rassistischen, antisemitischen, extremistischen oder sonstigen menschenverachtenden Tendenzen vermietet werden.
Das Ergebnis der Debatte: Die an Schulen angegliederten größeren Räumlichkeiten, z. B. das Kulturzentrum Rheinkamp oder Aulen, dürfen in Zukunft nicht mehr von Parteien genutzt werden. Übrige städtische Räumlichkeiten, wie auch das Alte Landratsamt, stehen hingegen für politische Institutionen weiterhin zur Verfügung. Gänzlich ausgeschlossen ist die Überlassung der Räume an Dritte für „Veranstaltungen mit sexistischen, rassistischen, antisemitischen, extremistischen oder sonstigen menschenfeindlichen Tendenzen“.
Dass es im Moerser Rat Diskussionen geben würde, war erwartbar
Ein Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen, war der Unmut in Politik und Stadtgesellschaft, dass ausgerechnet Räume im Alten Landratsamt an die AfD-Fraktion vermietet worden sind. Das Gebäude fungierte von 1933 bis 1945 als regionale Machtzentrale der Nationalsozialisten, heute beherbergt es unter anderem eine Dauerausstellung zur Demokratiegeschichte und jüdischem Leben.
Inhaltlich eingebracht hatten sich im Vorfeld der Sitzung die SPD-Fraktion und die Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen. Die Sozialdemokraten verfolgten den Ansatz, nicht nur Schule als „parteipolitisch neutralen Raum“ zu betrachten, sondern auch die schulischen Liegenschaften. Die Grünen hatten beantragt, bei der Überlassung von kommunalen Bildungsorten weitergehende Regeln einzuführen. Auch sie wollten eine Nutzung von Räumen der Eigenbetriebe Bildung für verunglimpfenden und diskriminierenden Veranstaltungen ausgeschlossen wissen. Gemäß dem Grundsatz der Gleichbehandlung sollte in städtischen Räumen keine politische Veranstaltung genehmigt werden. Radikal, aber notwendig. Denn: Nur der AfD die Nutzung der Räume zu verwehren, ist laut Statuten eben nicht möglich.
Die Anliegen der beiden Fraktionen hatte die Stadt schließlich für eine Beschlussfassung gebündelt.
SPD wirbt für Toleranz und Völkerverständigung
Dass das Thema im Stadtrat polarisieren würde, war erwartbar. Immerhin sind drei Herren des Gremiums entweder AfD-Partei-Mitglied oder Teil der früheren AfD-Fraktion, die sich nach dem kürzlichen Austritt der beiden Mitglieder aus der Partei nun Freie Fraktion Moers nennt.
Seit dem Anlass der Diskussion ist viel passiert. Nicht zuletzt haben die Correctiv-Recherchen die menschenverachtenden „Remigrations-Pläne“ des Potsdamer Treffens von Rechtsextremen offengelegt. In ganz Deutschland sind Hunderttausende auf die Straße gegangen, um gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Es wird über AfD-Verbotsverfahren diskutiert.
„Wir wollen nicht, dass antidemokratische Kräfte, die AfD und ihre Neuorganisationen in Moers unsere Institutionen, unsere Einrichtungen zur demokratischen Bildung nutzen, um sie zu beschädigen, zu verhöhnen“, sagte Gudrun Tersteegen (Grüne) in der Sitzung des Stadtrates. Sie warb darum, zum Schutz der demokratischen Institutionen auf städtische Räume zu verzichten und stattdessen öffentliche, gewerbliche oder private Räume zu nutzen.
Diesem Vorschlag mochte die Mehrheit allerdings nicht folgen. „Wir lassen uns von rechts nicht vertreiben“, verkündete beispielsweise Claus Peter Küster (Die Grafschafter), überall dort, wo „der braune Anteil der politischen Gesellschaft auftaucht, müssen wir auch sein.“ Auch dem CDU-Fraktionsvorsitzenden Michael Gawlik ging es zu weit, wenn die demokratischen Parteien keine städtischen Räume mehr nutzen würden. Er distanzierte sich zudem von der AfD, die in ihren Reihen „Menschen mit einem fürchterlichen Bild anderen Menschen gegenüber versammelt“.
Einen großen Raum der an Bundestagsdebatten erinnernden Diskussion nahm der strittige Austausch über die grundsätzliche politische Ausrichtung ein. Dabei gerieten die ehemaligen AfD-Vertreter der Freien Fraktion Moers und das Einzelratsmitglied mit dem Rest des Gremiums aneinander. Der Ton wurde zum Teil sehr harsch.
An einer Stelle sah sich Jan Dieren (SPD, Bundestagsabgeordneter) gezwungen, das Wort zu ergreifen. Er verwies die besagten drei Herren unter Beifall im Ratssaal wortgewaltig in ihre Schranken und erinnerte eindrucksvoll an die menschenverachtenden Inhalte aus dem Treffen in Potsdam. Und auch Marc Rosendahl (SPD) betonte, dass die Vertreterinnen und Vertreter der demokratischen Parteien auf der Grundlage der freiheitlich demokratischen Grundordnung streiten und sagte in Richtung AfD: „Wir stehen hier für Toleranz und müssen es danach aushalten, dass Meinungen geäußert werden, die wir zutiefst ablehnen.“
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