Kamp-Lintfort. Sieben Jahre gehörte Jürgen Preuß als Fraktionschef der Kamp-Lintforter SPD zu den Mächtigen der Stadt. Warum er das Amt aufgegeben hat.

Das Jahr 2023 hat für die Kamp-Lintforter Sozialdemokraten mit einer Überraschung begonnen. Ihre Fraktion im Stadtrat hat seit dem 1. Januar keinen Vorsitzenden mehr. Jürgen Preuß hat den Posten nach sieben Jahren im Amt niedergelegt. Über seine Nachfolge bestimmt die Fraktion am Montag in einer Woche.

Dass eine SPD-Fraktion im Stadtrat eine eigene Mehrheit hat und sich nicht mit politischen Partnern rumquälen muss, war früher in der Bergbau- und Montanregion nichts Ungewöhnliches. Inzwischen ist es das durchaus. Die Landespartei bestätigt auf Anfrage: Die Kamp-Lintforter Genossen bilden eine von nur drei Ratsfraktionen in ganz NRW (neben Niederzissen und Gevelsberg), die allein regieren. Als deren Vorsitzender gehörte Jürgen Preuß demnach zu den einflussreichsten Männern in der Hochschulstadt. Und ausgerechnet dieses Amt gibt der fast 60-Jährige nun auf?

Den Begriff „mürbe“ benutzt Jürgen Preuß nicht, aber er sagt: „Jetzt ist genug.“

Preuß benutzt selber nicht den Begriff „mürbe“, aber wer ihn über seinen Verzicht reden hört, merkt ihm an, dass die letzten Jahre herausfordernd gewesen sind und es „jetzt genug ist“, wie er formuliert. Sich in der Coronakrise nicht mehr „richtig“, sondern nur virtuell treffen zu können und via Bildschirm die politische Meinungsbildung und Entscheidungen zu organisieren, habe ihn sehr angestrengt. Im Urlaub nahezu täglich in Sachen Kommunalpolitik zu telefonieren, sei für einen Vorsitzenden der Mehrheitsfraktion auch selbstverständlich.

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Jürgen Preuß beklagt sich nicht darüber, zeigt sich auch stolz über die Entwicklung seiner Stadt nach der Zechenschließung. Aber: „Mir ist klar geworden, dass meine Leidenschaft für mein Amt gesunken ist.“ Wer den Fraktionsvorsitz übernimmt, müsse wegen der nächsten Kommunalwahlen „jetzt Vollgas geben“, fordert Preuß. „Kann ich das noch“, habe er sich gefragt. Die Antwort ist bekannt. Es gebe im Übrigen einen privaten Grund für seinen Entschluss, so Preuß: 20 Jahre habe seine Frau sein Ehrenamt gestützt. Nun wolle er seinen Beitrag leisten, da Mutter und Schwiegermutter mehr Unterstützung bräuchten.

Verkehrswende und Bahnanschluss als wichtigste politische Aufgaben

Die wichtigsten Aufgaben der Kamp-Lintforter Politik seien die Verkehrswende und der Bahnanschluss, so der Sozialdemokrat. Sein Ratsmandat will er behalten und sich weiter im Kreistag engagieren. Aber Ambitionen auf ein politisches Amt hat er tatsächlich nicht mehr? „Nein“, sagt Jürgen Preuß. Und schiebt nach: „Jetzt nicht.“ Vielleicht ergebe sich etwas – irgendwann.