Kamp-Lintfort. Krieg, Corona, Klima, Energiekosten, Inflation: Wer bucht da Urlaub? Und ist das politisch korrekt? Ja, findet Necip Söylemis von Artz-Reisen.

Krisen, wohin man schaut, zugeknöpfte Geldbeutel und bange Blicke in die Zukunft. Macht Tourismus da noch Spaß und kann man überhaupt noch guten Gewissens verreisen?, fragte Redakteurin Karen Kliem den Geschäftsführer von Artz-Reisen in Kamp-Lintfort, Necip Söylemis.

NRZ: Herr Söylemis, Krieg, Corona, Klima, Energiekosten, Inflation – Macht Touristik da noch Spaß?

Söylemis: (die Antwort kommt spontan) Ja! (Pause) Tourismus ist so vieles, nicht nur die Fernreise. Es ist die Wanderreise in Österreich, ein Wellness-Wochenende in der Nachbarschaft – Es ist vor allem eins: Leben. Und Genießen. Und das brauchen die Menschen.

Im Sommer hatte sich die Reisebranche einigermaßen von den Folgen der Pandemie erholt, hieß. Gilt das jetzt auch für das Weihnachts- und Neujahrsgeschäft noch?

Das Weihnachtsgeschäft ist in der Tat etwas verhaltener. Aber ich habe auch nie gesagt, dass wir auf einem Niveau von Zeiten vor Corona waren. Es hat eine Verdoppelung von 2021 auf 22 gegeben, ja, aber das waren immer noch nur 70 Prozent der Buchungen von 2019.

Es hat Gewinner und Verlierer in dieser Zeit gegeben. Gewinner waren eindeutig die, die mit Camping zu tun hatten. Betreiber von Plätzen, Vermieter von Wohnmobilen. Hier brummt das Geschäft. Auch Griechenland hat richtig zugelegt. Das lag daran, dass hier die Coronaregeln früh und klar kommuniziert worden sind. Jetzt kurzfristig für Weihnachten noch was zu finden, dürfte allerdings trotzdem schwer sein - oder richtig teuer.

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Setzen sich steigende Preise jetzt schon durch oder kommt das erst im Sommer?

Nein, die setzen sich im Großen und Ganzen noch nicht krass durch. Die Fluggesellschaften fliegen weniger, bei den Hotels geht es um die Mehrkosten bei der Verpflegung. Das Hauptproblem wird eher grundsätzlich die Verknappung – an Flügen, an Kreuzfahrten, vor allem an Personal. Es gibt Hotels, die wir gerne an der Ostsee buchen, die nicht mehr sieben Tage komplett Halbpension anbieten, sondern samstags und sonntags nur Frühstück. Das ist in jedem Reiseland anders. Ich denke, derzeit kann man mit etwa fünf bis zehn Prozent mehr Ausgaben rechen. Wer eine Reise plant, sollte möglichst früh buchen. Wer weiß, was noch kommt. Derzeit etwa kosten 14 Tage Mallorca in einem ordentlichen Hotel im Frühjahr 1980 Euro statt vor einem Jahr 1785. Das ist ja noch einigermaßen überschaubar.

Gibt es ein verändertes Buchungsverhalten bei ihrer Kundschaft zu beobachten? Sind die Kunden zögerlicher, buchen sie billiger, buchen sie andere Ziele als sonst?

Die Leute wollen trotzdem reisen. Vielleicht eben nur ein- oder zwei Mal im Jahr und nicht vier Mal. Da fällt dann halt die Kegeltour aus, oder die Busreise zum Aachener Weihnachtsmarkt. Städtereisen werden auch weniger gebucht, aber dafür bleiben die Leute länger. Etwa, weil ein Flug nach London sich sonst nicht lohnt.

Necip Söylemis, Geschäftsführer von Artz-Reisen in Kamp-Lintfort
Necip Söylemis, Geschäftsführer von Artz-Reisen in Kamp-Lintfort © Martin Emmerichs

Müssen sich Normalverdiener grundsätzlich darauf einstellen, mehr Urlaub auf Balkonien zu machen oder auf Wandern in der Eifel statt Party auf Mallorca?

Das Wandern in der Eifel wird ja auch teurer. Es sind gewisse Reiseländer, die jetzt im Vergleich wegen niedriger Lohnkosten tatsächlich günstig sind. Dazu zählen Ägypten, aber auch Thailand, Indonesien oder Bali.

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Eine persönliche Frage: Ist Skifahren auf künstlich beschneiten Pisten oder eine Reise in die Karibik angesichts der Energiekrise überhaupt noch vertretbar?

Natürlich. Wir können genauso gut darüber reden, dass mehr Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer müssen oder wir unseren Müll besser trennen. Es geht um die Erde und wie wir damit umgehen. Und da rede ich über den Over-Tourism, der ja zum Beispiel gerade Mallorca betrifft, wenn zu viele Menschen auf eine Insel strömen. Wir sollten bewusster reisen. Ich war gerade eine Woche auf Sansibar. Ein Paradies und eine gute Alternative zur Karibik, finde ich.

Waren Ihre Kunden vom Flughafen-Chaos in Düsseldorf oder Köln im Sommer betroffen?

Ja, aber nur wenige. Die Frage, die sich aber stellt, ist doch: Wer hat die Verantwortung? Wer ist für Sicherheit, Gepäck und Sauberkeit verantwortlich? Aus meiner Sicht müsste die Politik da dringend handeln. Es ist nicht richtig, wenn die Reinigungskraft am Ende den Ärger der frustrierten Fluggäste abkriegt.

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Ihr Tipp für die kommende Saison?

Erst mal gelassener sein. Die ganze Welt will reisen, niemand kann wollen, dass das Wirtschaftssystem zusammenbricht. Ansonsten: So früh wie möglich buchen. Günstiger wird es wohl nicht in den kommenden Monaten. Wer keine Rücksicht auf schulpflichtige Kinder nehmen muss: am besten außerhalb der Ferien reisen. Ich fürchte allerdings, die Serviceprobleme bei Flug und Bahn werden uns trotzdem noch weiter begleiten. Nicht so katastrophal wie diesen Sommer, aber wir werden sie weiter erleben.