Neukirchen-Vluyn/Kreis Wesel. In Neukirchen-Vluyn siedelt in der Nähe von Menschen eine Krähenkolonie. Wie deren Spektakel das Leben zeitweise unerträglich macht.

Alle Jahre wieder machen brütende Saatkrähen Familie Inama und einigen ihrer Nachbarn an der Humboldtstraße das Leben zur Hölle: „Die Tiere sind schon vor Sonnenaufgang aktiv und veranstalten ein Riesenspektakel. An Schlaf ist von April bis Juni schon ab 4 Uhr früh nicht mehr zu denken“, berichtet Renato Inama. Seit Jahren gehe das schon so. „Die Stadt muss endlich etwas gegen die Krähenplage tun“, sagt Inama. Und: „Lärm macht nachweislich krank. Das sagt sogar die Weltgesundheitsorganisation.“

Hintergrund: „Die Tiere brüten in größeren Kolonien, wodurch sich der Höllenlärm erklärt“, weiß der geplagte Anwohner. In den großen Platanen im Bereich Leibnitz- und Humboldtstraße aber auch am Springenweg und am Plankendickskendel ließen sich die Vögel alljährlich im Frühjahr zum Nestbau nieder. „Das bedeutet auch ein großes Kotproblem im ganzen Umfeld.“ Zwar seien die Jungvögel inzwischen ausgeflogen und die Ruhe sei wieder eingekehrt, doch denke man schon mit Schrecken an die Plage im nächsten Frühjahr.

So wendete sich Renato Inama unlängst hilfesuchend an Bürgermeister Ralf Köpke. Dieser machte sich bei der Unteren Naturschutzbehörde des Kreises Wesel schlau. Inama: „In einem ausführlichen Schreiben teilt er mit, der Artenschutz sei streng, auch ein Vergrämen der Tiere sei verboten.“ Der Bürgermeister verweise auch auf andere Kommunen wie Xanten, in denen es ähnliche Probleme gebe. Eine kurzfristige Lösung könne man leider nicht in Aussicht stellen. „Mein Vorschlag, die Brutbäume zu fällen und kleinere zu pflanzen, sei ebenfalls nicht umsetzbar, schreibt Herr Köpke. Es handele sich um gesunde Bäume“, bedauert Inama.

Brutstätten der Saatkrähen ganzjährig geschützt

Genaueres weiß Mareike van Hemert, Koordinatorin für Natur- und Artenschutz beim Kreis Wesel. Sie bestätigt: „Alle Vogelarten in der EU sind streng geschützt. Die Fortpflanzung darf nicht gestört werden. Die Brutstätten der Saatkrähen sind sogar ganzjährig geschützt, weil die Tiere stets zu ihnen zurückkehren. Nur in besonderen Fällen bei unzumutbarer Belastung sind Ausnahmen zulässig; beispielsweise wenn ein Kita- oder Schulbetrieb stark beeinträchtigt sind.“

Van Hemert weiter: Per Gesetz sei eine zeitweise Lärm- und Kotbelastung wie in der Brutphase zumutbar. Wenngleich die Vögel bereits beim Nestbau „sehr kommunikativ“ seien, wie die Expertin einräumt. Und auch andernorts im Kreis Wesel gebe es Probleme; wie in Hamminkeln, wo man auf einem Friedhof gegen den Vogelkot Pavillons aufgestellt habe. „Dies gilt als milderes Mittel.“ Auch am Ring in Wesel sorgten brütende Saatkrähen immer wieder für Ärger. Und leider: Ein wissenschaftliches Projekt in Büderich habe ergeben, dass durch den Menschen verlegte Nester nicht angenommen würden.

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Warum die Saatkrähen ihre Brutstätten immer mehr in besiedelte Gebiete verlegten, könne man nur vermuten: „Gründe könnten Nahrungsknappheit und Mangel an hohen Bäumen in freier Natur sein.“ Wichtig zu wissen: „Gezielte Vergrämung und Störungen der brütenden Vögel werden per Gesetz je nach Schwere des Vergehens mit Bußgeldern geahndet“, bemerkt Mareike van Hemert außerdem.

Saatkrähen werden alljährlich im Kreis Wesel von beauftragten Fachleuten gezählt. Der Bestand ist danach seit einigen Jahren stabil. Etwa 2000 Nester gibt es, wobei man eine gewisse Dunkelziffer durch unbekannte Brutstätten vermutet. Während Saatkrähen noch in den 70er Jahren vom Aussterben bedroht waren, hat sich der Bestand inzwischen wieder erholt.