Neukirchen-Vluyn. In Neukirchen-Vluyn gibt es Ärger wegen der Neustrukturierung der Willkommensbesuche bei Familien mit neugeborenen Kindern. Das ist der Grund.
Die Neuorganisation der Willkommensbesuche in Familien mit neugeborenen Kindern sorgt für Unmut. Der Stein des Anstoßes: Gerade hat die Stadt angekündigt, dass nun eine Familien-, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin der Frühen Hilfen des Kreisjugendamtes in die Familien komme und eine Begrüßungstasche mit vielen Infos, kostenlosen Windelmüllsäcken und einem individuellen „Handmade“-Geschenk der Dorfmasche mitbringt. Viele Jahre hätten das „ehrenamtlich tätige Damen“ gemacht, heißt es weiter.
Und eben diese sind nun etwas verschnupft, um es diplomatisch zu formulieren. „Wir haben uns abserviert gefühlt“, sagt Elke Biedermann, die das Projekt 2013 auf Initiative des Kreises mit auf den Weg gebracht und die Besuche seitdem zusammen mit Hannelore Cox koordiniert hat. Im Rathaus war die damalige Gleichstellungsbeauftragte Cornelia Hüsch Ansprechpartnerin.
Die Ehrenamtlerinnen haben Ende Juni durch eine E-Mail der Stadt erfahren, dass ihr Einsatz nicht mehr gefragt ist. „Um die Qualität der Willkommensbesuche im Zuständigkeitsbereich des Kreisjugendamtes nachhaltig zu verbessern“ und einen größeren Anteil von Familien mit Neugeborenen zu erreichen, werde besagte Fachkraft die Durchführung der Besuche übernehmen, heißt es darin. Und dass man sich herzlich bedanke.
Corona hat die Ehrenamtlerinnen ausgebremst
Für die Ehrenamtlerinnen ist das ein Schlag ins Gesicht. Etwa 900 Familien haben sie in all den Jahren besucht, zählen Elke Biedermann und Hannelore Cox auf. Sie, das sind zwölf Frauen, die allesamt einen passenden Hintergrund hätten, unter anderem als Erzieherinnen. Elke Biedermann hat beruflich beim Kreis Wesel zuletzt im besonderen sozialen Dienst gearbeitet und war in der Eingliederungshilfe für behinderte Kinder und Jugendliche tätig.
- Lesen Sie auch den Kommentar: Der Besuchsdienst-Vorgang ist irritierend
Hannelore Cox ist seit 23 Jahren als Kinderkrankenschwester auf der Entbindungsstation im St. Josef Krankenhaus im Einsatz; vorher habe sie im Bethanien gearbeitet, erzählt die 61-Jährige. Seit 28 Jahren macht sie Nachtdienste und kümmert sich somit auch um die Neubürgerinnen und -bürger, die zu nachtschlafender Zeit auf die Welt kommen möchten.
Die Frauen erinnern sich gern an die Besuche. Aus ihrer Sicht war es oft ein Vorteil, dass sie ehrenamtlich aktiv waren. „Es gab viele Familien, die gefragt haben: ,Sind Sie vom Jugendamt?’“, erzählt Hannelore Cox. Hier und da bestand in der Hinsicht ein gewisser Vorbehalt. Die Ehrenamtlerinnen haben das Jugendamt natürlich informieren müssen, wenn sie den Eindruck hatten, dass es notwendig ist.
„Wir sind eigentlich immer willkommen gewesen“, sagt Elke Biedermann. Im Februar 2015 wurde der ehrenamtliche Besuchsdienst unter dem Motto „Kinderfreundlicher Kreis Wesel“ vom Kreis ausgezeichnet. Mit der Corona-Pandemie ist auch der Besuchsdienst ausgebremst worden. Ein Schicksal, das die zwölf Frauen mit vielen Initiativen teilen. Aber: Man ließ die Ehrenamtlichen im Ungewissen, ob ihre Arbeit weitergehen kann, beklagen Biedermann und Cox. Dann das Aus. Offenbar seien Stadt und Kreis „ein gut funktionierender ehrenamtlicher Dienst suspekt“, ärgern sich die beiden.
Die Stadt Neukirchen-Vluyn lobt die Arbeit
Warum ihre Arbeit nicht mehr gefragt ist? „Im Zuge der rund zweijährigen Pandemie konnte die Gruppendynamik der Ehrenamtlichen – wie auch in anderen Bereichen – nicht aufrecht erhalten werden“, heißt es vonseiten der Stadt auf NRZ-Anfrage. Und weiter: „Parallel ist es dem Jugendamt des Kreises Wesel gelungen, für die Besuchsdienste Fördermittel zu akquirieren, die die Einstellung einer hauptamtlichen Kraft ermöglichten.“ Handlungsleitend sei die gezielte Anbindung an das Jugendamt gewesen.
Zweifel an der Qualität der Besuche durch die Ehrenamtlichen habe es nach Auffassung der Stadt nie gegeben, heißt es weiter. „Im Gegenteil: Die Ehrenamtlichen brachten ihre Kompetenzen als ehemalige Leitung von Kindertageseinrichtungen, als Krankenschwester u.ä. ein. Die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlich tätigen Damen und der Stadt war immer konstruktiv und wertschätzend. Auch die Rückmeldungen von den Eltern waren positiv, in einigen Fällen wurde der Besuch schon im Vorfeld angefordert.“
Die Aussage, sie habe im Frühjahr angekündigt, die Koordination nicht mehr übernehmen zu wollen, weist Elke Biedermann zurück. Sie habe sich entschieden, bei der evangelischen Gemeinde in den Besuchsdienst einzusteigen, weil sich die Stadt nicht mehr gemeldet habe. Hannelore Cox habe zu keinem Zeitpunkt gesagt, dass sie aufhören wolle. „Die hätten alle noch weitergemacht“, sagt Elke Biedermann über ihre Gruppe.