Kamp-Lintfort. Am Haus des Bergmanns wird jetzt wieder gegärtnert. Was früher zur Selbstversorgung diente, läuft heute unter einem anderen Stichwort.
Bald ist Erntezeit am Haus des Bergmanns. Die Himbeeren sind schon reif, die Radieschen kommen schon zum dritten Mal, Rhabarber steht am Rand, die Zuckerschoten sind fast fertig, nur die Kartoffeln und der Brokkoli brauchen noch was. Andreas Floh hat die meisten Samen selbst gezogen und kümmert sich im Auftrag der Stadt liebevoll um den Nutzgarten, der früher fest zum Konzept der Zechenhäuser gehörte. Denn die Familien sollten die Möglichkeit zur Selbstversorgung erhalten. Und deshalb gehört so ein Garten auch zum Haus des Bergmanns.
Was früher aus der Not geboren war, gehört nun zu einem großen Projekt des Museumsnetzwerks Niederrhein für das Jahr 2023/24 unter der Überschrift der Nachhaltigkeit. „Ich hatte erst an erneuerbare Energien als tragendes Thema gedacht, aber hier haben wir ein sehr sympathisches und authentisches Projekt, wo man ohne Probleme Schulen und Kitas einbinden kann“, erklärt Susanne Rous, die das federführend geplant hat. Und was ist nachhaltiger als Kompostieren, Samen selber ziehen und Saisongemüse und -obst wie früher einzukochen, statt aus fernen Ländern zu importieren?
„500 Kinder waren schon hier, um den Garten zu besuchen“, erklärt Egon Haeusler von der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition nicht ohne Stolz. Er leitet das Museumshaus. Und er kann sehr lebendig erzählen, ist er doch in der Altsiedlung groß geworden und hat erlebt, dass der Vater „stoppeln“ gegangen ist, also bei der Ernte liegengelassenen Kartoffeln einsammelte, oder die Mutter Rüben vereinzelte.
Hausgemachte Wurst
Er kennt ganze Regale voller Einmachgläser, auch mit Wurst, die selbstverständlich damals selbst gemacht wurde. Denn zum Bergmannshaus gehörte ja auch Vieh, ein Schwein oder die „Bergmannskuh“ – die Ziege – Hühner, Kaninchen. „Darüber haben wir auch nachgedacht, Haustiere dazu zu nehmen, aber das können wir nicht leisten“, erklärt Susanne Rous.
Jedenfalls erwächst aus diesem Bestand eine Menge an möglichen Angeboten, wie etwa Einmach- oder Kochkurse für Klassiker wie Endivien durcheinander, Handarbeitskurse, oder vielleicht erweckt ja jemand das Sockenstopfen wieder zum Leben.
Derzeit wandert das reife Obst und Gemüse manchmal über den Zaun zur Nachbarin, manchmal nimmt der Gärtner etwas mit und verteilt es oder die Leute der Fördergemeinschaft bedienen sich. Haeusler hat aber auch die Freundschaft und Kameradschaft in der Altsiedlung erlebt. „Da hatte nicht jeder einen Zaun um sein Grundstück“, erinnert er sich. Die Kinder spielten draußen, denn drinnen war es zu eng.
Es geht natürlich nicht darum, die durchaus von Not und Armut gekennzeichnete Zeit zu romantisieren, wo doch Urban Gardening heute so hip ist. Um das richtig einzuordnen, kommt das zweite, vom Landschaftsverband Rheinland geförderte Projekt gerade recht.
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Denn die Hälfte des Hauses des Bergmanns, in der zurzeit technisches Gerät und ein großes Modell der Zechenanlage steht, soll leergeräumt werden. Historiker arbeiten an einer Ausstellung, die multimedial das Leben in der Altsiedlung nachzeichnen soll. Dafür sucht Susanne Rous noch vor allem Bilder aus der Altsiedlung, am liebsten aus den zwanziger bis dreißiger Jahren. Einige O-Töne von Zeitzeugen hat der Verein Niederrhein mal gesammelt, aber auch da wäre noch Bedarf, so Rous.
Das Haus des Bergmanns ist jeden Sonntag von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Ehrenamtlich führen Mitglieder der Fördergemeinschaft für Bergmannstradition durch das Haus und zur „magischen Tür“ im Kleiderschrank, die trotz des Umbaus erhalten bleiben soll.
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