Neukirchen-Vluyn. Klimaschutzmanagerin Ingrid van Eerde sieht die Stadt beim Klimaschutz gut aufgestellt. Die Befragten des NRZ-Umweltchecks sehen das anders.
Die Hände hat Ingrid van Eerde nicht über den Kopf zusammengeschlagen, als sie den Job der Klimaschutzmanagerin Anfang des Jahres in Neukirchen-Vluyn übernommen hat. Dazu hätte es auch gar keinen Grund gegeben, sagt sie. Ganz im Gegenteil: „Ich finde es beeindruckend, wie hoch der Klimaschutz innerhalb der Verwaltung angesiedelt ist“, so van Eerde.
Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit auf der Agenda zu haben, daran führe kein Weg mehr vorbei – und Neukirchen-Vluyn sei da gut aufgestellt. „Wir waren eine der ersten Kommunen im Kreis Wesel, die ein Klimaschutzkonzept aufgelegt hat. Das war schon im Jahr 2012, bevor Bewegungen wie Fridays For Future überhaupt aufkamen“, betont Bürgermeister Ralf Köpke.
Zweiter Solarpark in Vluyn geplant
Mittlerweile gibt es ein Kernteam innerhalb der Verwaltung, das versucht, den Klimaschutz in allen Bereichen des Rathauses zu implementieren. „Bei Bauvorhaben wird nun genau geschaut, wie energetisch es ist oder ob sich Photovoltaik-Anlagen anbringen lassen. Vor fünf, sechs Jahren hätte sich keiner Gedanken dazu gemacht“, so Köpke. „Der Klimaschutz ist nicht mehr wegzudenken“, betont auch Ingrid van Eerde.
Insbesondere die Solarenergie will die Stadtverwaltung in Neukirchen-Vluyn schnell und flächendeckend ausbauen. Im kleinen Stil mit Photovoltaikanlagen auf städtischen Gebäuden, vorausgesetzt die Statik spiele mit, und im größeren Stil mit einem zweiten Solarpark im Gewerbegebiet Am Hoschenhof in Vluyn. „Die Planungen mit der Enni laufen. Entweder noch in diesem oder im nächsten Jahr werden wir mit dem Bau beginnen können“, sagt Köpke. Klimaschutz funktioniere aber nur, wenn alle mitmachen, betont Klimaschutzmanagerin van Eerde.
Schulung von ehrenamtlichen Solarberaterin in Neukirchen-Vluyn und Rheinberg
In Kooperation mit der Stadt Rheinberg läuft daher aktuell ein Pilotprojekt des Vereins Metropolsolar, bei dem Bürgerinnen und Bürger zu ehrenamtlichen Solarberatern ausgebildet werden. Zehn Teilnehmende haben sich insgesamt in beiden Städten dafür gefunden. Sie sollen ab der zweiten Jahreshälfte Bürger, die sich für eine Photovoltaik-Anlage auf dem eigenen Dach interessieren, individuell beraten. „Das ist eine super Ergänzung zu den Energieberatern, die das technische Know-how haben. Mit den Bürgersolarberatern gibt es auch Hilfe bei den bürokratischen Hürden“, erklärt van Eerde.
In einigen anderen Klimaschutzbereichen wäre man in Neukirchen-Vluyn gerne schon weiter – wäre da nicht die Sache mit dem Personal. Fachkräfte zu finden, gestalte sich schwierig. Auf die Stelle des Mobilitätsmanagers, habe sich bei der ersten Ausschreibung im vergangenen Jahr zum Beispiel niemand beworben.
„Ich hatte mir vorgestellt, dass der- oder diejenige jetzt schon arbeitet“, gesteht Bürgermeister Köpke. Der Mobilitätsmanager soll Tempo in die Umsetzung des Mobilitätskonzeptes bringen. Neue Fahrradwege, die Ausweisung von Fahrradstraßen oder den Ausbau des E-Ladesäulennetzes sollen beispielsweise schneller vorangetrieben werden.
Stadt will klimaneutral werden
Klar gebe es daher immer mal wieder Kritik, dass mehr für den Klimaschutz getan werden müsste. Ralf Köpke erinnert aber daran, dass in den letzten Jahren einiges erreicht wurde. „Nicht umsonst haben wir zweimal hintereinander den Deutschen Nachhaltigkeitspreis in der Kategorie ‘Stadt mittlerer Größe’ gewonnen. Das ist ein Anreiz für uns. Wir ruhen uns nicht auf dem Erfolg aus, wir müssen weitermachen.“
Da fällt das Stichwort Klimaneutralität: Ein Ziel, dass der Bürgermeister nicht aus den Augen verliert. „Klimaneutralität ja, aber zu welchem Zeitpunkt das realistisch ist, ist nicht einfach zu sagen.“ Klimaschutzexpertin Ingrid van Eerde ergänzt: „Je größer die Kommune ist, desto schwieriger wird die Klimaneutralität.“
Der Energiebedarf in Neukirchen-Vluyn sei nicht gerade klein, die Flächenverfügbarkeit für erneuerbare Energien aber auch nicht unendlich groß. „Kurz- und mittelfristig werden wir den Gebäudebestand und den Verkehr nicht auf null Emissionen umstellen können. Langfristig wollen wir das aber definitiv schaffen“, so van Eerde.
Das sagen die Menschen im Kreis Wesel zum Klimaschutz
Die Stadt Neukirchen-Vluyn sieht sich in Sachen Klimaschutz recht gut aufgestellt. Wie sehen das die Bürgerinnen und Bürger im Kreis Wesel? 65 Prozent der Befragten in Neukirchen-Vluyn und Moers finden, dass in ihrer Stadt mehr getan werden muss, um den Klimawandel aufzuhalten. Das ergab der NRZ-Umweltcheck.
Die beiden Kommunen spiegeln damit die durchschnittliche Meinung der Befragten im Kreis Wesel wider: Zwei Drittel (66 Prozent) gaben an, dass die Städte und Gemeinden im Kreis beim Klimaschutz aktiver sein müssten.
In Kamp-Linfort war man mit dem Klimaschutzmanagement scheinbar zufriedener und sieht etwas weniger Handlungsbedarf. Hier lag der Wert mit 58 Prozent kreisweit am niedrigsten, in Dinslaken mit 71 Prozent hingegen am höchsten.
Junge Menschen sehen mehr Handlungsbedarf
Es sind vor allem die 14- bis 19-Jährigen (73 Prozent) sowie die 20-29-Jährigen (72 Prozent), die der Frage, ob in der eigenen Kommune mehr gegen den Klimawandel getan werden müsse, zustimmten. Mit dem Alter nimmt diese Zustimmung zwar tendenziell ab – so sprachen sich noch 63 Prozent der 50 bis 59 Jährigen für mehr Klimaschutz aus – bleibt aber insgesamt auf hohem Niveau. Männer und Frauen stimmten mit jeweils 66 Prozent gleichermaßen der Frage zu und sehen Handlungsbedarf.