Kamp-Lintfort. Die Reliquie wird im Altar der Klosterkirche in Kamp-Lintfort aufbewahrt. Der Leiter des Geistlichen & Kulturellen Zentrums Kloster Kamp erzählt.

Die Legende der heiligen Agatha ist brutal: Weil sie das Werben des nicht christlichen Statthalters von Catania abwies, lies der sie zunächst in ein Bordell schicken. Da sie sich dort verweigerte, wurden ihr laut der Legende die Brüste mit einer Zange zerrissen, mit einer Fackel gebrannt und schließlich abgeschnitten. Danach legte man sie auf Scherben und glühende Kohlen. Sie starb nach diesem Martyrium im Kerker, heißt es. Das alles soll sich im 3. Jahrhundert nach Christus zugetragen haben.

„Nein, diese Legenden sind nicht vergnügungssteuerpflichtig“, sagt Dr. Peter Hahnen vom Geistlichen und Kulturellen Zentrum Kloster Kamp. Das habe mit der Ernsthaftigkeit zu tun, mit der die Christen als gefürchtete Minderheit in dieser Zeit ihren Glauben gelebt hätten.

Die heilige Agatha ist auf Kamp omnipräsent

„Sie mussten sich entscheiden zwischen Feuer und Marmelade“, erklärt Hahnen. „Und Jesus von Nazareth steht für Feuer.“ Denn Jesus stehe nicht für Verkitschung und Kulleraugen, sondern dafür: „Ich bin bereit, den Preis zu zahlen für das, was ich als Wahrheit erkannt habe.“

Heilige Agatha.
Heilige Agatha. © NRZ | Kloster Kamp

Die heilige Agatha sei auf Kamp quasi „omnipräsent“. Die Zisterzienser, die das Kloster vor 900 Jahren gegründet haben, brachten ein Stück des Schädelknochens der heiligen Agatha mit nach Kamp. Die Reliquie wird im Altar der Klosterkirche aufbewahrt. Es gibt eine Figur in der Klosterkirche und eine ziert den Giebel des Museums Kloster Kamp. Dort ist sie mit Märtyrerzweig und Zange in der Hand zu sehen. Für Hahnen ein Zeichen: „Hier ist Schluss mit lustig, hier geht es zur Sache.“ Die Zisterzienser wollten also „im Idealfall auch ihr Leben Gott mit allen Konsequenzen widmen“, glaubt Hahnen.

Warum die Zisterzienser auf dem Weg nach Kamp ausgerechnet eine Reliquie der heiligen Agatha im Gepäck hatten? „Wer, war vergleichsweise egal“, sagt Hahnen. „Es hätte auch Cosmas oder Dionysius sein können.“ Kamp, so weiß der Leiter des Zentrums, hatte hunderte Reliquien. „Die Zisterzienser hielten das für den wahren Schatz. Je mehr Reliquien, umso mehr sakrale Potenz, um so mehr heilige Energie.“

Die Agatha sei ihnen aber wohl wichtig gewesen, sie hätten das Schädelstück bei allen Fluchten mitgenommen. Es heißt auch, dass es mal gestohlen worden sei, aber wieder beschafft wurde. Hahnen sagt das unkommentiert.

Die heilige Agatha ist für vieles zuständig

Ob die Gottesdienstteilnehmer auf Kamp alle die Legende der Agatha präsent haben? „Ich bezweifele das.“ „Zuständig“ ist die heilige Agatha für ziemlich alles, für Feuer, für Hebammen, Glockengießer, für Brusterkrankungen, Viehseuchen, Erdbeben, die Liste nimmt fast kein Ende, „Wie so oft bei Heiligen“, so Hahnen. Nicht zuletzt soll sie bei Ausbrüchen des Ätna helfen, denn ihr Schleier, so die Legende, habe einen Lavastrom vor Catania aufgehalten.

Heilige seien so etwas Mittelsmänner. Der Leiter des Geistlichen und Kulturellen Zentrums erklärt: „Früher wurden die Gottesdienste gern am Grab eines Apostels gefeiert, um sich mit den Vorbildern zu verbinden. Wenn kein Apostel da war, dann nahm man eben mit Heiligen vorlieb. Und wenn kein Heiliger da war, dann musste eben ein Stück vom Heiligen reichen.“ Ob es Leichenfledderei ist, wenn Teile aus einem Grab genommen werden? Naja, jedenfalls mussten Mönche eine Reliquie vorweisen, um ein Kloster gründen zu können.

In Kamp-Lintfort wird es keine Brötchen geben

Reliquienkult sei eine emotional aufgeladene Sache, findet der Theologe. Er vergleicht es mit einem Foto des Enkels, das im Aldi aus der Geldbörse fällt. „Es ist nur ein Stück Papier, aber jeder wird alle Gänge des Ladens absuchen, um es wiederzufinden.“

Die Legende der heiligen Agatha findet Hahnen „interessant“: „Sie ist typisch für die Zeit.“ Der 5. Februar ist der Gedenktag für Agatha von Catanien.

In manchen Gegenden werden dann Agatha-Brötchen gereicht. „Da dachte ich zunächst, das ist vielleicht auch was für den Klosterladen“, gesteht Hahnen. Bis er erfuhr, dass die Brötchen oder Pralinen halbkugelig sind mit einer Kirsche oben drauf. „So was geht vielleicht in Italien, aber nicht bei uns.“