Am Niederrhein. Die neue Verordnung macht den Viehzüchtern zu schaffen. Ein Landwirt aus Neukirchen-Vluyn weiß noch nicht, wie es mit seinem Betrieb weitergeht.

Die Ferkelzüchter in der Region kann Dr. Frank Greshake an einer Hand abzählen. Zu viele haben in den letzten Jahren aufgegeben. Vor ein paar Wochen hat die bundesweite aktuelle Nutztierhaltungsverordnung die Landwirte erreicht. „Die Sauen-Halter sind besonders betroffen. Es werden wohl viele das Handtuch werfen“, befürchtet der Fachmann. Er kennt als Geschäftsführer der Schweinevermarktung Rheinland in Sonsbeck die Nöte der noch rund 200 Sauen-Halter im Rheinland.

Einer davon ist Burkhard Lieftink aus Neukirchen-Vluyn. Er hat noch nicht entschieden, wie es mit seinem Betrieb weitergeht.

Noch mehr Platz, noch mehr Auslauf

Von der aktuellen Verordnung seien eigentlich alle Nutztierhalter betroffen, besonders aber die Ferkelzüchter, weiß Lieftink: „Unter anderem müssen wir nun noch mehr Platz für die Ferkel und die Masttiere zur Verfügung stellen, teils auch mit noch mehr Auslauf.“ Hinzu kämen vorgeschriebene Spiel- und Beschäftigungsmöglichkeiten, was jedoch weniger Probleme mache. Sorgen bereiteten vor allem die Freilauf-Regelungen für die Sauen im Deckzentrum, wo sich die Zuchttiere aber nur vier Wochen aufhielten. „Sie bekämpfen sich, wenn sie in Gruppen frei laufen. Denn sie wollen eine Rangordnung herstellen, das ist ihre Natur“, weiß der Bauer.

Zudem bestehe nach der Geburt der Ferkel die Gefahr, dass die Kleinen von der Mutter im Freilauf versehentlich totgedrückt würden. Lieftink: „Daher halten wir die Sauen derzeit noch während der Säugephase in den Kästen.“ Und: „Keiner weiß bisher, wie das alles gehen soll. Aber ein Umbau bedeutete für unseren Betrieb Investitionen von einer halben Million Euro. Das soll durch den Fleischpreis auf die Allgemeinheit umgelegt werden, wie, ist noch ungewiss.“

Es gibt Übergangsfristen von mehreren Jahren

Übergangsfristen von fünf oder acht Jahren für Umbauten oder Neubauten der Ställe gebe es allerdings auch in der Verordnung, weiß Lieftink. „Aber wenn keines meiner fast erwachsenen Kinder den Betrieb übernimmt, tue ich mir diese Schulden nicht mehr an. In zwölf Jahren bin ich 65.“

Ohnehin habe sich die Zahl der Ferkelerzeuger wegen strengerer Auflagen und sinkender Einnahmen im Rheinland in den letzten zwölf Jahren halbiert.

Dieser Trend macht bei der Schweinevermarktung Rheinland auch Dr. Frank Greshake Sorgen. „Immer wieder gibt es neue Verordnungen. Hohe Schulden für die Umsetzung will angesichts dieser unsicheren Zukunft keiner mehr auf sich nehmen.“

Der Bund plant noch einiges zum Thema Tierwohl in der Landwirtschaft

Denn der Bund plane noch so einiges: „Eine Kommission unter Ex-Landwirtschaftsminister Borchert arbeitet am Thema Tierwohl in der Landwirtschaft und dessen Umsetzung. Und unabhängig davon gibt es auch noch den Arbeitskreis von Ministerin Klöckner, der sich um die Tierwohl-Kennzeichnung auf Fleischprodukten kümmert.“

Gewinner dieser Misere gebe es allerdings auch, und zwar im europäischen Ausland, weiß Dr. Greshake. „Gerade entstehen zahllose große Schweinezucht-Anlagen in Spanien, gewissermaßen in der Wüste. Dort kümmert man sich wenig um Tierschutz und ähnliche Dinge.“

Ein Kostenersatz scheint wenig realistisch

Ein Kostenersatz für die Investitionen der Bauern sei tatsächlich in Berlin angedacht, aber wenig realistisch: „Pläne der Regierung, die Mehrwertsteuer auf Fleisch zu erhöhen oder eine Abgabe aufs Kilo Fleisch zu verlangen, werden höchstwahrscheinlich aus juristischen Gründen und auch wegen bestehender EU-Regelungen kaum genehmigt.“

Johannes Leuchtenberg, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Wesel und Milchvieh-Halter in Neukirchen-Vluyn: „Auch wir müssen mehr Platz pro Tier sowie einen Außenbereich schaffen. Was nicht in jedem Betrieb einfach ist. Und es gibt noch keine neue, angepasste Bauverordnung, damit wir überhaupt Bauanträge für Erweiterungen stellen können“, weiß er. Zumal: „Wenn Sie unsere Milchkühe im Stall sehen, verbringen sie ohnehin 90 Prozent des Tages im Liegen.“

Auch der Kreisvorsitzende sieht durch die Verordnung und mögliche weitere Auflagen Probleme für die Landwirtschaft: „Erneut werden viele Sauen-Halter ihre Betriebe aufgeben. Man sollte bei all dem bedenken, dass auch die Familien der Bauern leben wollen.“

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Bei der Schweinevermarktung Rheinland gibt es insgesamt noch 120 Mitglieder, es gibt weitere rund 80 Landwirte, die keine Mitglieder sind.

Die Erzeugergemeinschaft vermarktet zwei Drittel der produzierten Ferkel im Rheinland. Bis zu sechs Prozent der Betriebe geben trotzdem jährlich auf.

Vor 23 Jahren gab es vier- bis fünfmal so viele Ferkelerzeuger im Rheinland. Heute stehen noch 24.000 Muttersauen in rheinischen Ställen, vor 23 Jahren waren es noch 125.000.