Kamp-Lintfort. Wenn das Jugendamt kommt, heißt das in den Augen vieler nichts Gutes. Dabei will der Allgemeine Soziale Dienst helfen und hat ein klares Ziel.
Ein Jahr Pandemie hat überall Spuren hinterlassen - auch beim Allgemeinen Sozialen Dienst der Stadt, der Familien in Krisensituationen unterstützt. Aber die gute Nachricht zuerst: „Wir sind sehr kreativ geworden“, stellt Chefin Sandra Schulz fest. Denn wenn Familienhelfer „in Familien gehen“, heißt das gemeinhin auch, in die Wohnung zu gehen. Keine gute Idee im letzten Jahr.
Also ging es nach draußen. Da leistete im vergangenen Jahr vor allem das Laga-Gelände prima Dienste. Wo sonst auf Papier oder Flip-Charts über nächste Schritte und Ziele für eine bessere Zeit zwischen Eltern und Kindern nachgedacht wurde, konnten nun auf dem kleinen oder großen Fritz „Lebenstreppen“ beschritten werden oder von den gemütlichen Liegestühlen aus die richtige Richtung für den Weg aus der Krise gesucht werden, wie Schulz berichtet. Den Dienst zurückfahren, das kam für Schulz nicht in Frage: „Wir können uns nicht rausziehen.“ Sogar ein Sommerferien-Programm mit Zeltlager habe man „gewuppt“.
Aber auch das gehört zum Corona-Jahr dazu: „In vielen Familien lagen die Nerven blank“, weiß die Frau
vom Jugendamt. Im ersten Lockdown habe es eher Entspannung gegeben, die Schulen seien noch nicht so aufgestellt gewesen, „fast wie Ferien“ habe sich das auch für ihr Team angefühlt. Aber nach den Sommerferien sei es rasant nach oben gegangen mit den Krisen, als die Kinder vors Laptop mussten und Aufgaben abliefern. Und wenn es dann noch Kita- und Schulkind in einer Familie gegeben hat, da sei es auch durchaus zu handgreiflichen Auseinandersetzungen gekommen, berichtet sie. Und schränkt sofort ein: „Das ist nicht schön, da müssen wir auch handeln, aber in solchen Ausnahmesituationen reden wir nicht von Misshandlung.“
Und trotz allem kann Sandra Schulz berichten, dass sich in den letzten zwei Jahren – seit sie im Amt ist – die Zahl der Kinder, die aus den Familien genommen und in einer Einrichtung untergebracht werden müssen, fast halbiert hat, von 76 auf derzeit 40. „Bei 35 wird es sich wohl einpendeln in den nächsten Jahren“, hofft sie. Das führt sie auf eine Besonderheit in der Arbeit ihres Teams zurück.
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34 Menschen sind für den Allgemeinen Sozialen Dienst im Einsatz, davon sind 23 Mitarbeiter der Caritas, der Diakonie, der evangelischen Kinder- und Jugendhilfe oder dem Neukirchener Erziehungsverein angehörig. Der Unterschied zu anderen Städten: „Wir kaufen die fest ein. Die gehören zum Team. Wir arbeiten sehr eng zusammen“, erklärt Schulz. Diesem Umstand sei es auch zu verdanken, dass das Team mit vielen unterschiedlichen Kompetenzen arbeiten könnte, von Leuten mit psychologischer Ausbildung bis hin zu einem ehemaligen Häftling, der bei Pubertierenden eindrucksvoll über die Folgen strafbarer Handlungen berichten kann. Andernorts würden „Fälle“ an Träger abgegeben, „und dann hört man ein halbes Jahr lang nichts mehr.“
Warum es nicht einfach mehr städtische Mitarbeiter gibt? Das hat einen einfachen Grund, sagt Schulz: „Die Familien haben ein Recht darauf, von Unabhängigen beraten zu werden. Wenn das Jugendamt kommt, hat das für viele immer noch einen Beigeschmack.“
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Einigkeit aber herrscht im Team über das Ziel seiner Arbeit: ambulant vor stationär. Wo immer es geht, sollen die Kinder in ihren Familien bleiben. „Eltern bleiben Eltern“, sagt Sandra Schulz. Das funktioniere allerdings nur mit intensiver ambulanter Betreuung und weil der Dienst in Kamp-Lintfort unter guten Bedingungen arbeiten könne. Es gebe keine Kostendeckelung für die flexiblen Kräfte der Träger, und der Dienst genieße sehr viel Freiraum von Seiten der Stadtspitze, lobt Schulz ihren Arbeitgeber. Eine Heimunterbringung zu vermeiden, sei keine Kostenfrage, betont sie, sondern gut für das Kind. Wenn sie sich auch nicht immer vermeiden lasse. Da berichtet sie von einer Mutter mit so schweren psychischen Problemen – da habe das Team erkennen müssen, dass die Rückführung des Kindes in die Familie derzeit nicht gelingen könne.
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In vier kleine Teams unterteilt, bearbeitet der Soziale Dienst die Stadtteile. Unterschiede gebe es kaum noch. „Da hat sich seit dem Abriss der Weißen Riesen Einiges entzerrt“, stellt die Leiterin fest. Auch sei es keineswegs nur die soziale Unterschicht, für die die Unterstützung bei der Erziehung positiv sei. Gerade in der Pubertät treffe es viele Familien.
>>> HIER GIBT ES HILFE
Zu den Aufgaben des Sozialen Dienstes gehören Hilfen zur Erziehung, Trennungs- und Scheidungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe und Allgemeine Förderung der Erziehung.
Sollte man sich als Mutter, Vater, Kind oder Jugendlicher in einer familiären Notfallsituation befinden, so erreicht man innerhalb der Dienstzeiten (montags bis donnerstags 8 bis 16 Uhr und freitags 8 bis 13 Uhr) unter den Notrufnummern immer einen Mitarbeiter des Jugendamtes der Stadt Kamp-Lintfort. Unter dieser Nummer können auch mögliche Kindeswohlgefährdungen mitgeteilt werden. Notrufnummern: 0173 / 5 20 49 37 (Altes Rathaus) und 0162 / 2 50 50 59 (Eichendorffstraße). Außerhalb der Dienstzeiten wendet man sich an die örtliche Polizeidienststelle. Von dort wird Kontakt zum Bereitschaftsdienst des Amtes für Schule, Jugend und Sport aufgenommen. Quelle: Stadt Kamp-Lintfort