Kamp-Lintfort. In der Pandemie fühlen sich viele Familien isoliert. Beim Kindernest in Kamp-Lintfort hat man bewusst nicht auf persönlichen Kontakt verzichtet.
Sie gelten in der Corona-Pandemie als besonders belastet: Familien mit kleinen Kindern. Seit 2008 gibt es in Kamp-Lintfort als frühe Hilfe für Eltern und Kindern bis drei Jahren das Kindernest mit Angeboten zur Unterstützung im Alltag. Während viele Städte ihre aufsuchende Arbeit coronabedingt eingestellt haben, ist die Stadt in Kamp-Lintfort einen anderen Weg gegangen.
314 Geburten wurden 2020 in Kamp-Lintfort gemeldet, 230 Familien wurden von den Mitarbeitenden des Kindernests – einer Kooperation der Grafschafter Diakonie und der Stadt Kamp-Lintfort – persönlich besucht. Man habe sich ganz bewusst dafür entschieden, in der Coronazeit die Babybegrüßungsbesuche nicht einzustellen, sondern den Eltern die Möglichkeit zu bieten, den persönlichen Besuch abzusagen, sagt Sandra Schulz, die das Kindernest für die Stadt koordiniert: „Ich finde, man kann die Familien nicht so alleine lassen.“ Viele Familien seien in der Coronazeit sehr isoliert und hätten kaum Außenanbindungen. „Tatsächlich waren viele sehr froh, dass es dieses Angebot des persönlichen Aufsuchens gab. Ich glaube, es war nötig“, hat die Koordinatorin festgestellt.
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Alles aber konnte nicht aufrecht erhalten werden. So mussten alle Gruppenangebote im letzten Jahr zunächst im ersten Lockdown und dann wieder zum zweiten Lockdown eingestellt werden. Das habe für viele Mütter und Kinder tatsächlich einen sehr massiven Einschnitt dargestellt, weil der Austausch mit anderen Müttern fehlt und die Kinder dadurch keine Kontakte mit Gleichaltrigen wahrnehmen können, hat Schulz in ihrem Jahresbericht für den Jugendhilfeausschuss festgehalten. Und: Ein digitales Angebot ist nicht in jedem Bereich eine Alternative. So habe man etwa bewusst darauf verzichtet, Online-Krabbelgruppen anzubieten.
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Dank eines neuen vom Land geförderten Projektes geht Kamp-Lintfort jetzt den nächsten Schritt: „Es ist Quatsch, dass frühe Hilfen für Kinder mit drei Jahren aufhören“, findet Sandra Schulz. Das Jugendamt hatte sich 2020 erfolgreich für das Projekt „kinderstark – NRW hält zusammen“ beworben und eine Förderzusage erhalten. Das Fördergeld – für 2021 sind es 26.000 Euro – wird für Personalkosten eingesetzt.
Chancengleichheit ist das Leitbild
Laut Jahresbericht treten in den Kindertagesstätten und Grundschulen Probleme wie Armut, psychische Erkrankungen von Elternteilen sowie fehlende Bildungsbegleitung noch deutlicher in Erscheinung, da sich die Kinder in einem öffentlichen Raum bewegen. Vor diesem Hintergrund würde eine möglichst unkomplizierte und niederschwellige Unterstützung und Vermittlung in entsprechende Unterstützungsangebote Sinn machen, sagt Schulz. Deshalb soll die Netzwerkarbeit nun entsprechend der Altersklasse der Kinder angepasst werden.
Fernziel der nächsten Schritte solle sein, dass „Familien in Kamp-Lintfort die Möglichkeit erhalten, dass ihre Kinder chancengleich aufwachsen“. So lautet auch das Leitbild, auf das sich die Akteure im letzten Jahr verständigt haben.
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Um ein Handlungskonzept zu erarbeiten, werden nun Daten erhoben. Aktuell werden in Kamp-Lintfort in allen Kitas und Grundschulen auf Basis eines Fragebogens Interviews durchgeführt. Der Fragebogen erfasst bereits vorhandene Angebote und die Nachfrage, inwieweit diese einen Mehrwert für chancengleiches Aufwachsen in Kamp-Lintfort bieten. Gefragt wird aber auch nach Erwartungen, Wünschen und Ideen zu diesem Thema. Sandra Schulz: „Da ist noch viel Entwicklungspotenzial. Ich weiß, dass es der richtige Weg ist.“