Kamp-Lintfort. Mediathekleiterin Katharina Gebauer geht nach über 40 Jahren jetzt in den Ruhestand. Dem literarischen Leben in der Stadt bleibt sie aber treu.
Wer die scheidende Mediathekleiterin Katharina Gebauer fragt, wie sie ans Lesen gekommen ist, hört eine Geschichte, die perfekt zu dem, was so viele Jahre ihre Arbeit in Kamp-Lintfort ausgemacht hat, passt: „Ich war das siebte von neun Kindern. Statt selber zu lesen, habe ich mir als Kind lieber vorlesen lassen“, erzählt die am Rande von Köln geborene Bibliothekarin und lacht. Wenn sie aber trotzdem mit den Nachbarskindern um die Wette las, fand sie ihr erstes Lesefutter in der kleinen Gemeindebibliothek am Ort. Daran, dass beim Nachwuchs in Kamp-Lintfort die Lust am Lesen geweckt wird – und bestenfalls für immer bleibt – hat sie über 40 Jahre Jahre mit großem Engagement gearbeitet. Ende März wird die 63-Jährige ihren Schreibtisch in der Mediathek räumen. Dass vor allem Kindern das Lesen weiter Spaß macht, dafür will sie auch weiter sorgen. Ehrenamtlich, als Mitglied des Vereins LesArt, den sie selber mitgegründet hat.
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„Das wichtigste ist, dass in meiner Familie immer viel vorgelesen wurde. Es wurde gelesen - und über das Gelesene geredet“, sagt Gebauer rückblickend. Dass sie Bibliothekarin geworden ist, war allerdings nicht unbedingt vorhersehbar: „Eigentlich wollte ich Kostümbildnerin werden.“
Und dann kam alles doch ganz anders. Bei der Arbeitsagentur bescheinigte die Beraterin der jungen Abiturientin damals gute Noten in Mathe und Deutsch - mit der Empfehlung, Bibliothekarin zu werden, „die werden gebraucht“, hieß es damals. Gebauer schrieb sich an der Kölner Uni ein und absolvierte in rekordverdächtigen sechs Semestern ihr Studium, „und das war ziemlich langweilig“, erinnert sie sich.
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Am schwarzen Brett las sie dann eine Stellenanzeige, in der eine Bibliothekarin für die Kinder- und Jugendbücherei der Stadt Kamp-Lintfort gesucht wurde. Katharina Gebauer bewarb sich, zog nach Kamp-Lintfort – und blieb.
Riesenprojekt Mediathek
„Es war von Anfang an klar – hier kannst du alles machen.“ Vom Einschlagen der Bücher bis zur Organisation von Autorenlesungen und Veranstaltungen. Auch die Vernetzung ins Rathaus war von Beginn an gut. 1983 wurde ihre Tochter in Kamp-Lintfort geboren. Für die Alleinerziehende hatte die Stelle bei der Stadt nur Vorteile: „Kamp-Lintfort war im Kreis Wesel die einzige Stadt, die damals bereits U3-Betreuungs- und ganztägige Hortplätze anbot.“ 1999 kam ihre Vorgängerin Roswitha Wand dann auf sie zu. Die wollte vorzeitig in Rente gehen und schlug ihre Mitarbeiterin als ihre Nachfolgerin vor. So kam es 2003 dann schließlich auch.
Als neue Leiterin gründete sie damals gemeinsam mit dem heutigen SPD-Landtagsabgeordneten René Schneider den Verein LesArt. „Wir wollten als Förderverein schon damals mehr als nur eine Geldannahmestelle sein. Wichtig war uns von Anfang an, Leseförderung zu begleiten. Und literarisches Leben in der Stadt auch über die Bücherei hinaus anbieten zu können.“
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Zu dem Zeitpunkt, als Gebauer ihre Leitungsstelle antrat, waren die Räumlichkeiten im Erdgeschoss der Bunten Riesen gerade ein Jahr renoviert. „Danach verkaufte der Eigentümer den gesamten Komplex an einen Immobilienspekulanten, der nichts mehr für den Erhalt der Gebäude tat“, erinnert sie an die Geschichte der ungeliebten Hochhäuser. Sie machte mit ihrem Team viele Jahre das beste daraus. Schon da wurde die Kamp-Lintforter Bibliothek ein Ort, an dem Leseförderung ganz oben auf der To-Do-Liste stand. Und zwar in jedem Alter.
Dann war klar, dass die Bunten Riesen weichen würden und Platz für Neues geschaffen werden kann. Und somit auch Zeit, der Bücherei ein neues Gesicht und ein neues Profil zu geben. „Wir haben alle von Anfang an mitplanen lassen. Das eigene Team, aber auch die Bürger. Dann sind wir bis in die Niederlanden gefahren, um uns Bibliotheken anzuschauen. Klar war von Anfang an: Wir wollen eine Bibliothek mit Aufenthaltsqualität, einen Platz wie im eigenen Wohnzimmer, wo man in den Büchern lebt.“
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Vier Jahre gibt es nun die neue auch von außerhalb vielgelobte Mediathek. Ja, sagt Katharina Gebauer, sie sei schon sehr traurig, dass es wegen Corona so lange so ruhig war in der Mediathek. Die Neuöffnung nach dem Lockdown darf sie zum Glück noch einige Tage erleben. Ihr „Baby“ sei die Mediathek aber nicht mehr in dem Wortsinn: „Es kann jetzt laufen - und sich auch wieder ein Stück weit verändern.“
Was sie künftig genießen wird? „Vor allem mehr Zeit.“ Sie freut sich darauf, wieder Zeit für andere zu haben. Für die große in ganz Deutschland und bis nach Spanien verteilte Familie, für viele kleine und große Ausflüge mit dem Fahrrad, für Haus und Garten und Freunde. Was sie ihrer Nachfolgerin Yvonne Frericks mit auf den Weg gibt: „Man darf die Begeisterung nicht verlieren – das ist das Wichtigste.“