Moers. Die Röhre in Moers kann wegen Corona ohnehin seit Monaten spürbar weniger Gäste begrüßen. Die Sperrstunde ist für den Wirt ein weiterer Schlag.
Freitag Morgen in der Röhre. Claudius Albustin, Wirt der ältesten Moerser Szenekneipe, erlebt einen Moment unerwarteter Hoffnung. Der Inzidenzwert im Kreis Wesel, so hat er soeben auf der Homepage des Robert-Koch-Instituts gelesen, ist auf 45,7 gesunken, also unter die Gefahrenmarke von 50. „Dann fällt die Sperrstunde aus“, sagt er, wobei man am Ende doch ein ungläubiges Fragezeichen durchhört. Zu Recht, es gab eine Übermittlungspanne. Tatsächlich liegt der Wert bei 67,7 – und Albustin wird am Samstagabend um viertel vor elf die „last Order“ ansagen und seine Gäste um 23 Uhr hinaus bitten.
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Die Sperrstunde ist ein weiterer Corona-Tiefschlag für den 48-Jährigen und wohl alle seine Kollegen im Kreis. Früher, vor dem Beginn der Pandemie, füllte sich die Röhre vor allem an Wochenenden zwischen 21 und 22 Uhr, geöffnet war bis drei. Claudius Albustin machte also einen erheblichen Teil seines Umsatzes nach 23 Uhr. Das galt auch in den letzten Monaten, in denen es zwar Einschränkungen gab – aber wenigstens keine Sperrstunde. Nun hofft der Röhren-Wirt, dass seine Gäste ihren Kneipenabend einfach früher beginnen.
Auf der Theke stehen statt vieler Biergläser jetzt Topfpflanzen
150 Gäste besuchten nach Einschätzung Albustins vor Corona freitags und samstags die Röhre. War im Veranstaltungskeller Party (bis 5 Uhr), kamen noch mal 100 dazu. Party gibt’s seit März nicht mehr. In der Lounge hat der Wirt von vier Sitzgruppen auf zwei mit je vier Plätzen reduziert, auf dem Podest rechts am Eingang von vier auf drei Tische. An der Theke, das Herz der Röhre, wo Neuankommende Bekannte suchten und meist fanden, stehen seit Monaten statt vieler Biergläser, -flaschen und Nussschälchen nur ein paar Topfpflanzen. Dort wird gar nicht mehr bedient: „An der Theke kannst du keinen Abstand halten“, so Albustin.
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Wie viele es in den letzten Monaten an einem Kneipenabend waren? Albustin denkt nach: „So – 40.“ Seinen Umsatzrückgang seit März beziffert er auf 70 Prozent. Immerhin ließ die alte Schutzverordnung es zu, eine Gruppe von zehn Leuten in die Wirtschaft zu lassen und zu bedienen: „Wir haben zwei Tische zusammengeschoben. Das ging.“ Neuerdings nicht mehr. An einen Vierer-Tisch darf eine Gruppe von maximal vier Gästen. „Und wenn es für mich als Wirt ganz doof kommt, sitzt an jedem der drei Tische auf dem Podest eine Person, jeder Tisch gilt als dann ‘besetzt’ – und ich muss weitere Gäste wegschicken.“
Glaubt jemand im Ernst, für junge Leute ist der Samstagabend um elf zu Ende?
Claudius Albustin erzählt das alles engagiert, aber er ereifert sich nicht. Er hält es auch für „Unsinn“, Corona zu einer „Grippe“ klein zu reden. Aber er sagt auch, die Gastronomie habe bewiesen, dass sie Hygienekonzepte umsetzen kann und kein Corona-Hotspot sei. Und er hadert mit der Sperrstunde: „Glaubt jemand im Ernst, für junge Leute ist der Samstagabend um elf zu Ende? Die machen privat weiter, mit Alkohol und ohne Abstand.“
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Wie es weiter geht? Der Röhren-Chef weiß es nicht, was auf ihn zukommt. Sicher, die Soforthilfen und die Fördergelder helfen, er und seine Familie haben zudem Rücklagen. Aber er glaubt, dass für einige Kneipen bald ewige Sperrstunde ist: „Das wird einigen Kollegen das Genick brechen.“ Claudius Albustin hat eine Hoffnung: Dass ein Inzidenzwert von unter 50 beim nächsten Mal nicht Ergebnis einer Panne ist, sondern Wirklichkeit.