Moers. 1969 wurde in Moers der Vorläufer der Tummelferien geboren. Die Erfinderin erinnert sich, wie die Kinder der Grafenstadt ein Wunder erlebten.
Am zweiten Maiwochenende des Jahres 1969 erlebte Moers ein Wunder: Zwei Tage lang stellten die Moerser Kinder den Park rund ums Schloss und das Schloss selbst auf den Kopf, sie spielten und sangen, rannten und fielen hin, machten Blödsinn und saßen am Lagerfeuer. „Kinderwunderland“ nannte sich die Veranstaltung. So etwas hatte es in der Grafenstadt noch nicht gegeben. Aus dem Event, federführend vom Jugendamt auf die Beine gestellt, sollten zwei Jahre später die Tummelferien werden. „Ich kann mit Fug und Recht von mir sagen, dass ich den Begriff erfunden habe“, erinnert sich die damalige Jugendpflegerin Christel Ruback.
Die Zeitungsartikel hat sie aufbewahrt
Heute lebt Christel Ruback, inzwischen fast 80-jährig, im eigenen Häuschen in Ostfriesland. Bis heute bewahrt sie die Zeitungsartikel über das Kinderwunderland auf. „Ich wollte für die Kinder und Jugendlichen etwas auf die Beine stellen“, erzählt sie gut gelaunt am Telefon. „Etwas Schönes. Es sollte mal ‘was los sein in der Stadt.“ Neben ihrem Team vom Jugendamt waren die Kirchengemeinden, der Jugendring und das Schlossmuseum dabei.
Freilich seien längst nicht alle von dem Plan begeistert gewesen, erzählt Christel Ruback. Es habe Skepsis gegeben: „Einige trauten der Sache nicht, es war ja neu. Anderen war es eine Nummer zu groß, ‘warum gleich ein ganzes Wochenende?’ haben die gefragt.“ Auch die damalige „Schlossherrin“ Helene Middelhoff sei zunächst nicht mit fliegenden Fahnen eingestiegen, weil sie um ihre Ausstellungsstücke fürchtete. So viel vorweg: „Es ist nichts kaputt gegangen.“
Mit dem Trecker über die Dörfer
Aber Christel Ruback war schon damals eine durchsetzungsstarke Persönlichkeit und nicht aufzuhalten. Sie hatte auch ein Näschen dafür, wie die Aufmerksamkeit für die Veranstaltung zu wecken war: Mit einem Trecker tuckerten die Jugendpflegerin und ihre Mannschaft vom Jugendamt durch alle Stadtteile und warben mit Flugblättern für das Kinderwunderland.
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Mit Erfolg! 8000 Kinder und Eltern tummelten sich an zwei Tagen am Schloss. „Wir haben Chöre gebildet, die geprobt und vorgesungen haben; es wurden Tänze aufgeführt, es gab Pony reiten, eine Tombola, eine Gruppe hat sich Sketche ausgedacht und auf die Bühne gebracht, verstecken haben wir gespielt, hatten einen Luftballonwettbewerb“, berichtet die Pensionärin. Zu den Höhepunkten gehörte das Go-Cart-Rennen. Der Eintritt? „Der war natürlich umsonst!“, so Ruback. Zu essen und zu trinken gab es für geringe Beträge in einer Zeltstadt.
Die Resonanz sei großartig gewesen, sagt Christl Ruback, auch die anfangs zurückhaltende Museumsleiterin Helene Middelhoff habe sich begeistert und sei in den folgenden Jahren stets als Veranstalterin mit von der Partie gewesen.
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Christel Ruback stand von 1965 bis 1978 in den Diensten der Stadt Moers. Es habe in vielen Bereichen eine Aufbruchstimmung gegeben, die dazu ermutigt habe, Neues auszuprobieren, auch in der Jugendarbeit. So kümmerte sie sich auch um Kinder in Jugendbanden, was ihr den Spitznamen „Schwarze Cobra“ bescherte. Außerdem gründete sie ein Jugendkabarett namens „Bonbönchen“. Sie sei einmal knapp an einer Klage vorbeigekommen, weil sich eine wichtige Persönlichkeit der Stadt beleidigt gefühlt habe, wie sie erzählt: „Wissen Sie was: Es war eine tolle Zeit in Moers.“
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Über die Premiere der Veranstaltung am Schloss schrieb die NRZ damals: „… und alle hoffen, dass dieses Kinderwunderland nicht das letzte gewesen ist.“ Tatsächlich folgte eines. 1971 wurde das zweitägige Wunderland durch die mehrwöchigen Tummelferien ersetzt.