Moers. Der Bestseller-Autor Uli Hauser erinnert sich an seine Tummelferien in Moers in den 80ern - an Gabi, Chefvisiten und Tränen, wenn’s vorbei war.

Tummelferien! Schon der Name verheißt eine schöne Zeit. Ausgelassen und frei sein, sich ausleben und austoben. Viele tausend Moerser Kinder haben diese Tummelferien in ihrer Heimatstadt erlebt und genossen, die meisten wohl mehrfach. Kaum zu glauben, dass es diese immer noch junge Veranstaltung so lange gibt: Seit dem 12. Juli 1971 wird in der Grafenstadt getummelt. In diesem Jahr sollten es die 50. Ferienspiele sein, doch Corona hat nicht mal darauf Rücksicht genommen – verschoben auf 2020. Doch es gibt genug Gründe, auf die Geschichte der Tummelferien zu schauen. Zum Auftakt einer kleinen Serie kommt Uli Hauser zu Wort. Hauser, langjähriger Stern-Reporter, ausgezeichnet mit dem wichtigsten deutschen Journalistenpreis, dem Theodor-Wolff-Preis, und Bestseller-Autor, war 1982 als Betreuer bei den Tummelferien. Für die NRZ hat er seine Erinnerungen aufgeschrieben:

Von ULI HAUSER

Mein Traum vom Tummeln hatte auch mit Gabi zu tun. Für Gabi tu ich alles, sang mein Vater, und der Sohn verliebte sich. Ich traf Gabi im Südring, sie kümmerte sich um die Kinder von Moers. Die sollten es im Sommer besser haben, und ein paar Erwachsene waren auf die glorreiche Idee gekommen, ihnen drei Wochen Abenteuer vor der Haustür zu spendieren: Tummelferien. Kinderlandverschickung nur ein paar Straßen weiter, was war das für ein Spaß.

Unser Autor Uli Hauser wurde nach den Tummelferien noch Animateur in Ferienclubs in Afrika und anderswo. Journalismus lernte der gebürtige Orsoyer bei der NRZ in Moers und Rheinberg, dann ging er zum Stern nach Hamburg. Gemeinsam mit Gerald Hüther schrieb Hauser die Bestseller „Jedes Kind ist begabt“ und „Würde“. Zuletzt erschien „Geht doch!“, eine Art Road-Movie über seinen Spaziergang von Hamburg nach Rom (Knaus-Verlag).
Unser Autor Uli Hauser wurde nach den Tummelferien noch Animateur in Ferienclubs in Afrika und anderswo. Journalismus lernte der gebürtige Orsoyer bei der NRZ in Moers und Rheinberg, dann ging er zum Stern nach Hamburg. Gemeinsam mit Gerald Hüther schrieb Hauser die Bestseller „Jedes Kind ist begabt“ und „Würde“. Zuletzt erschien „Geht doch!“, eine Art Road-Movie über seinen Spaziergang von Hamburg nach Rom (Knaus-Verlag). © Tinka Akalovic

Ich kam aus Orsoy und fuhr auch zur Erholung in die große Stadt. Durch den Baerler Busch mit dem Rad und als Betreuer, wie es so schön hieß. Dann traf ich sie und sah in ihre Augen: Und es war Sommer. Ich war 17, und Gabi wusste mehr. Morgens, wenn wir uns im Büro mit den anderen Betreuern zur Besprechung trafen, den Kindern Spaß zu organisieren, war mein ganzes Bemühen, die Bande mit Gabi anzuführen. Wir teilten unsere Besucher in Gruppen ein, und dann ging es los. Ich gab mich so, als sei sie überhaupt nicht da, und um die Schultern trug sie nur ihr langes Haar: Es wurde ein richtig guter Sommer.

Das also ist meine erste Erinnerung an diese wundervolle Zeit. Wie wir, 16,17,18 Jahre jung und nur wenig älter als die Blagen, die uns anvertraut waren, großartige Erfahrungen sammeln durften, herrlich unbeschwert und voller Lebenslust. Es war eine bunte Truppe, die zusammenkam: Söhne und Töchter von Oberstudienräten, die endlich mal nichts von Erziehung hören wollten. Jusos mit eigenen Autos, die für die anderen Tempo 30 forderten und mit 70 Sachen durch die Stadt rasten. Super Ökos, die Teppichtaschen trugen und Gedichte schrieben.

Ab und an war Chefvisite. Dann kam Reinhard Rosemann, Chef des Ganzen und Stadtjugendpfleger, was für ein herrlicher Name. Wir nannten ihn zärtlich Rosemöppel. Er musste manchmal, weil Chef, motzen, aber meinte es nicht so. Wir waren die jungen Wilden, und Reinhard musste gut aufpassen, dass wir nicht zu sehr ausbüxten. Er verstand es ganz gut, in einer Mischung aus väterlicher Strenge und klammheimlicher Sympathie jugendlichen Leichtsinns sein Animationsteam zusammenzuhalten. War ja doch eine gewaltige Verantwortung.

Uli Hauser mit anderen Betreuerinnen und Betreuern bei den Tummelferien 1982.
Uli Hauser mit anderen Betreuerinnen und Betreuern bei den Tummelferien 1982. © Stadt Moers | Stadt Moers

Wir zogen durch die Felder und spielten im Schlosspark „new games“, Spiele ohne Sieger. Spielten Fangen und Verstecken und nach dem Job gab es immer Eis um die Ecke. Der größte Spaß war wohl, dass an einem Wochenende alle, die wollten, im Jugendzentrum übernachten durften. Und nie ist was passiert, zumindest den Kindern nicht; und wir Betreuer saßen im Büro und lachten und diskutierten. So ist mir dieser Satz in Erinnerung geblieben: Morgens um sieben ist die Welt noch im Südring.

Meine dritte Erinnerung ist: Dass wir weinten, wenn es vorbei war. Weil wir alle, die Großen wie die Kleinen, so sein konnten, wie wir sein wollten. Und so viel gelernt hatten über uns und die anderen und gemeinsam waren, jeden Tag aufs Neue. Wenn einer von uns damals die Kinderrepublik ausgerufen hätte, vielleicht hätten wir es gewagt; heute haben wir immerhin fridays for future, das ist ja schon mal was.

Diese Sommer in Moers waren Festivals der guten Laune und eine Werbung fürs Miteinander. Die Kinder waren keine Kunden, sie sollten und wollten mitbestimmen, was Spaß machte. Und für uns war klar: Eltern brauchen Grenzen.

Tummel, Rummel, Fummel - eigentlich was fürs Weltkulturerbe

Die Tummelferien waren wie eine bessere Welt, eine helle Freude. „Mir tun alle Kinder leid, die nicht in Bullerbü leben“, ließ Astrid Lindgren einmal eine ihrer Leutchen sagen, ich glaube, es war Pippi Langstrumpf; heute würde ich so ähnlich über die Tummelferien sprechen, ich hoffe, das stimmt so, ich war ja lange nicht mehr da. Tummel, Fummel, Rummel: eigentlich was fürs Weltkulturerbe.

Ach so, wie es mit Gabi weiter ging, wollt ihr wissen? Ich weiß es nicht, wir haben uns aus den Augen verloren. Aber wenn ihr sie seht, grüßt sie herzlich. Und sagt ihr, wie schön es war, alles.

Erinnern auch Sie sich an Ihre Tummelferien? Schreiben Sie es auf: NRZ, „Tummelferien“, Homberger Straße 4, 47441 Moers; lok.moers@nrz.de