Moers. Dr. Thomas Voshaar vom Moerser Bethanien Krankenhaus sorgt mit seiner These zu Aerosolen erneut für Aufsehen. Dazu hat er auch ein Video gedreht.

Der Moerser Arzt Dr. Thomas Voshaar ist nicht nur mit seiner Behandlung von Corona-Patienten und seiner These zu Aerosolen derzeit in aller Munde. Auch damit, wie die Pandemie in Deutschland weitergeht, beschäftigt sich der Spezialist. Von einer zweiten Welle geht Voshaar nicht aus. „Das ist eine Einschätzung, die ich mit vielen Kollegen teile“, so Voshaar. Sicher könne das aber niemand sagen, es gebe aber logische Anhaltspunkte.

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Für eine zweite Welle brauche es eine große Mindestanzahl an Infizierten, die es derzeit nicht gebe. „Wir haben einzelne kleinere und größere Hotspots, die aber weit voneinander entfernt liegen“, sagt er. „Und solange dort weiterhin so konsequent die Kontakte der Infizierten zurückverfolgt werden, diese in Quarantäne bleiben und so die Verbreitung verhindert wird, wird aus diesen Hotspots auch keine Welle.“ Die sogenannte erste Welle, so erklärt Voshaar, sei ja maßgeblich beeinflusst worden durch die Nähe zu Frankreich, Schweiz, Österreich und Italien, wo die Corona-Zahlen sehr hoch waren. Deswegen habe es auch in Ost- und Norddeutschland wesentlich weniger Fälle gegeben als im Süden und Westen.

Voshaar sieht Krankenhäuser und Politik gut aufgestellt für die kommenden Monate. Neben der Zahl der Infizierten sei aber eigentlich viel wichtiger, wie viele der positiv Getesteten auch tatsächlich krank würden. „Da müssen wir jetzt genau hinschauen, wie viele der Infizierten beispielsweise bei Tönnies auch Symptome entwickeln oder sogar ins Krankenhaus müssen“, meint Voshaar. Es gebe die vorsichtige Tendenz, dass sich das Virus etwas abgeschwächt habe und die Menschen weniger stark erkrankten.

Voshaar: Es wir immer wieder Hotspots geben

Noch ein Patient liegt derzeit im Moerser Krankenhaus Bethanien mit dem Coronavirus auf der Intensivstation. „Er hat schwere Herzvorerkrankungen und braucht noch Unterstützung bei der Atmung“, erklärt Chefarzt Dr. Thomas Voshaar. Man könne jetzt von einer Phase der Entspannung sprechen, nur ein weiterer Patient liege mit Verdacht auf das Virus ebenfalls im Bethanien. „Es ist etwas Ruhe eingekehrt“, so Voshaar. „Trotzdem wird es in den kommenden Wochen immer wieder kleinere und größere Hotspots geben“, ist sich der Chefarzt der Lungenklinik sicher. Beispielsweise nach Feiern oder Restaurantbesuchen.

Deswegen sei es jetzt an der Zeit, aus den vergangenen Monaten zu lernen. 54 Menschen mit einem schweren Krankheitsverlauf, also einer beidseitigen Lungenentzündung, behandelte der Pneumologe seit Mitte März mit seinem Team. Nur einer verstarb – auch aufgrund seiner schweren neurologischen Vorerkrankungen. Voshaar hatte in den vergangenen Wochen fast weltweit Aufmerksamkeit erregt mit seiner Behandlungsmethode, die darauf ausgelegt ist, möglichst lange mit der künstlichen Beatmung zu warten, da diese Lunge des Patienten schädige.

Auch Jens Spahn lässt sich von Voshaar beraten

Mittlerweile ist er als Berater von Gesundheitsminister Jens Spahn in die erste Liga der Covid-Experten aufgestiegen. Und gerade führte Voshaar den Vizepräsidents des NRW-Landtages, Oliver Keymis, durch die Klinikräume. Keymis lobte Voshaars Arbeit ausdrücklich und hob auch hervor, dass sich kein Pfleger oder Arzt im Bethanien angesteckt habe.

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Mit seinen Ausführungen zur Verbreitung des Virus durch Aerosole steht Voshaar nun erneut im Zentrum der Aufmerksamkeit. Denn neben den Tröpfchen, die beim Husten oder Niesen entstehen, und der so genannten Kontaktinfektion gibt es noch eine dritte Übertragungsform des Virus: Durch Aerosole, also sehr kleine Partikel, die so leicht sind, dass sie sehr lange in der Luft schweben. „Schon beim Atmen verteilen sie sich, beim Sprechen noch mehr, beim Singen und Schreien verbreiten sie sich noch stärker und am größten ist die Verbreitung bei einer an Covid erkrankten Lunge“, erklärt Voshaar, der sich schon seit Jahrzehnten mit Aerosolphysik beschäftigt.

Video für das Gesundheitsministerium aufgenommen

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Das Robert-Koch-Institut (RKI) ging bisher davon aus, dass der hauptsächliche Übertragungsweg die Tröpfcheninfektion sei. Voshaar sagt jedoch: „Mehr als 80 Prozent der Infektionen wird über die Aerosole übertragen.“ Deswegen sei es so wichtig, dass gelüftet werde. „Das klingt banal, aber am besten lässt man in Räumen mit vielen Menschen ständig Türen und Fenster auf.“ Die Aerosole mit den Viren bekomme man nur durch Lüften aus den Räumen.

Spahn hörte sich das an und leitete es direkt an das RKI sowie Virologe Christian Drosten weiter. Auch mit diesen Experten steht Voshaar nun in regelmäßigem Austausch. Und hat zudem ein Video mit dem Gesundheitsministerium aufgenommen, das auf Youtube abrufbar ist. Darin erklärt der Pneumologe anschaulich, dass die höchste Gefahr einer Ansteckung demnach in kleinen Räumen, mit vielen Menschen und wenig Durchlüftung besteht, sie draußen aber um ein Vielfaches geringer ist. „Ich würde bedenkenlos in einen Biergarten gehen“, sagt Voshaar. Dort würden die Aerosole vom Wind schnell verteilt und stark verdünnt.

Covid-Intensivstation wird zurückgebaut

Voshaar mit einem nicht-invasiven Beatmungsgerät: Mit seiner Behandlunsgmethode von Covid-Patienten hat der Lungenfacharzt weltweit Beachtung gefunden.
Voshaar mit einem nicht-invasiven Beatmungsgerät: Mit seiner Behandlunsgmethode von Covid-Patienten hat der Lungenfacharzt weltweit Beachtung gefunden. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Im Bethanien wird die Covid-Intensivstation Ende dieser oder Anfang kommender Woche zurückgebaut. Über 1000 Euro kostet ein Tag auf der Station, die meisten Covid-Patienten blieben zwei bis drei Wochen, einige auch viel länger. „Jetzt steht zur Diskussion, wo wir Patienten mit einem schweren Erkrankunsverlauf betreuen, wenn es die Station nicht mehr gibt“, so Voshaar. Immer noch lassen sich jeden Tag Menschen im Untersuchungszelt testen: Die Anzahl schwankt zwischen 40 und 60 Personen.

Unterstützung vom Kreis gab es dabei laut Ralf Engels, Stiftungsvorstand des Krankenhauses, nicht. Die Krisenpolitik nannte er „ausbaufähig“. Das Bethanien sei „allein gelassen“ worden, man habe anfangs 14 Stunden pro Tag ein Hygienetelefon für Bürger geschaltet, das Untersuchungszelt sei zehn Stunden täglich von montags bis sonntags geöffnet gewesen. „Das hat unser Team komplett eigenständig geleistet“, so Engels. Der Krisenstab tagt indes weiter, ab jetzt zwei Mal wöchentlich. Aufgelöst werden soll er auf absehbare Zeit nicht.