Ist es verrückt, in diesen Zeiten ein Festival durchzuziehen? Ja, aber das passt zur Tradition des Moers Festivals. Und es hat funktioniert.

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weifler werden eines Besseren belehrt. Es schien, als stehe Tim Isfort mit beiden Beinen fest in den Wolken, als er verkündete: Das Festival findet statt. Die analog-digitale Version stieß real auf unerwartet hohe Resonanz und viel Lob: Moers mauserte sich zum respektablen Schiff im Meer der abgesagten Konzerte. Was beweist: Die Menschen haben Hunger nach Kultur.

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Solche Veranstaltungen sind eben nicht nur ein Sahnehäubchen, eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Künstler. Sie sind Lebensmittel. Nicht nur für die Künstler, Veranstalter und alle, die da dran hängen. Auch fürs Publikum, das sich den Sommer anders gedacht hat. Das Heer derer, die sich gerade Tickets zurückerstatten lassen oder sich ins nächste Jahr vertrösten, dürfte mehrere Fußballstadien füllen.

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Ja, große Namen wie Archie Shepp oder John Zorn fehlten. Das Programm war – notwendigerweise – zweite Wahl. Aber es war gut, vielseitig, trotz aller Widrigkeiten international besetzt, hatte mit Chilly Gonzales einen mehr als angemessenen Höhepunkt, hatte die gewohnten Überraschungen im Gepäck, es bediente Moerser Hörgewohnheiten. Und erfüllte einen weiteren Auftrag, nämlich den öffentlichen Diskurs anzuregen. In dem Fall mit politischen Statements zur Lage in Minneapolis.

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Dieses „Jetzt-erst-recht-Festival“, bei dem alle an einem Strang gezogen haben, um das scheinbar Unmögliche möglich zu machen, ist beachtlich. Dass Arte als Streaming-Dienst bei der Stange geblieben ist, hat das Festival in dieser Form erst möglich gemacht. Ein Festival, das sich in dieser Eigenwilligkeit ganz in der Tradition seiner im nächsten Jahr 50-jährigen Geschichte bewegt. Und eines, das in diesen Tagen nicht nur die Tagesschau, sondern ein kleines bisschen die Welt auf Moers hat schauen lassen, auf diese unbeugsame kleine Großstadt und seine Kämpfer für die Kultur. Hut ab!