Am Niederrhein. Bald müssen Händler bei jeder noch so kleinen Rechnung einen Bon drucken. Der Staat will Steuerbetrug vorbeugen. Vor allem Bäcker sind verärgert.

Für die eine Seite sind es Mehrkosten und Mehraufwand, die andere Seite hofft, erfolgreich gegen Steuerbetrug vorgehen zu können: Ab 1. Januar 2020 wird die sogenannte Kassensicherungsverordnung eingeführt. Dann ist es unter anderem für Händler Pflicht, ihren Kunden beim Kauf einen Bon auszuhändigen – selbst bei noch so niedrigen Kaufbeträgen. Eine Maßnahme, die auch die Bäckereibranche zu spüren bekommt.

Es sei ein Synonym für den Druck, den Bäcker erleiden müssten, „das macht keinen Spaß mehr“, äußert sich Andreas Schomaker, Inhaber der Biobäckerei in Neukirchen-Vluyn verärgert über die neue Pflicht. In seinen Bäckereien seien die Mitarbeiter immer angehalten, den Kunden ihren Bon anzubieten, doch in den meisten Fällen werde dieser abgelehnt und müsse nicht gedruckt werden. „Ich bin sehr sauer, dass ich als Bäcker, der sauber abrechnet, als Betrüger verunglimpft werde“, stellt Schomaker einen immer wiederkehrenden Kritikpunkt heraus.

NRW-Finanzministerium spricht mehreren Milliarden Steuerausfall

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„Die Bargeldbranche steht nicht unter Generalverdacht“, wird in einem Schreiben des Finanzministeriums NRW auf Nachfrage dieser Redaktion betont. Wie viele Verfahren zum Steuerbetrug im Einzelhandel in NRW geführt werden, werde nicht erhoben. Ein Sprecher führt aber in dem Schreiben aus, dass im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens Schätzungen angestellt wurden, die von einem jährlichen Steuerausfall von mindestens 5 bis 10 Milliarden Euro bundesweit ausgingen. Der Belegausgabepflicht komme eine präventive Wirkung zu, da der Unternehmer nicht wisse, ob eine Überprüfung tatsächlich stattfinde. Es sei davon auszugehen, dass Verstöße künftig schneller und effektiver aufgedeckt werden können. Von der Pflicht betroffen seien nur elektronische Aufzeichnungssysteme. Für viele kleine, inhabergeführte Betriebe bestehe die Pflicht somit nicht.

Für die meisten Bäckereibetriebe in der Region aber schon. Andreas Schomaker spricht von einer zusätzlichen Investitionssumme über 90.000 Euro – auch mit Blick auf die neuen Kassensysteme. „Obwohl wir neue Kassen haben“. Das Problem: Es fehle der Speicherplatz. Denn jeder Einkauf müsse künftig gesichert werden.

Bon-Pflicht: Neue Drucker und Mülleimer werden in Bäckereien notwendig

Bei der Bäckerei-Kette Bolten, unter anderem mit Fachgeschäften in Moers und Kamp-Lintfort, müssten neue Drucker angeschafft werden, damit künftig auch jeder Mitarbeiter problemlos einen Bon drucken und für die Herausgabe nicht viele Meter laufen müssten, so Geschäftsführer Ralf Bolten. In den Köpfen der Verkäufer müsse erstmal ankommen, dass es dann bald eben nicht mehr freiwillig sei, die Bons herauszugeben, sondern eine Pflicht. Aktuell wolle nur ein Prozent der Kunden einen Beleg haben.

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Der Obermeister der Bäckerinnung im Kreis Wesel, Johannes Gerhards aus Kamp-Lintfort, spricht als weiteren Kritikpunkt die Umweltbelastung an, da umso mehr Thermopapier im Umlauf sein wird: „Die weißen Zettel werden sich türmen. Davon abgesehen ist das beschichtetes Papier, das im Restmüll entsorgt werden muss.“

Auch bei der Bäckerei Büsch rechnet man künftig mit viel Bon-Papier, das zurückgelassen wird. Hier habe man für jedes Fachgeschäft Abfalleimer gekauft, die sowohl vor, aber auch hinter der Theke platziert würden. „Denn wir haben festgestellt, dass die Kunden die Kassenzettel bewusst ablehnen und auf der Theke liegen lassen.“ Inhaber Norbert Büsch spricht von einer „völlig überflüssigen Regelung“. Hier habe die Bürokratie über den Umweltschutz gesiegt.