Am Niederrhein. . Der Landesentwicklungsplan weist laut Gutachten „erhebliche Rechtsmängel“ auf. Betroffene Kommunen setzen auf Dialog mit der Landesregierung.

Der neue Landesentwicklungsplan, der am 15. Mai im Landtag beraten wird, weist nach Meinung eines Experten „erhebliche Rechtsmängel“ auf. Damit würden auch weitere Auskiesungen am Niederrhein juristisch anfechtbar sein. Zu dieser Erkenntnis kommt ein Gutachten des Rechtswissenschaftlers Professor Dr. Martin Kment, Direktor des Instituts für Umweltrecht der Universität Augsburg. Das Gutachten hatten der Kreis Wesel und die dort am stärksten betroffenen Kommunen Kamp-Lintfort, Alpen, Rheinberg und Neukirchen-Vluyn gemeinsam in Auftrag gegeben.

Es geht um die Verlängerung des Versorgungszeitraums von 20 auf 25 Jahre

Sie wollten geklärt haben, ob der Entwurf des Landesentwicklungsplan (LEP) in diesem Bereich rechtmäßig ist – insbesondere mit Blick darauf, ob die geplante Verlängerung des Versorgungszeitraums von 20 auf 25 Jahre den gesetzlichen Anforderungen entspricht und welche rechtlichen Möglichkeiten die Betroffenen haben, gegen weitere geplante Auskiesungen vorzugehen.

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Kment kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die geplanten Änderungen des LEP in wesentlichen Punkten nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprechen: Die Verlängerung des Versorgungszeitraums von 20 auf 25 Jahre, so der Sachverständige, entspreche nicht den Anforderungen des Raumordnungsgesetzes (§ 3 Abs. 1 Nr. 2), weil die Landesregierung es versäumt habe, in eigener Verantwortung zu ermitteln, welchen „Bedarf“ sie eigentlich sichern wolle.

Gutachter: Landesregierung entziehe sich gesetzlicher Steurungsaufgabe

Allein mit der Festsetzung des „Versorgungszeitraums“ entziehe sich die Landesregierung ihrer gesetzlichen Steuerungsaufgabe, so der Gutachter und erläutert dies an einem Beispiel: „Wenn man den Bedarf der Bevölkerung an Trinkwasser für einen Zeitraum von 25 bzw. 35 Tagen in Gefäßen vorhalten will, muss man vorher selbstverständlich ermitteln, welchen Bedarf an Wasser die Bevölkerung tatsächlich hat.

Steht es im Belieben des Versorgers, den Bedarf an Wasser festzulegen, dann liegt es auch in seiner Hand, über den Versorgungszeitraum zu disponieren. Will er nur geringe Mengen in kleinen Gefäßen vorhalten, reduziert er die Annahme zum Verbrauch pro Tag. Zielt er auf eine große Menge Trinkwasser ab (große Gefäße), erhöht er einfach den angenommenen Pro-Kopf-Verbrauch.“

Dieses Versäumnis führe dazu, dass entsprechende Maßnahmen des Regionalverbandes Ruhr (RVR) zur Umsetzung des LEP, also die Ausweisung weiterer Auskiesungsflächen am Niederrhein, anfechtbar wären und mit Erfolg vor Gericht beklagt werden könnten.

Betroffene Kommunen fühlen sich bestätigt

Die betroffenen Kommunen fühlen sich durch das Gutachten in ihrer Kritik bestätigt. Kamp-Lintforts Bürgermeister Christoph Landscheidt: „Um welchen Bedarf geht es eigentlich? Um regionale, landesweite, bundesweite Bedarfe, einschließlich des Exports, insbesondere in die grenznahen Niederlande? Werden bei der Bemessung des Bedarfs auch die erheblichen Mengen berücksichtigt, die durch Recycling von Abbruchmaterial gewonnen werden könnten? Wird die Kiesindustrie überhaupt angehalten oder gar verpflichtet, einen umweltschonenderen Umgang mit der endlichen Ressource Kies einzuschlagen oder zumindest bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen? Grundlage für den LEP scheinen letztlich lediglich die unbefriedigenden und intransparenten Angaben und Aussagen der Kiesunternehmen selbst zu sein. Durch das Rechtsgutachten ist jetzt klargestellt, dass dieses Vorgehen im Entwurf des LEP jedenfalls im Hinblick auf die unbegründete Verlängerung des Versorgungszeitraums rechtswidrig ist.“

Die beteiligten Kommunen fordern die Landesregierung deshalb auf, in den parlamentarischen Beratungen bis zur Sommerpause dafür zu sorgen, dass der Bedarfsbegriff rechtssicher und ressourcenschonend formuliert wird. Dies müsse kurzfristig und im Dialog mit allen Beteiligten geschehen, damit es künftig nicht zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kommt, heißt es. Und: Klagen der betroffenen Kommunen, Eigentümer und Anwohner sollten die ultima ratio sein.