Neukirchen-Vluyn. . Wenn sich die Reaktivierung der Bahnstrecke nicht realisieren lässt, könne man auch über andere Nutzungen nachdenken, sagt Landrat Ansgar Müller.

Die SPD möchte sie schon seit Jahren: die reaktivierte Bahnstrecke von Neukirchen-Vluyn nach Moers. Jetzt hat der Rat der Stadt das Geld für ein Gutachten freigegeben. NRZ-Redakteurin Sonja Volkmann hat den Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller, zum Verfahren befragt.

Herr Müller, Neukirchen-Vluyn will eine Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke in Auftrag gegeben. Für wie sinnvoll halten Sie das zum jetzigen Zeitpunkt?

Das Land Nordrhein-Westfalen arbeitet derzeit an einem neuen ÖPNV-Bedarfsplan. Hierbei wird auch die Schienenstrecke von Neukirchen-Vluyn nach Moers nochmals bewertet, die im derzeit noch gültigen Bedarfsplan 2005 als disponibles Vorhaben mit Kosten von 10,95 Mio. Euro ausgewiesen ist. In diesem Zusammenhang halte ich eine neue Machbarkeitsstudie für sinnvoll, unter anderem für eine Aktualisierung der aus der Betriebskostenuntersuchung aus dem Jahr 2003 stammenden Ausgangswerte.

Die CDU behauptet, man würde mit der Studie den zweiten Schritt vor dem ersten machen, und will erst mit der Niag sprechen. Im Raum stehen noch die Themen Rad und E-Bus. Sehen Sie auf der Trasse realistisch etwas Anderes als eine Bahn oder gar nichts?

Der Rat der Stadt Neukirchen-Vluyn hat am 10. Oktober 2018 mit großer Mehrheit (bei nur einer Enthaltung) beschlossen, einen kompetenten Fachgutachter auszusuchen und zunächst die Planungskosten für eine Aktualisierung zu ermitteln. Wenn Neukirchen-Vluyn anschließend eine neue Untersuchung beauftragt, wird sicherlich auch die Niag vom Gutachter beteiligt. Wenn sich letztlich ein Schienenpersonennahverkehr zwischen Neukirchen-Vluyn und Moers nicht verwirklichen lässt, kann aus meiner Sicht selbstverständlich auch über eine anderweitige Nutzung der Trasse, wie zum Beispiel einen Radweg, nachgedacht werden. Der kann ebenfalls sehr positive verkehrliche und ökologische Auswirkungen haben.

NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst hatte im September vergangenen Jahres Hoffnung geweckt, als er sagte, die stillgelegte Bahnverbindung sei zur Neubewertung im ÖPNV-Bedarfsplan angemeldet und das Geld für die Reaktivierung sei da. Freuen sich die Befürworter der Bahn zu früh?

Entscheidend werden letztlich die Einstufung im neuen ÖPNV-Bedarfsplan für die Infrastruktur und die Möglichkeiten des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr für die Übernahme der anfallenden Betriebskostendefizite sein.

Wie schätzen Sie mit Blick auf die marode Rheinbrücke und die zahlreichen Pendler aus Neukirchen-Vluyn den gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Nutzen einer solchen Bahnverbindung ein?

Aus meiner Sicht stehen sowohl der gesellschaftliche als auch der ökologische Nutzen einer Schienenverbindung außer Frage. Sie muss aber im wahrsten Sinne des Wortes auch „machbar“ sein.

Ein wichtiger Aspekt der Prüfung zur Reaktivierung der Trasse ist die Wirtschaftlichkeit. Inwiefern lässt sich öffentlicher Personennahverkehr überhaupt wirtschaftlich betreiben?

Ein kostendeckender Schienenpersonennahverkehr ist nach den bisherigen Erfahrungen leider nicht möglich. Anders ist das beim Busverkehr, wie die Niag zeigt.

Wie ist das weitere Procedere und welche Rollen spielen der Kreis Wesel und der VRR im Verfahren?

Entscheidend ist zunächst die Einstufung der Schienenstrecke im neuen ÖPNV-Bedarfsplan NRW, ggf. unterlegt mit aktuellen Daten aus einer neuen Machbarkeitsstudie der Stadt Neukirchen-Vluyn. Auf dieser Basis wird der VRR unter Einbeziehung der Stadt Neukirchen-Vluyn prüfen, ob eine Übernahme der Betriebskostendefizite und der voraussichtlich anfallenden Eigenanteile bei den Infrastrukturkosten möglich ist. Der Kreis wird, wie auch vom Stadtrat am 10. Oktober 2018 gewünscht, das Verfahren im Rahmen seiner Möglichkeiten begleiten.

Was kostet eine solche Reaktivierung (bestenfalls mit passendem Anschluss in Moers) und wer zahlt am Ende die Zeche?

Die Infrastrukturkosten wurden im Jahr 2003 auf rund 11 Mio. Euro geschätzt. Diese und die Betriebskosten müssen im laufenden Verfahren aktualisiert werden.