Kreis Wesel. Bei der Familienkasse fehlt Personal – das hat schwere Auswirkungen. Eine Mutter aus dem Kreis Wesel erzählt, was das für ihren Alltag bedeutet.

Niemand soll Not leiden, davor schützt uns der Sozialstaat, zumindest theoretisch. In der Praxis funktioniert das häufig nicht, Menschen am Existenzminimum treffen auf überlastete Behörden – und bleiben die Verlierer. Beispiel Kinderzuschlag: Die Familienkasse ist derzeit damit überfordert, die Ansprüche der Kreis Weseler fristgerecht zu erfüllen. Was das für den Alltag bedeutet, berichtet uns eine zweifache Mutter, die anonym bleiben soll; nennen wir sie Katharina.

Aus dem Bürgergeldbezug haben sie sich herausgekämpft, endlich Arbeit gefunden. Leider nur als Geringverdiener, immerhin. Dennoch reicht das Geld einfach nicht, um die vierköpfige Familie zu ernähren. Für diesen Fall sieht das Gesetz den Kinderzuschlag vor, je nach Einkommen vom 1. Januar an bis zu 292 Euro pro Monat und Kind, im Vorjahr waren es 250. Katharina und ihre Familie haben Anspruch auf knapp 550 Euro im Monat, jedes halbe Jahr stellt sie den Antrag. Trotzdem kam im April nichts und für Mai sieht es aktuell bereits schlecht aus. „800 Euro bleiben uns jetzt nach Abzug der Fixkosten noch zum Leben, das ist nicht zu schaffen“, sagt sie. Und das trotz eines Vollzeitjobs. Das ausgebliebene Geld wird nachgezahlt, „das hilft mir jetzt aber nicht“.

Familienkasse im Kreis Wesel: Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht

Zuständig für den Kinderzuschlag im Kreis Wesel ist die Familienkasse NRW Nord, angesiedelt bei der Agentur für Arbeit in Bochum mit einer Zweigstelle in Wesel. Die allerdings ist telefonisch nicht zu erreichen. „Man kann von 8 bis 18 Uhr anrufen, doch immer heißt es, es sei ein zu hohes Aufkommen. Ich fliege ständig aus der Leitung“, hat die 41-jährige Mutter festgestellt. Und direkte Ansprechpartner gibt es vor Ort nicht. Auf Redaktionsanfrage teilt die Familienkasse mit: „... dass es aktuell zu Verzögerungen bei den Auszahlungen kommt und die Familienkasse aktuell schlecht erreichbar ist, bedauern wir sehr.“

Beratung für Familien

Im Kreis Wesel gibt es verschiedene Stellen, bei denen Familien Hilfe bekommen können. Einige Beispiele.

Die Caritas Moers-Xanten bietet Beratung, Ansprechpartner ist Heiko Hohenhaus, 02841/ 90 108 00, Hilfe gibt es auch bei der Caritas in Wesel, zuständig ist Sabine Rauenschwender, 02064/ 4650671,

Das Diakonische Werk des Kirchenkreises Wesel bietet ebenfalls Unterstützung an, telefonische Information unter 0281/156-210. Auf der linken Rheinseite steht die Grafschafter Diakonie bereit, Ansprechpartnerin ist Ramona Görsch, 02841 /99 99 44-402.

Erfolgversprechend kann auch eine Anfrage in der eigenen Kirchengemeinde oder bei der Kommune sein, in der Regel sind dort Anlaufstellen bekannt.

In der Regel würden alle vollständig vorliegenden Anträge binnen 40 Tagen bearbeitet. Aber: „Derzeit ist die Belastungssituation sehr hoch und die üblichen Bearbeitungszeiten werden in der Tat überschritten.“ Als Grund nennt die Familienkasse die „weiterhin stark steigenden Antragszahlen beim Kinderzuschlag.“ Die Zahl der Kinder sei im vergangenen Jahr von 760.000 auf mehr als eine Million bundesweit gestiegen. In NRW seien es, Stand März 2024, 118.507 Familien. Schnelle Abhilfe kann die Behörde nicht in Aussicht stellen, man habe in Abstimmung mit dem Familienministerium noch im vergangenen Jahr zusätzliches Personal eingeplant, das nun sukzessive akquiriert und qualifiziert werde. Das lässt eine längere Durststrecke befürchten.

Not treibt die Menschen in die Schuldenfalle

Brunhild Demmer, Vorstandsvorsitzende des Caritasverbandes Moers-Xanten, ordnet ein, was das für Menschen bedeutet, die ohnehin jeden Cent umdrehen müssen. „Die laufenden Zahlungen für Miete, Strom und Kita laufen ja weiter, bleibt das Geld aus, geraten die Leute wirklich unter Druck.“ Nicht jede Familie wende sich mit dem Problem an eine Beratungsstelle oder sei in der Lage, selbst Schreiben aufzusetzen und sich mit der Behörde auseinander zu setzen. Katharina scheut die bürokratischen Anforderungen nicht, kämpft sich durch die umfangreichen Anforderungen, hakt auch nach. Doch es ist kompliziert, „ganz ehrlich: Ich gerate dabei auch an meine Grenzen“, sagt sie.

Demmer kennt die Spirale, die dann häufig einsetzt. „Wenn Menschen finanziell unter Druck geraten, sind sie von der Not oft so beeindruckt, dass ihr einziger Gedanke ist: Woher bekomme ich jetzt Geld?“ Die Caritas und andere Stellen beraten zwar, helfen beim Schriftkram. Geld können sie nicht geben, „die Menschen stehen oft mit dem Rücken zur Wand“. Weil gerade Geringverdiener bei Banken kaum bezahlbare Kredite bekommen können, greifen sie zum Strohhalm. Unseriöse Geldgeber treiben sie in die Schuldenfalle.

Durststrecke nach dem Ausstieg aus dem Bürgergeld

Besonders schlecht sieht es laut Demmer für Leistungsbezieher bei Wechseln aus, die Zeit kosten. Als Beispiel nennt sie das Wohngeld. „Anfang 2023 hatten mehr Menschen Anspruch auf Wohngeld als bislang. Dafür gab es keine Kapazitäten und es hat zu großen Verwerfungen geführt.“ Das Geld kam nicht bei denen an, die es so dringend benötigten. Auch Katharina hat einen solchen Wechsel erlebt: Raus aus dem Bürgergeld, ein persönlicher Erfolg für ihre Familie und hart erkämpft. Weil das Familieneinkommen trotz Arbeit zu gering war, musste sie den Kinderzuschlag beantragen. Drei lange Monate ließ der auf sich warten. „Manchmal fühle ich mich dafür bestraft, dass ich arbeiten gehe“, sagt sie.