Kreis Wesel. In großen Städten werden oft möblierte Wohnungen angeboten, nicht selten bei hohem Aufschlag der Miete. Ist das auch im Kreis Wesel ein Thema?

Große und teure Anschaffungen wie die Einbauküche stehen zur Übernahme bereit oder können mit gemietet werden – das ist bei der Wohnungssuche nicht unüblich und kann sehr praktisch sein. Aber was, wenn die ganze Wohnung voll möbliert ist, ausgestattet mit Bett über Schrank, Kommode bis hin zum Esszimmertisch?

In großen Städten scheinen solche Wohnungsangebote im Trend zu liegen – und werden durchaus kritisch gesehen. Zumindest dann, wenn Vermieter wegen des Inventars unangemessene Mietpreise verlangen. Und das bei einem oft ohnehin überschaubaren Angebot bezahlbaren Wohnraums. Auch der Verein Mieterschutzbund Niederrhein kennt diese Problematik: „Es gibt Firmen, die dieses Mittel gezielt einsetzen“, bestätigt Peter Heß, Geschäftsführer des Vereins, der auch in Wesel und Moers berät. Und Heß stellt fest: „Es nimmt zu.“ Der Gesetzgeber sei gefordert, gegenzusteuern.

Ist das auch am Niederrhein ein Thema? Auf eine Google-Suche nach möblierten Wohnungen im Kreis Wesel lässt sich ein Eintrag beim Internetportal Immobilienscout mit aktuell 17 Angeboten finden. Darunter etwa eine Wohnung in der Moerser Innenstadt, 48 Quadratmeter, 900 Euro Miete. Oder Rheinberg-Mitte, 22 Quadratmeter Wohnfläche für 695 Euro pro Monat. „Da wird richtig zugelangt“, bestätigt Heß die Dreistigkeit solcher Angebote. Bis zu 20 Prozent Aufschlag – Grundlage ist hier der ortsübliche Mietpreis – blieben folgenlos, sollte der Mieter eingewilligt haben, erläutert Heß. Bei 20 bis 49 Prozent Aufschlag gebe es eine Rückzahlungspflicht wenn der Mieter aufzeigen kann, dass seine Notlage ausgenutzt wurde, „ab 50 Prozent besteht ein Straftatbestand“.

Experte vom Mieterschutz: Oft werden Notlagen von Studierenden ausgenutzt

Heß kennt das Phänomen möblierter Wohnungen und unangemessener Mietpreise sehr gut aus Duisburg. Aber auch im Kreis Wesel komme das vor. Die Umgebung zur Hochschule Rhein-Waal in Kamp-Lintfort führt er beispielsweise an. Denn erfahrungsgemäß im Fokus solcher Angebote: Studierende, die dringend Wohnraum suchen, nicht aber ihren ganzen Hausrat mitnehmen wollen. Oft treffe es junge Menschen, die aus dem Ausland kommen. Sie müssen schnell eine Unterkunft finden, können sich die Wohnung nicht immer vor Ort ansehen. „Und sie kennen das deutsche Mietrecht nicht“, so Heß. Aus seiner Sicht fatal: Man wolle, dass diese Menschen kommen und eine positive Erinnerung mit Deutschland verbinden. Doch dann würden sie auf diese Art ausgebeutet.

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Heß betont: Es gehe um die schwarzen Schafe, die das exzessiv ausnutzten, etwa mit ganz einfachem Mobiliar. Mitunter forderten sie nachher noch Geld für beschädigte Möbel. Wie viel dann bei der Miete draufgeschlagen wird? Nicht unter 20 Prozent, so seine Erfahrung. Auf dem platten Land seien solche Modelle weniger üblich, sagt Heß. „Da passen die Nachbarn mit auf.“ Es funktioniere dort, wo die Abzocker anonym bleiben könnten. In solchen Fällen kann das auch die örtlichen Mietspiegel beeinflussen. Nur wenn der Vermieter das offiziell mit angebe, werde das aus dem Datensatz gestrichen, erläutert der Experte.

„Es gibt Firmen, die dieses Mittel gezielt einsetzen und es nimmt zu.“
Peter Heß - Geschäftsführer Mieterbund Rhein-Ruhr

Ein grundsätzliches Problem: Der Betroffene muss seine Betroffenheit auch merken. Und sich für seine Rechte einsetzen. Insbesondere Studierende blieben nicht lange vor Ort, sie wüssten es vielleicht nicht besser, könnten oder wollten sich dann nicht kümmern. Heß empfiehlt, sich mit der Miete in der Nachbarschaft auseinanderzusetzen und sich die Qualität der zur Verfügung gestellten Möbel genau anzusehen. Steht das in einem Verhältnis? Bei einem Inventar von 1000 Euro seien 120 Euro im Jahr an Aufpreis angemessen, der Mieter müsse auch den Zeitwert bei Schaden ersetzen, ordnet Heß ein. Beratung finden Betroffene dann etwa beim Mieterbund.

Angemessene Preise fürs Inventar: Manchmal gibt es Vorteile für beide Seiten

„Grundsätzlich empfiehlt sich von einer solchen Anmietung abzusehen“, sagt Heß. Aber es gebe natürlich Fälle und Lebensumstände, in denen eine möblierte Wohnung durchaus sinnvoll sei, etwa nach einer Trennung oder bei entfernter Arbeitstätte. Genauso: Eine ältere Damen bietet Studierenden eine Wohnung im Haus möbliert zur fairen Miete an – dann haben beide Seiten etwas davon.

Die andere Seite kennt Cordula Freitag, Geschäftsführerin vom Verein Haus und Grund in Dinslaken, der Eigentümer berät. Ihr Tipp: Eine Inventarliste sei wichtig. Einzelne Anfragen zum Thema habe sie gehabt, aber es sei nicht die Regel, dass Eigentümer sich entschließen, ihre Wohnung möbliert zu vermieten. Personen mit veralterte Inventar würde sie eher davon abraten, das mit anzubieten. Ja, damit könne die ortsübliche Miete umgangen werden, ihr sei das aber noch nicht begegnet. Und Freitag betont: Nicht immer sei die Vermietung einer möblierten Wohnung schlecht, „es kann für beide Seiten Vorteile haben.“ Als Beispiel nennt sie ein junges Paar, das auf ein Eigenheim spart und sich über eine eingerichtete Wohnung freut. Oder jemanden, der einen Zeitvertrag erhält und zunächst nicht weiß, wie lange er vor Ort bleibt.