Kreis Wesel. Der Mieterbund Niederrhein sagt, worauf Wohnungssuchende bei den Vermietern achten sollten. Doch das Angebot ist knapp.

Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware – auch im Kreis Wesel. Aktuell kommen viele, die sich ihre Wohnung früher leisten konnten, an ihre finanziellen Grenzen. Knackpunkt ist die Nebenkostenabrechnung, weiß Peter Heß, Geschäftsführer des Vereins Mieterschutzbund, Mieterbund Niederrhein, der seine Beratungsstellen unter anderem in Wesel und Moers hat. Einerseits, weil die Kosten tatsächlich stark gestiegen sind, andererseits aber auch, weil vor allem Wohnungsbauunternehmen, die nicht vor Ort ansässig sind, sie zur Gewinnmaximierung künstlich in die Höhe treiben. Wie auch die Mieten, ohne je etwas an den Wohnungen und Häusern zu tun.

Bei welchen Vermietern ist man gut aufgehoben? Heß empfiehlt in erster Linie kommunale Wohnbaugesellschaften, trotz Wegfall der Gemeinnützigkeit seien auch Genossenschaften noch immer eine gute Adresse. „Sie gehören noch zu den Sternen am Himmel.“ Auch Privatvermieter können eine gute Wahl sein. „Viele private Vermieter erhöhen die Miete nicht jedes Mal, wenn sie es könnten“, erläutert Heß. Ihnen sei mehr daran gelegen, ihre guten Mieter zu halten. Auch räumten sie, wie auch Genossenschaften und kommunale Gesellschaften, derzeit in der Regel die Möglichkeit ein, die Nebenkosten in Raten abzuzahlen. Allerdings: „Stirbt ein Privatvermieter, kann es sein, dass die Erbengemeinschaft verkauft.“ Sicherheit gibt es demnach nicht.

Heß nennt Deutschlands größtes Wohnungsunternehmen Vonovia als Negativbeispiel. „Ihnen ist völlig egal, wer bei ihnen wohnt, es geht ihnen nur ums Geld.“ Das Unternehmen vergebe für die Nebenkosten relevante Aufträge an eigene Tochterunternehmen, die dann überhöhte Rechnungen stellten. Am Ende zahle der Mieter – noch sei das ganz legal, sagt Heß.

Der Schlüssel zu einem guten Verhältnis zum Vermieter ist aus seiner Sicht, dass er vor Ort ist und ansprechbar. Schwierig seien Unternehmen mit Sitz im Ausland, die lediglich – ständig wechselnde – Verwaltungsgesellschaften hätten, gern mit Sitz in Berlin. „Stimmt etwas mit der Nebenkostenabrechnung nicht, finden sich häufig keine Ansprechpartner. Oder die Gesellschaft hat die Vorauszahlungen nicht weitergeleitet, der Schuldige ist nicht zu finden, aber den Mietern wird der Strom abgestellt.“ Er empfiehlt allen Mietern, die Abrechnung fachlich prüfen zu lassen und rechtzeitig zu beanstanden. Dazu haben sie ein Jahr Zeit, Heß rät aber dazu, schneller zu sein, um dem Geld später nicht hinterherlaufen zu müssen.

Zahl der geförderten Mietwohnungen sinkt drastisch

Nach den Zahlen der NRW Bank gab es im Jahr 2012 im Kreis Wesel noch 10.952 geförderte Mietwohnungen. Zehn Jahre später, Ende 2022, waren davon noch 8556 übrig. Mit Ausnahme von Wesel, Hamminkeln, Xanten und Voerde ist die Zahl der öffentlich geförderten Wohnungen in den übrigen Kommunen teils massiv zurückgegangen.

Mit 1865 geförderten Wohnungen hatte Wesel Ende 2022 den größten Bestand aller kreisangehörigen Kommunen, das waren 301 mehr als im Jahr 2012. Dinslaken hatte Ende 2022 noch 1853 (minus 977), Moers 1818 (minus 83), Kamp-Lintfort 672 (minus 416 im Zehnjahresvergleich).

Die weiteren Kommunen: Alpen hatte nur eine solche Wohnung (minus 35), Hamminkeln hat um 70 auf 262 aufgestockt, Hünxe kann noch 56 geförderte Wohnungen anbieten (minus 30), Neukirchen-Vluyn 301 (minus 582), Rheinberg 325 (minus 315), Schermbeck 121 (minus 236), Sonsbeck 12 (minus 96), Voerde 770 (plus 1) und Xanten 410 (plus 2).

Kommunale Wohnbaugesellschaften oder Genossenschaften also sind ein Schlüssel für ein gutes Mieter/Vermieterverhältnis, wenn auch nicht garantiert. Doch im Kreis Wesel gibt es zu wenig öffentlich geförderten und somit bezahlbaren Wohnraum, Lösungen dafür sind nicht in Sicht. Die großen kommunalen Vermieter sind die Grafschaft Moers, die Wohnbau Dinslaken und die Bauvereine Wesel und Moers, doch sie können den großen Bedarf nicht decken. Frank Berger ist CDU-Fraktionschef im Kreistag Wesel und Aufsichtsratsvorsitzender der Grafschaft Moers, auf Anfrage erläutert er das Dilemma in der Region.

Ziel sei es immer, mehr Wohnraum zu schaffen. „Es ist nicht leicht, bezahlbare Grundstücke zu bekommen“, erläutert Berger. Die Grafschaft Moers habe aktuell den Schwerpunkt, den Bestand energetisch zu sanieren. Um das Bauen zu fördern, ist aktuell im Kreis Wesel die Idee, die Grafschaft Moers zu einer Art Bauregiegesellschaft auszubauen. Hintergrund: In der Bauverwaltung des Kreises fehlen Fachleute und auf dem Markt sind diese nicht zu haben. Aktuell befassten sich die Gremien der Grafschaft – sie gehört zu 80 Prozent dem Kreis Wesel – mit dem Thema, er rechne Ende 2024 mit Ergebnissen, so Berger.

Wunder allerdings sind von diesem Ansatz nicht zu erwarten. „Es braucht Förderprogramme von Bund und Land, damit Wohnungen am Ende mit einer Schwarzen Null gebaut werden können.“ Angesichts der Preise und Zinsen sei das aktuell nicht möglich, die Gesellschaften müssten Geld dazu geben. Das könnten sie nicht. Sozialer Wohnungsbau, das sei heute nach aktuellen Energiestandards sowie barrierefrei und modern. Man sehe es den Häusern nicht mehr an. Selbst wenn Geld von Bund und Land flösse, es müssten Grundstücke her. „Die meisten werden von Privatleuten an den Meistbietenden verkauft. Dann entstehen auf den Grundstücken ehemaliger Einfamilienhäuser aus den 60er-Jahren Mehrfamilienhäuser mit schönen Wohnungen. Aber eben auch teuren Wohnungen.“ Auch Kommunen besitzen Grundstücke, doch sie sind klamm. Bei etwaigen Verkäufen haben auch sie nichts zu verschenken. Hier müsste Unterstützung kommen.

Für Peter Heß vom Mieterschutzbund ist der gesamte Wohnungsmarkt absurd, auch in der Region. „Wenn ich auf dem Wochenmarkt Ware zu teuer anbiete, nimmt sie mir niemand ab. Geht es um Wohnungen, ist der Markt abgeschafft.“ Der Staat helfe dann, die Miete zu bezahlen, mit Wohngeld beispielsweise. Hart treffe diese Situation Aufstocker und Menschen, die mit dem Mindestlohn auskommen müssen. Solche, die gerade eben über der Grenze verdienen, die ihnen staatliche Unterstützung sichern würde. Eine Besserung sei nicht in Sicht.