Kreis Wesel. Auch nach vier Jahren Katzenschutzverordnung im Kreis Wesel hat sich die Zahl der Streuner nicht verringert. Das verursacht großes Tierleid.

Freigängerkatzen im Kreis Wesel müssen gechippt und kastriert sein, das ist seit 2019 Pflicht, als die Katzenschutzverordnung in Kraft getreten ist. Die Erwartungen an ihre Wirkung waren groß: Das Elend verwilderter Hauskatzen und ihrer zahlreichen Nachkommen sollte eingedämmt werden. Häufig sind die Tiere krank und unterernährt, sie leiden. Was ist aus dem Vorhaben geworden?

Gabi Wettläufer vom Tierheim in Wesel, zuständig auch für Voerde, Hamminkeln, Hünxe und Schermbeck, ist ernüchtert. Sie hatte jahrelang für die Verordnung gekämpft und erwartet, dass sich die Zahl der verwilderten Katzen nun verringert. „Das Gegenteil ist eingetreten“, sagt sie heute, „und niemand weiß, warum.“ Im vergangenen Jahr habe es so viele Katzen wie nie im Tierheim Wesel gegeben, „alles war voll, Ende des Jahres hatten wir 150 Katzen im Haus“. Noch immer gehe es darum, den letzten Wurf zu vermitteln, die Herbstkätzchen also. Dabei steht im April und Mai der nächste Nachwuchs an. Die Tierheime im Kreis Wesel versuchen, gegen die Vermehrungsfreude der Katzen anzukastrieren. Es ist ein Kampf, den sie aktuell nicht gewinnen können. Eine Katze kann im Jahr zwei bis drei Würfe haben.

Woher kommen die herrenlosen Katzen? „Viele machen die Bauern dafür verantwortlich, die ihre Tiere nicht kastrierten. Das stimmt aber nicht“, sagt Wettläufer, „die meisten Streuner kommen aus bebauten Wohngebieten, zahlreiche auch aus den Innenstädten“, es sei den Leuten häufig einfach egal.

Chippen allein reicht nicht aus

Beate Mühlenberg aus der Tierherberge Kamp-Lintfort stellt fest, dass die Katzenverordnung immerhin dazu geführt habe, dass mehr Menschen ihre Tiere chippen lassen. Allerdings, und das Phänomen fällt auch in Wesel auf, wissen viele Katzenhalter nicht, dass sie ihren Liebling selbst beim Haustierregister Tasso eintragen müssen. Ohne das kann der Halter nicht ermittelt werden, es reicht nicht, dass der Tierarzt oder Züchter die Katze gechippt hat.

Auch wild aufgewachsene Streuner chippt der Tierschutzverein Kamp-Lintfort. Diese Tiere sind nicht vermittelbar, werden kastriert, haben die Information „Wildkatze“ im Chip und werden wieder freigelassen. Warum das? Tierschützer, die diese Katzen mit Futter versorgen, stellen auch Fallen auf, um fortpflanzungsfähige Exemplare kastrieren zu lassen. Sie hätten ein Lesegerät, erläutert Beate Mühlenberg. „Auf diese Weise wird den bereits kastrierten Katzen der Stress erspart, immer wieder gefangen und transportiert zu werden.“ Es ist ein Verdienst der Katzenschutzverordnung, dass die Tierschutzvereine rechtssicher einfangen und kastrieren lassen können. Zuvor gab es immer die Möglichkeit, dass eine Katze doch Besitzer hat.

Verantwortliche sind schwer zu finden

Häufig, so der Kreis Wesel, werden im Kreisgebiet lokale Ansammlungen von Streunern gemeldet. Hotspots gab es demnach in Hamminkeln, Rheinberg, Sonsbeck, Wesel und Xanten. Ursache für die größeren Populationen seien gute Futtergrundlagen, beispielsweise in Siedlungen oder im Bereich landwirtschaftlicher Gehöfte, aber auch unsachgemäße Fütterungen. „In fast allen Fällen ist es kaum möglich, Verantwortliche rechtssicher zu bestimmen“, so der Kreis.

Die Zahl der wild geborenen Katzenbabys steigt. Die Tierheime haben alle Hände voll zu tun, die Kleinen zu vermitteln.
Die Zahl der wild geborenen Katzenbabys steigt. Die Tierheime haben alle Hände voll zu tun, die Kleinen zu vermitteln. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Seit Einführung der Schutzverordnung führt der Kreis Wesel eine Statistik. Demnach gab es 2022 insgesamt 595 gemeldete Kastrationen, im ersten Halbjahr 2023 waren es 261, teilt der Kreis auf Nachfrage mit. Zahlen für die zweite Jahreshälfte liegen noch nicht vor, „wir gehen von steigenden Fallzahlen aus“, so der Kreis. Gabi Wettläufer schätzt, dass allein im Einzugsbereich des Weseler Tierheims im gesamten vergangenen Jahr rund 500 Katzen gefangen und kastriert wurden. Auch in Kamp-Lintfort gab es 2023 zahlreiche Kätzchen, allerdings hatten die Tierschützer hier Glück: Die Nachfrage war groß und viele Samtpfoten fanden schnell ein neues Zuhause. Prognosen mag Beate Mühlenberg nicht abgeben, „es ist ein stetiges Auf und Ab, kein Jahr ist wie das andere“, sagt sie.

Bis zu 1000 Euro Bußgeld drohen, wenn Katze oder Kater unkastriert sind

Wer damit erwischt wird, Katzen oder Kater unkastriert frei herumlaufen zu lassen, muss mit einem Bußgeld von 250 bis zu 1000 Euro rechnen. Allerdings ist es nicht so einfach, der Halter habhaft zu werden. In den vergangenen beiden Jahren wurden daher jeweils vier Bußgelder verhängt, in einem Fall die Kastration einer Katze angeordnet. Ist ein Tier entwischt und wird aus dem Tierheim wieder abgeholt, erhalten die Halter die Aufforderung, es kastrieren zu lassen, sonst ergeht eine Meldung ans Veterinäramt des Kreises. Dann kann es teuer werden.