Am Niederrhein. Der Kiebitz ist der „Vogel des Jahres 2024“. Doch er ist vom Aussterben bedroht, aus mehreren Gründen. So steht es derzeit um ihn im Kreis Wesel.

Der Kiebitz wurde in einem Wahlverfahren des Naturschutzbundes (Nabu) in Zusammenarbeit mit dem Landesbund für Vogel- und Naturschutz (LBV) mit 27,8 Prozent erneut zum Vogel des Jahres gewählt. Die vom Aussterben bedrohte Vogelart war einst am Niederrhein weit verbreitet. Doch was hat zum Rückgang dieser Tiere geführt? In Gesprächen mit der Nabu Naturschutzstation Niederrhein, dem Regionalverband Ruhr und der Biologischen Station im Kreis Wesel haben wir versucht zu erfahren, wie der Kiebitz am Niederrhein aktuell lebt.

Der Kiebitz ist ein Zugvogel, der gerne „offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen“ zu seinem Lebensraum zählt, heißt es vom Nabu. Seine Nahrung besteht hauptsächlich aus Insekten, Spinnen und Larven. Aber auch Getreidekörner und Wiesenpflanzen verspeist der taubengroße Vogel gerne. Die Küken sind Nestflüchter und machen sich schnell selbstständig auf Nahrungssuche.

Seine Eier legt der Kiebitz je nach Wetterverhältnissen zwischen März und Juni. „Das mit Gras ausgepolsterte Nest wird in einer Mulde am Boden angelegt“, erklärt der Nabu. Der Kiebitz brütet einmal jährlich, es sei denn, er verliert seine Eier durch die Witterung oder natürliche Feinde, wie Füchse oder Greifvögel. Dann erfolgen Nachgelege.

Kiebitz: Warum stirbt diese Vogelart weiter aus?

Abgesehen von seinen natürlichen Feinden gibt es aber noch ein anderes Problem: Der Lebensraum des Kiebitz wird immer kleiner. Vor allem Entwässerungen, aber auch intensive Landwirtschaft haben über die Jahre seinen natürlichen Lebensraum zerstört. „Das größte Problem ist eindeutig die Landwirtschaft“, sagt Peter Malzbender, Nabu-Vorsitzender im Kreis Wesel. Durch die immer weniger werdenden offenen Grünlandflächen sei der Kiebitz gezwungen, auf Äckern sein Nest zu bauen.

Besonders beliebt bei den Vögeln seien alte Mais-Stoppel-Äcker, sagt Thomas Traill, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Biologischen Station im Kreis Wesel. Ihre Nester würden jedoch nicht lange halten, da vor allem die Landwirte ständig mit ihren Maschinen über die Felder fahren. Aber auch die oft genutzten Pestizide seien mitunter ein Grund für das Aussterben der Kiebitze. Vor allem die Jungtiere fänden deshalb keine Insekten oder Larven und verhungerten, so Malzbender.

Werden Vorkehrungen getroffen, um die Kiebitze zu schützen?

Gerade im Frühjahr, wenn die Brutzeit beginnt, kommen sich Mensch und Vogel häufig in die Quere. Denn die Landwirte wollen ihr Getreide oder ihren Mais säen und verdrängen die brütenden Tiere oder zerstören ihre Nester. Jedoch sagt Biologin und Leiterin des Regionalverbandes Ruhr Naturforum Dr. Ilka Weidig ganz klar: „Es ist nicht der Böse Bauer schuld.“ Denn dieser müsse sonst mit Verlusten rechnen, wenn er später säen würde, sagt sie. Nun stellt sich die Frage: Ist der Kiebitz noch zu retten?

Viele der heutigen landwirtschaftlichen Flächen liegen im Naturschutzgebiet und seien von den Bauern gepachtet, erklärt Weidig. Die Landwirte unterliegen einigen Vorgaben und haben zum Schutz vieler Arten auch entsprechende Verträge mit den Naturschutzorganisationen unterschrieben. Im Rahmen dessen müssen die Landwirte auf die Brutzeit der Kiebitze Rücksicht nehmen. Wenn beispielsweise ein Bauer früh säen möchte, muss er das beim entsprechenden Naturschutzbund genehmigen lassen, erklärt die Biologin. Man versuche dann eine Lösung zu finden, die naturverträglich ist und die sowohl im Interesse der Menschen als auch der Vögel sei, erklärt Weidig weiter.

Wie viele Exemplare gibt es noch am Niederrhein?

Wie viele Kiebitze im Kreis Wesel leben, ist unklar. „Das kann niemand genau sagen“, sagt der Nabu-Vorsitzende Peter Malzbender. Klar ist: In Deutschland wurden zuletzt nur noch rund 42.000 bis 67.000 Brutpaare gezählt, heißt es auf der Nabu-Seite. „Der Bestand ist in den letzten Jahren um 90 Prozent geschrumpft“, weiß Malzbender. Jedoch hätten sich die Lebensraumverhältnisse in einigen Gebieten im Kreis Wesel deutlich verbessert, sagt Thomas Traill von der Biologischen Station in Wesel. Vor allem auf der Bislicher Insel in Xanten sei der Trend derzeit positiv zu bewerten, sagt Expertin Ilka Weidig. Im Jahr 2022 war die Rede von rund 240 Revieren.

1996 wurde der Kiebitz schonmal zum Vogel des Jahres gewählt. Gekürt haben ihn damals der Nabu und der LBV. Heute kann jeder an der im September stattfindenden Wahl teilnehmen und mit abstimmen. Der Vogel des Jahres wird seit 1971 gewählt. Damals gewann der Wanderfalke.

Schon gewusst?

Kiebitzeier waren früher eine Delikatesse. Inzwischen ist es verboten, diese zu essen oder zu sammeln. Trotz Verbots, würden in Frankreich dennoch jährlich 100.000 bis 300.000 Kiebitze gejagt und gegessen, weiß Peter Malzbender, Vorsitzender des Nabu. Sogar bekannte Restaurants würden immer noch die Vögel ihren Gästen anbieten, erzählt er.